Wenn das Verbieten verboten wäre,
wäre nicht – wie ihr wohl glaubt –
alles erlaubt.
Denn dem Verbot wiederführe die Ehre,
dass das Verbieten verboten wäre.
Und es freut sich mit Recht das Verbot:
Mich kriegt Ihr nicht tot.
Edwin Rütgers
Wenn das Verbieten verboten wäre,
wäre nicht – wie ihr wohl glaubt –
alles erlaubt.
Denn dem Verbot wiederführe die Ehre,
dass das Verbieten verboten wäre.
Und es freut sich mit Recht das Verbot:
Mich kriegt Ihr nicht tot.
Edwin Rütgers
Oh, warum fuhr ich?
Wir sind durch den Hades gefahren,
Da blühte kein Lorbeer
War es der Schatten des Orts,
War es der Wind, der den Baum zerfetzte?
Wir sind der deutschen Gäste letzte.
Nach uns wir der Orion wieder erstrahlen,
Aber die Kinder verwesen vor der Geburt.
Niemand wird den Orion erfahren.
Tod, grün in der Wolke!
Fliehen wir tief ins Elysium!
Fang mich, ich werf mich dir zu.
Wer wird die Kuh melken, wenn ich tot bin –
Wer wird das Feld bestellen –
Wer wird die Schriftzeichen lesen –
Vierzig Tage, wer kennt den Kalender der Seele,
Vierzig Jahre fahren wir durch den Hades
Auf der Arche. Du bist nicht mehr darunter.
Michael Witt
Hügel nicht noch Dörfer schließen
hier die Horizonte ein.
Dürrgebrannte Gräser schließen
aus verwestem Felsgestein.
Blüten, bleich wie Sterbelinnen,
sind ins Leere hingeduckt.
Rötlich schwingt sich mitten drinnen
der geborstne Aquadukt.
Ohne Stunden wehn die Ranken,
ohne Stunden weht die Zeit,
rieselt aus den Wolkenflanken
stumm zur Unbenennbarkeit.
Aber da in den betäubten
Ohren noch die Stille lag,
rauschte jählings uns zu Häupten
ungeheurer Flügelschlag.
Michael Witt
Sie erkennen sich, wie – ich weiß es nicht, wie sich Hunde erkennen, außm
gleichen Zwinger, geschlagene, gequälte, frei dann, freigebissen, frei, sie
erkennen sich an den Augen, wie Steine nach Regen, an den langsamen
Augen, die nicht gleich hochschaun, erst warten, verharren, den kleinen
Moment zögern, den kleinen Moment, der über alles entscheidet, übers Glück
und übers Leid, das langsame Heben des Kopfes, ein Anheben des Kopfes,
des Nackens, der langsame Blick nach links, hin zum Glück oder zum Leid,
der Versuch, zu erkennen, ein schnelles Abtasten, ein schnelles Suchen, was
echt sei, was falsch ist, der andre weiß, es sind Steine nach Regen, die er
sucht, schon immer sucht, schon lange, das langsame Heben des Kopfes,
den Blick nach links, das gleiche Zeichen, eingebrannt.
Anna war knapp acht,
da gab Mutter sie das erste Mal in der Kirche ab.
Sie war ein Kind der Liebe.
Sie bekam nie Hiebe.
Pastor Heuer erzählt ihr die Sintflutgeschichte:
„Anna, das ist eine große Hoffnungsgeschichte,
denn in der großen Wassernot,
erspart Gott Noah den Ertränkungstod.“
Auf dem Nachhauseweg machte Anna an einem Baume halt.
Von zuhaus her kannte sie nichts von solcher Gewalt.
Die nächste Woche der Pastor erzählt,
was unsre Anna noch mehr quält,
wie Lot aus Sodom rannte,
sich umsah und sah, wie seine Familie verbrannte
Auf dem Nachhauseweg machte Anna an einem Baume halt,
von zuhaus her kannte sie nichts von solcher Gewalt.
Sie dachte an das Flammenmeer.
Sie sagte den ganzen Tag nichts mehr.
