fritz_feder-150x150Erdlinge sind ich, du, er, sie, es
und wir und ihr und sie.
Überlingen ist Erdling-voll
und Kleinerdlingen, na toll.
Erdling ist Herr Ling und auch Lang Lang.
Sogar die Erdäpfelsammler sind … na dann!

Wir eigentlich sind Setzlinge,
dann jedoch bald Erdlinge, juhu.
Zwillinge, na klar und Drillinge, auch Du.
Winzlinge, Lemminge und Mister Ping.
Doch ist ein Erdling der kleine Engerling
und noch der Pfifferling dazu?

Bloß Marslinge, so es sie  gibt,
sind Erdlinge nicht, nein! nie!
Planetlinge und anders gestrickt sind sie.
Ach, wir sind doch alle hier auf Erden
Planet- und Erdlinge zugleich,
Und klar,
die Flüchtlinge ganz gleich.
Die Flüchtlinge ganz gleich!

Fritz Feder (2016)

Sep. 2016 | Kurz-Text-Arena | Kommentieren

Es gibt Gefängnisse – hierzulande,
aus denen kommt man erst raus,
wenn die Zeit abgelaufen ist
oder man sich bewährt hat.

Manche Gefängnisse hierzulande
aber sind gar keine
und dennoch hilft keine Zeit,
hilft keine Bewährung.

Hilft nur der Sprung
über die unsichtbare Mauer,
ins Alles,
ins Nichts.


Fritz Feder

Sep. 2016 | Kurz-Text-Arena | Kommentieren

Senegalesischer Schnee
und diese unerbittlichen Kälten,
gefallen auf das Land im Sommer
vor dem Zusammenbruch der Welt.

Schwarzhäutige, hier zu Hause, dunkle Wut,
laben sich fröhlich die Zungen kalt,
erstmals und sans l ´eau d´ Evian
wer hätte das bloß gedacht.
Und Bedränger, Betrüger, Beseelte
treibt es sorgenvoll aus der Stadt.
Airport Dakar, billet pour l´ Europe,
sind denn noch Plätze frei?
Nur wenige bleiben da – ruhig.
Ob wohl noch kältere Kälten kommen?

Weitab im fernen Ursprungsland, beim Zeus
sitzen die Schicksals- und Wettergötter beisammen.
Während charmante Heldinnen,
schwül, nackt, unbeschreiblich weiblich
ihren göttlichen Tanz der Tänze servieren,
ist denen guter Rat wirklich teuer:
in welchen Wüsten braucht es fortan noch Schnee,
wohin sollen wir feuern unsere eisigen Blitze,
etwa ins eigene Land ?

Als Flugzeuge, scheinbar verfrüht
zum milden Himmel steigen, Papierdrachen gleich,
nach Paris, Zürich und Heidelberg,
sitzt dort, im Herbstlaub, ein lächelnder Knabe.
Hebt seinen Blick von Ritsos nach oben,
sucht nach Zeichen im durchbrochenen Gewölk.
Dann wieder, to gelasto paidi,
geduldig seinen Traum schlürfend,
immer weitere Legenden spinnend,
sehr zaghaft am Kleid der Zukunft webend,
ohnmächtig. Wartend und doch tatenreich.
Mit be-freiendem Blick
zeigt sein Finger auf die Frau.
Aus der Ferne donnert es sanft.

Jannis Ritsos ist ein griechischer Dichter,
“To gelasto paidi” (The laughing boy) ist ein Lied von  M. Theodorakis,
Text des Liedes von Brendan Behan.

Fritz Feder (1983)

Sep. 2016 | Kurz-Text-Arena | Kommentieren

Geschlecht war nicht schlecht,
wir konnten ja nichts dafür.
Aus der bergenden Kugel
getrennt, so unsanft geteilt.
Strafe, bei Gott, aber wofür?
Lebten metallische Zwiste,
ganz menschliche Pein.
Schwarz gestirnter Himmel,
Leben schien klamm und klein.

Ich sah jene Gestalt im Licht,
sie winkte mir freudig zu.
Schreiend und still dieses
belebte Geworfensein.
Im Meer der verfaßten Zeit
tauchten wir wirbelnd, allein.
Beäugt ob uns´rer tiefen
Verschlungenheit, atemlos,
beschenkten wir uns fort

in die wachsende Ewigkeit.

