Dominik Graf langt für diese Verfilmung mit beiden Händen ins filmhistorische Archiv und nutzt das riesige Reservoir der Möglichkeiten für einen Avantgardefilm, der wenig mit avantgardistischem Pathos, aber mit der Sinnenfreude des Kinos viel zu tun hat: Das Problem mit der Avantgarde ist ja, dass sie immer so avantgardistisch ist, heißt es an einer Stelle in loser Kästner-Verfilmung „Fabian oder der Gang vor die Hunde“. Was sich in dieser lustvollen Szene – Sommer, Wasser, Leute drin – ausplaudert, ist vielleicht auch die Haltung dieses schönen Films: Was muss die Filmkunst oft so unsinnlich sein? Was müssen das Spiel und Experiment mit den Formen, der Griff ins filmhistorische Archiv oft so ernstelnd ausfallen?

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Aug. 2021 | Allgemein, Feuilleton, InfoTicker aktuell, Junge Rundschau, Film | Kommentieren

Unter dem knappen Vermerk «Bundesrepublik 1946» findet sich in Salcia Landmanns umfänglicher Sammlung jüdischer Witze folgender Eintrag: «Was ist der Unterscheid zwischen einem Saupreiss und einem Saujud? – Saupreiss darf man sagen.» Liest man das heute, hat man den zeitlichen Abstand vor Augen. Vor 75 Jahren konnte man, wenn man denn wollte, so etwas witzig finden, weitererzählen und einem Sammelwerk über die Geschichte des jüdischen Witzes einverleiben. Man musste nicht befürchten, als Juden- oder Preussenhasser blossgestellt, am Ende sogar vor Gericht geschleppt und bestraft zu werden. Heute ist man da längst nicht mehr so sicher. Ein falscher Witz kann böse Folgen haben, weshalb man ihn am besten unterlässt.

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Aug. 2021 | Allgemein, Essay, Feuilleton, Junge Rundschau, Senioren | Kommentieren

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Aug. 2021 | Allgemein | Kommentieren

An der Front, was die Romankunst der Gegenwart angeht: Howard Jacobson.Live a Little, das nun auf Deutsch bei Klett-Cotta unter dem etwas umständlichen, bräsig kalauernden Titel Rendezvous und andere Alterserscheinungen vorliegt, ist vielleicht Jacobsons bestes Buch. Es ist etwas Gewagtes, literarisch monströs heikel – eine komplett politisch unkorrekte „geriatric comedy of manners“, eine Senioren-Gesellschaftskomödie mit und über zwei Figuren, die höchstbetagt sind.

Alt, noch älter: Etwa achtundsiebzig

Oder gar 90: Beryl Dusinbery, über 90, die „Prinzessin“, gallig-scharfzüngig, impulsiv, sarkastisch, die in ihrer Wohnung in der Finch ley Road zu London von zwei Betreuerinnen, einer aus Afrika, einer aus Moldawien, gepflegt wird. Richtig hinfällig ist sie nicht, doch das Gedächtnis scheint sie nach und nach im Stich zu lassen. Gegenfigur ist Shimi Carmelli, Sohn einer Jüdin, die starb, als er Teenager war, und eines Vaters aus Malta, der ein Jahr nach dem Tod der durchscheinend fragilen Frau spurlos verschwand, stramm auf die 91 zugehend. (mehr …)

Aug. 2021 | Allgemein, Buchempfehlungen, Gesundheit | Kommentieren

Marsilius von Ingen – von Pfalzgraf Ruprecht I. zum ersten Rektor der Universität Heidelberg berufen

Marsilius von Inghen studierte und lehrte an der Universität in Paris, an der er zeitweise auch zum Rektor aufstieg. Als sich die mittelalterliche Kirche 1378 durch die Wahl von zwei Päpsten aufspaltete, stand er aufseiten des römischen Papstes, während Paris dem in Avignon residierenden Gegenpapst zuneigte. Wie viele andere Universitätsangehörige musste Marsilius daraufhin seine Lebensplanung ändern. Kurfürst Ruprecht I. gelang es, ihn als „anheber und regirer“ und somit als Gründungsrektor für die 1386 eröffnete Universität Heidelberg zu gewinnen.  Marsilius vollendete in Heidelberg sein in Paris begonnenes Theologiestudium und wurde 1396 – kurz vor seinem Tod am 20. August desselben Jahres – zum Doktor der Theologie promoviert. Er hinterließ der noch jungen Universität seine umfangreiche Büchersammlung und sorgte auch für die Gründung eines Universitätsarchivs.