Die nächste Woche die Mutter wartet,
sie hatte Anna um vier erwartet.
„Trink sein Blut“, hat er gesagt, der Pastor Heuer,
„dann kommst du in den Himmel und nicht ins Feuer.“
Und dann hat der Pastor noch angefangen,
der am Kreuz sei für Annas Sünden ans Kreuz gegangen.
Auf dem Nachhauseweg machte Anna an einem Baume halt.
Als man sie fand, da war sie schon kalt.
In meinem Herzblut
schwimmt
eine Urne aus Glas,
treibend
wie ein Segel ohne Wind.
Die frühe Kindheit
uns´rer Liebe,
ist sie uns,
an Verstrickung,
schon gestorben?
Durch mein Herzblut
flutet
ein stichelnder Amor,
rot ziehtdas Segel seine Bahn.
Wogen und Wind
und Verwandlung.
Kann überleben,
im Entwirrten,
der gesenkte Puls?
Fritz Feder
Ich habe drei Leben
Doppelleben
Zwei halbe Leben
Leben im Leben
Lebendig leben
Neues Leben
Leben schenken
Leben und leben lassen
Das Liebesleben der Skorpione
Leben lieben
Verantwortlich lieben
Die Liebe ist die Angst
Liebe, Leben, Tod
Skeptizismus der Liebe
Ich bekenne, ich habe gelebt
Es gibt ein Leben vor dem Tod
Liebesunruhe
Friedliebend
Liebeszittern
Leben
Fritz Feder
Wir schreiben das Jahr 2084. Unser Patient, ein noch ungebeugter Herr so um die 100, sitzt in der Wartestation der Robomedikonkologie, einer neuartigen Ambulanz, deren Ärzte auf nanotech-nologische Robotik bei der Krebsbekämpfung spezialisiert sind. Eine Weile muss er warten, dann schaut der Praxisrobo herein und bittet ihn lächelnd, aber bestimmt zum Termin in den Medical Treatment Room. Der Medikonke, ein ganz normal aussehender,
Die Glotzen einfach aus lassen und trällern.
Die Computer zuhängen, mal richtig dösen.
Die Handtelefone sperren und quasseln.
Die Kommunikationen beenden und atmen.
Wieder sprechen.
Wieder schreiben.
Wieder flanieren.
Mal wieder lächeln.
Den Machern und Treibern eine Nase drehen.
Den Flexibilisierern ihre Verbogenheit zeigen.
Die Wissensgesellschaft an den Nagel hängen
und ungetrieben Einsicht finden.
In einem Buch.
Mit einem Freund.
Im eigenen Bild.
Im ureigenen Kopf.
Den Tanz ums Goldene Kalb lähmen,
den Tanz ums Goldene Kalb beenden.
Dann endlich unseren Streik der Stille beginnen,
solang´ bis man die Schritte, das nervöse Tapsen
der letzten organisierten Verführer hört
bei ihrer wütenden Flucht aus dem Land.
Mit all ihrem Gerät und Rat.
Mit ihren Bits und Bytes,
ihren Steckern und Kabeln. Ihren Klingeltönen
Ihrer rasenden Kompetenz.
Mit all dem Tand
von Menschenhand.
Fritz Feder
Vater werden ist nicht schwer,
Vater bleiben jedoch sehr.
Mutter werden ist nicht leicht,
Mutter bleiben wird erreicht.
Kind werden das geht kaum.
Kind zu bleiben ist ein Traum…
der sich noch stets erfüllt,
was wohl auch für Eltern gilt.
Geist haben geht, so man nur will,
Geist werden, das scheint schrill.
Doch, alles ist Ma-te-rie, das
gereicht auch Mensch zur Ehre.
Nur, wo wär´ dann letzter Sinn?
Alles scheint absurd, verflixt !
Fahr ich in die Grube rin,
werde ich zu Staub gemixt.
Ach, die Seele kann entfleuchen,
langer Atem, ewiglich.
Selbst am Grab noch wird sie keuchen,
bis sie ruht im fahlen Licht.
Väter werden …
Mütter bleiben …
Kinder sind.
Fritz Feder