Ein Ort auch, an dem nach den 12 Jahren brüllend-aggressiven Marschgesangs auch leise gesungene Lieder eine Heimstatt fanden, ein Ort aber auch, der als wichtige Geburtsstätte des neuen deutschen Chansons und des neuen politischen Liedes gelten darf; ein antibürgerlicher Ort, an dem man ab 1964 verfolgen konnte, wie mit 1968 eine bürgerliche Jugendbewegung mit antibürgerlichem Gestus heraufzog.
Natürlich weiß ich, dass dies zugleich ein Ort ist, an dem intime Kenner der Waldecker Festivals zu Hause und heute auch unter den Zuhörern sind – ich kann aus eigenem Miterleben davon berichten. Aus dieser Zeit bin ich zum Beispiel dem 1778/79 erschienenen Werk „Volkslieder“ von Johann Gottfried Herder verbunden, das den Anfang der Liedforschung markiert und 1807 den programmatischen Titel „Stimmen der Völker in Liedern“ erhielt.
Durch das Lied, ist dort zu lesen, würden die Menschen mit der ganzen Seele erfaßt, ja, Lieder zeigten, „dass die Dichtkunst überhaupt eine Welt- und Völkergabe sei, nicht und kein Privaterbteil einiger feinern, gebildetern Männer“ sei. Einbezogen hat der Sammler in sein völkerverbindendes Projekt selbst grönländische, tartarische, peruanische oder madagassische Beispiele; Herder würde sich glänzend mit vielen anderen Waldeck-Sängern verstanden haben.

Das Dokumentationszentrum der Sinti und Roma in Heidelberg
Der Fall wirft Fragen auf!
Der Basler Fachausschuss Literatur will den neuen Roman des Schriftstellers Alain Claude Sulzer vorerst nicht fördern, weil darin das Wort „Zigeuner“ vorkommt. Sulzer spricht in der „NZZ am Sonntag von Zensur und hat sein Fördergesuch zurückgezogen.
Der Fall wirft Fragen auf?
Mal zum Beispiel diese: Wohin mit diesem Machwerk:
Brahms: Zigeunerlieder Op. 103 (1888)
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Vorsicht – ein extrem langer Beitrag
2. Februar 2006 – Eine neue Rushdie-Affäre? Ganz Europa streitet über die dänischen Mohammed-Karikaturen: französische Zeitungen, dänische Zeitungen, spanische, belgische, lettische, ungarische, englische, schwedische, deutsche, portugiesische, slowenische, schweizer, tschechische, österreichische, italienische, polnische …
Eine europäische Presseschau:
Darf man Mohammed karikieren? Die Antwort auf diese Frage, sollte man meinen, lautet ja. Aber die Diskussion in Europa zeigt, dass dies keineswegs überall so gesehen wird.
Vor 10 Jahren – am 22. August 2013 debattierte der Deutsche Bundestag über den „Stand der Aufarbeitung der SED-Diktatur“. Grundlage der Aussprache war der entsprechende Bericht der Bundesregierung,

Papst Benedikt XVI. besuchte die Kathedrale von Valencia in Spanien. Sie hütet den Kelch aus Achat (Santo Cáliz), der von den Gläubigen als der „Heilige Gral“ verehrt wird.
Vor gar nicht so langer Zeit (habe ich 2009 hier in der Rundschau geschrieben) gibt es noch eine richtige Sympathiewelle für den „bescheidenen Arbeiter im Weinberg des Herrn“. Auch und gerade Linke konnten sich dem Charme des Mannes, der sich gegen den Zeitgeist stellte, „diesem Bollwerk des Eigensinns“, nicht entziehen. Man witterte eine fremde rebellische Energie, deren Widerstandspotential gegen die neoliberale Marktbeherrschung aller Lebensbereiche man Anerkennung zollte. Gerade dieser verschrobene Theologieprofessor nährte ob seiner beharrlichen Unzeitgemäßheit die Hoffnung, er würde die Kirche zu einer dissidenten Kraft machen, einer unerwarteten Bündnispartnerin im Einspruch gegen die Totalkapitalisierung des Lebens. (mehr …)