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Aug. 2021 | Allgemein | Kommentieren

WhatsApp-Chef Will Cathcart hat Enthüllungen zur Überwachungssoftware Pegasus der israelischen Firma NSO als „Weckruf“ bezeichnet. „Mobiltelefone sind entweder für jeden sicher oder sie sind nicht für jeden sicher“, sagte er der britischen Zeitung The Guardian am Samstag. „Wenn das Journalisten auf der ganzen Welt betrifft, wenn das Verteidiger von Menschenrechten auf der ganzen Welt betrifft, dann betrifft das uns alle.“

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Juli 2021 | Allgemein, In vino veritas, Junge Rundschau, Politik, Sapere aude, Zeitgeschehen, Wo aber Gefahr ist, wächst / Das Rettende auch | Kommentieren

Unterschlagung, Geldwäsche, Korruption, Betrug: Im Vatikanstaat steht ein spektakuläres Strafverfahren an. Es geht um den Verlust vieler Millionen Euro Kirchengeld. Eines der ältesten Gebete der katholischen Kirche ist das Schuldbekenntnis, das Confiteor. Ursprünglich diente es zur Vorbereitung des Klerus auf die Heilige Messe, später wurde es zum festen Bestandteil des Gottesdienstes und bis heute kennen auch Nicht-Christen daraus zumindest die eine berühmte Formel: „mea culpa“. Trotzdem gesteht auch der Vatikan Schuld ungern ein. Insbesondere dann, wenn es um Verbrechen auf dem Gebiet des Vatikanstaates geht.

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Juli 2021 | Allgemein, In vino veritas, Kirche & Bodenpersonal, Politik, Sapere aude, Senioren, Wirtschaft, Zeitgeschehen, Wo aber Gefahr ist, wächst / Das Rettende auch | Kommentieren

In jedem Jahr werden in Deutschland Hunderttausende Fahrräder gestohlen, darunter immer mehr Modelle der Premiumklasse. Viele von ihnen finden sich später in der Ukraine wieder.  Anna aus Berlin (Name geändert) hatte nicht lange Freude an ihrem brandneuen roten E-Bike. Im Januar 2020 kaufte sie es für 2600 Euro und stellte es immer im Fahrradkeller ihres Wohnhauses ab. Doch das half nicht: Im Juli wurde es gestohlen. Anna meldete den Diebstahl der Polizei. Im vergangenen Jahr wurden nach Angaben des Bundeskriminalamtes (BKA) in Deutschland über 260.000 Fahrraddiebstähle im Gesamtwert von knapp 200 Millionen Euro registriert. (mehr …)

Juli 2021 | Allgemein, Junge Rundschau, Wirtschaft, Zeitgeschehen | Kommentieren

Damit soll die Nutzer jetzt an die Grundregeln erinnern:  Allein fahren, beim Fahren nicht am Handy herumspielen und nicht unter Drogen- oder Alkoholeinfluss fahren

 

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Juli 2021 | Heidelberg, Allgemein, In vino veritas, Junge Rundschau, Zeitgeschehen | Kommentieren

Trotz seiner systematischen Säuberungen fürchtet der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan noch immer den Verlust seiner Macht – er hat den Putschversuch vom 15. Juli 2016, den sein früherer Weggefährte, der Prediger Fethullah Gülen, angeblich organisiert haben soll, unter Kontrolle bekommen. In zwei Jahren unter Notstandsrecht hat er jedes verfügbare Mittel genutzt, um alle potentiellen Hindernisse für seine ultimative Herrschaft aus dem Weg zu räumen. Dennoch hatte er noch nie so große Angst um seine Macht wie jetzt.

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Juli 2021 | Allgemein, In vino veritas, Politik, Zeitgeschehen | Kommentieren

Laschets „Leistung muss sich lohnen“-Rhetorik kennt man sonst nur von der FDP

Der Kanzlerkandidat der Union ignoriert die Mehrheit der Gesellschaft: Nach der Wahl will er vor allem Gutverdiener finanziell besserstellen. Das ist ein Affront gegen viele Millionen hart arbeitende Bürger.
Eines kann wirklich keiner behaupten: dass es im Wahlkampf 2021 bisher darum ginge, was die Parteien für das Land tun wollen. Im Zentrum stehen kleinere oder vermeintliche Fehltritte der grünen Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock. Für den Konkurrenten aus der Union ist das ideal. Der freundliche Armin Laschet muss nur in die Kameras lächeln, um seine Umfragewerte zu steigern. Für die Deutschen wäre es jedoch wichtiger zu verstehen, was die verschiedenen Parteien fürs Land tun wollen. Und da zeigt sich: Im netten Armin verbirgt sich womöglich ein kaltes Herz. Der Mann riskiert die soziale Spaltung des Landes.

