Über den Schriftsteller Richard Ford wird berichtet, er habe einem Kritiker einmal bei einer Party wegen einer schlechten Besprechung ins Gesicht gespuckt. Zuvor hatte er schon mit einer Schusswaffe auf das Buch einer anderen Kritikerin gefeuert und ihr das durchlöcherte Exemplar per Post zugeschickt. Solche Anekdoten, in denen Kritiker zur Zielscheibe von Racheaktionen der Künstler werden, gehören zur Folklore des modernen ästhetischen Diskurses.
Dass sie durchaus auch mit Verständnis oder sogar Genugtuung erzählt werden, hat eine Erklärung im umstrittenen Status des professionellen Rezensionswesens. Kritiker sind in der Moderne immer wieder angegriffen worden, als Nörgler und Pedanten, unproduktive Feinde der Kunst, die sich unsensibel über Menschen hermachen, die sich ästhetisch und emotional verausgaben, um für uns Meisterwerke zu schaffen.
Nachdem der Choreograph Marco Goecke im Februar 2023 Wiebke Hüster, die Ballettkritikerin der FAZ, in der Pause einer Aufführung an der Staatsoper Hannover mit Hundekot attackiert hatte, konnte man einen Eindruck davon gewinnen, wie unsicher der Status der Kritik in der Gegenwart geworden ist.