Kein Zug fährt mehr ab vom Hauptbahnhof in Bamako. Aber die Instrumente der Rail Band sind immer noch in einem Verschlag gelagert, seit 50 Jahren. Eine Hammondorgel, Saxofone, Schlagzeug. Ein halbes Jahrhundert später holen ein paar ehemalige Musiker das hervor, womit sie zwischen 1970 und 1973 täglich von Dienstag bis Samstag ihr Publikum in Ekstase versetzten. Mit einer Musik, die Traditionen aus den verschiedenen Regionen des Landes mit afrokubanischen Stilen verschmolz.
Der Film begleitet den Besuch des Berliner Omniversal Earkestra bei ihren Idolen gemeinsamer Jams wegen. Um Informationsvermittlung geht es Schmidt dabei nur am Rande, „stattdessen sitzen wir als stille Beobachter mit den vorwiegend jungen Berliner Musikern im Reisebus, während draußen die Steppe vorbeizieht. …
Wir lassen dem Film die lockere Beiläufigkeit eines Road Movie und geben der Musik so viel Raum, dass auch das Kinopublikum die Motivation für die nicht ungefährliche Reise ausgiebig nachvollziehen kann.

Bundesrepublikanische Gesellschaft geht fröhlich am Stock
Wenn es noch eines Beweises bedurft hätte für den geringen Stellenwert, den die Jüngeren auf der politischen Prioritätenliste der alternden deutschen Gesellschaft haben – Corona hat ihn erbracht. Zerknirscht gestehen Politik und Gesellschaft in der postpandemischen Welt ein, dass sie die Jüngeren massiv überfordert haben. Warum war das so?
Weil sie keine Macht und keine Lobby haben. Und weil sie nicht wählen dürfen. Doch die Pandemie war und ist nur ein Symptom. Das Problem sitzt – und zwar erheblich – tiefer:

Das Weiherelief des Archinos. Im Vordergrund träumt der Patient, wie der Gott an ihm eine Operation vornimmt, rechts ist dargestellt, wie der Kranke in Wirklichkeit von einer Schlange geleckt wird. Athen, Nationalmuseum. 380 v.Chr.
Aufmerksamkeit ist eine selektive Energie. Was sie dem einen Phänomen zuteil werden lässt, entzieht sie einem anderen. Diese Ökonomie können sich politische Akteure zunutze machen, um hinter dem Hype eines Themas bequem ein anderes zu kaschieren. Im Aufmerksamkeitsschatten von Ukraine, Isis und von Europawahl, schleicht dieses Jahr eine Debatte durchs Parlament, die das Potenzial hätte, die Prinzipien demokratischer Legitimation radikaler zu erschüttern als die großen weltpolitischen Spektakel, von denen sie überlärmt wird – von der Debatte um die gesetzliche Regelung der Sterbehilfe.
Russische Studenten werden offenbar für den Bau sogenannter Kamikaze-Drohnen in der russischen Sonderwirtschaftszone Alabuga in Tatarstan östlich von Moskau verpflichtet. Dabei sollen die Studenten mitunter gedemütigt und ausgebeutet werden. Das berichtet das russische Nachrichtenportal „Idel.Realii“ und beruft sich auf Audioaufnahmen zwischen Gesprächen betroffener Studierender und Interviews mit deren Eltern in „Idel.Realii“.
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Eine „nicht begründbare Verzerrung“ nennt Kevin Kühnert (SPD) die geltende Ausnahmeregelung beim gesetzlichen Mindestlohn für Minderjährige. Bisher können – „ganovale“ – Unternehmen Jugendliche unter 18 Jahren für weniger als 12 € die Stunde ausbeuten. Kühnert fordert – was Wunder, und das möchten wir hiermit auch tun – die Abschaffung dieser Ausnahme.
Mehr Gerechtigkeit und Respekt für Ferienjobbende: In den Ohren derer, die nicht Teil dieser Gruppe sind, klingt die Forderung vielleicht banal. Doch Ferienjobbende, das sind junge Menschen, die sich sonst wenig leisten können.