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Juli 2021 | Allgemein, Essay, In vino veritas, Junge Rundschau, Politik, Sapere aude, Wirtschaft, Zeitgeschehen, Wo aber Gefahr ist, wächst / Das Rettende auch | Kommentieren

Erastes mit einem Hasen, Eromenos mit
den empfangenen Geschenken

Ein präzises Datum jedoch, von wann an gleichgeschlechtlich begehrende Männer sich in der Selbstwahrnehmung mit dem Wort „schwul“ bezeichneten, lässt sich nicht benennen. Gewöhnlich wird die Uraufführung von Rosa von Praunheims Film „Nicht der Homosexuelle ist pervers, sondern die Situation, in der er lebt“ von 1971 (1) und die im Zuge seiner Aufführung in überwiegend studentisch besuchten Kinos bewirkte Gründung einer Vielzahl von Schwulengruppen in der Bundesrepublik als Zeitpunkt für die atmosphärische Umdeutung des eigentlich als Schmähattributierung gedachten Wortes markiert. (2) Programmatisch heißt es im Film:

„Jetzt aber ist die Zeit da, wo wir uns selbst helfen müssen. […] Das Wichtigste für alle Schwulen ist, dass wir uns zu unserem Schwulsein bekennen.“

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Juli 2021 | Allgemein, Buchempfehlungen, Essay, Junge Rundschau, Kirche & Bodenpersonal | Kommentieren

Wenn die Temperatur eines Menschen von gesunden 36,6 auf 38,6 Grad Celsius ansteigt, hat das Konsequenzen. Schon ein scheinbar geringer Anstieg führt dazu, dass sich der Mensch unwohl fühlt und der Körper nicht mehr normal funktionieren kann – und ähnlich verhält es sich mit der Erde. Seit dem späten 19. Jahrhundert, als die Verbrennung fossiler Brennstoffe immer weiter voranschritt, hat sich unser Planet im Durchschnitt um mehr als ein Grad Celsius erwärmt. An einigen Orten sind die Temperaturen über diesen Wert hinaus gestiegen. Manche Pflanzen beginnen zu sterben, bevor sie entdeckt werden.

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Juli 2021 | Allgemein, In vino veritas, Junge Rundschau, Sapere aude, Zeitgeschehen | Kommentieren

Die Mutter ein Reptil von eigenen Gnaden, der Vater ein karibischer „hollow man“ – Jamaica Kincaid geht bei der literarischen Inszenierung ihrer Familiengeschichte eigene Wege.
Aber sie kann auch das Politische: Das beweist das schmale, ihrer Heimat Antigua gewidmete Buch „Nur eine kleine Insel“.

Wir stellen die Schriftstellerin vor und bringen eine Leseprobe aus dem Buch, das am 17. Juni neu aufgelegt wurde. (Jamaica Kincaid, Gotheborg 2019, Foto von Sofie Sigrinn, CC BY-SA 4.0) (mehr …)

Juli 2021 | Allgemein, Buchempfehlungen, Feuilleton, Senioren | Kommentieren

Das Alte Testament ist voll von Mord und Totschlag: „Euer Auge soll kein Mitleid zeigen, gewährt keine Schonung! Alt und jung, Mädchen, Kinder und Frauen sollt ihr erschlagen und umbringen. Beginnt in meinem Heiligtum! Macht den Tempel unrein, füllt seine Höfe mit Erschlagenen!“
Es ist kein Mensch, der diese blutrünstige Rede führt – es ist Gott selbst, der die wenigen Gerechten in Jerusalem zum Massenmord an ihren Landsleuten aufruft. Erzählt wird diese unglaubliche Geschichte göttlichen Jähzorns im Buch des Propheten Ezechiel.

Die bisherige Debatte über den biblischen Monotheismus ist zu sehr auf die Figur des Mose und die Exodus-Überlieferung fixiert. Ein ganz anderes Bild des altisraelitischen Eingott-Glaubens ergibt sich, wenn man die anderen Bücher der Bibel, insbesondere die Weisheitsliteratur, heranzieht.
Der folgende, aus der Perspektive eines Alttestamentlers verfasste Beitrag zur gegenwärtigen Monotheismusdebatte hat zwei Schwerpunkte: Ein erster Teil informiert über die literatur- und religionsgeschichtliche Problematik der Verknüpfung der alttestamentlichen Moseüberlieferung mit der Frage nach den Anfängen des israelitisch-jüdischen Monotheismus.
Ein zweiter Abschnitt widmet sich dem Nachdenken über die Einheit und Einzigkeit Gottes in den alttestamentlichen Weisheitsschriften, die in den Diskussionen über den biblischen Monotheismus viel zu wenig berücksichtigt werden. (mehr …)

Juli 2021 | Allgemein, Kirche & Bodenpersonal, Sapere aude | Kommentieren

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