Fritz Feder

Sep. 2016 | Kurz-Text-Arena | Kommentieren

Deine Lieder retten mich
vor dem Schweigen,
es bergen mich die Gedanken an Dich
aus dem Vergessen.

An diesem klaren Sommermorgen,
als Deine Augen sich nicht öffneten
den meinen,
ist die Seele in meinem Körper gewiss,
sie möchte nur noch tanzen mit Dir.

Nimm mich heute Nacht
in Deine Arme,
meine Hüften, umfasse sie fest
im Takt eines Bolero,
einer Ballade.

Laß uns das Segelschiff
in uns´ren Blicken sein.

Gedicht in Spanisch einer Lateinamerikanerin, die anonym bleiben möchte.
Übertragung: Fritz Feder

Sep. 2016 | Kurz-Text-Arena | Kommentieren

Es erheben sich die Psalmen Nerudas
wie späte Schatten aus anderer Zeit,
gleich rotem Wein, genossen ohn´ jede Eil´,
sie erstanden auf, durch seine Stimme,
aus meiner Asche.

Vom Urgrund meines Todes scheinen auf,
im betörenden Duft frischer Beeren,
Isla Negra, Maske der Proa, Matilde, Mädchen aus Holz,
Geschmort auf Kohle und kleiner Flamme.

Zwischen Aromen von Salbei
flüstert er jenen Bolero, Angel Parra:
angehalt´ne Uhr, vollkommene Nacht,
in seinen Armen gebe ich mich hin
und in der Stille des Schweigens …

Du siehst mich an, ich spüre nur Dich
und es verschmelzen uns´re Herzen
in einem Kuss.

Gedicht in Spanisch einer Lateinamerikanerin, die anonym bleiben möchte.
Übertragung: Fritz Feder
Angel Parra: Chilenischer Liedermacher (Cantautor)

Sep. 2016 | Kurz-Text-Arena | Kommentieren

Er sah zu ihr auf,
sie auch zu ihm.
Doch, quel spectacle,
Augenhöhe war da.

Über ihnen: eine Idee,
ein Gott  Amor,
eine Göttin gar,
ein Kind des Friedens.

In Dreigestalt schien
das Gelingen gewährt.
Trigonometrisch,
einfach und klar.

Fritz Feder

Sep. 2016 | Kurz-Text-Arena | Kommentieren

Die Mumie, die er einst liebte,
tanzte Salsa und lachte,
turnte locker das Leben und machte
sich nichts aus ihrem Geschick.

Noch.

Noch ward sie nicht sichtlich starr;
dass sie so sehr am Leben,
war ihr und  sein und eben
ihrer aller irdisches Glück.

Doch.

Doch zeigte sich schon an
in manch rasantem Ohnmachtswahn,
dass man den frühen Plagen, wie verhext,
kaum je entrinnen kann.

Aus.

Aus ist der Traum, zerplatzt dieses Wir,
gedopt mit fatalem Lebenselixier,
schiebt sie zurück den schweren Karren,
auf dem einst sie gefahren kam.

Noch

enger ist ihr Korsett nun geworden,
der stumm-kalte Blick, ach dieses Morden.
Von den Wimpern rinnt es wie Schwären,
wohlfeile Tusche in schwarzen Zähren.

Ach,

nun schon ganz und gar  totenstarr
steigt sie zu Lebezeiten, ja noch vor ihm,
ins ewig-düstere Grab hinab, bizarr,
ein seltsam stringentes Verzieh´n.

Nur

wird sie kaum selbst so empfinden.
Wer gut maskiert in den Spiegel stiert,
kann sich nicht wirklich finden,
lebt in den Tag, in die irre Nacht hinab.

Doch ! …doch

ist ihm selbst sein Gefühl nicht geheuer,
denn die Mumie, die er einst liebte,
sie war ihm  so wert und sehr teuer.
Vom Leben gezeichnet ist es

noch immer

das Leben mit ihr, das ihn plagt,
das Leben an ihr, das er mag.

Fritz Feder

Sep. 2016 | Kurz-Text-Arena | Kommentieren

Zenzontle in Zeist,
sie tut keinen Mucks,
schluckt und verschluckt
mir das Gluck.
Es zuckt in mir wie verruckt,
bleibe wie weggeduckt,
zage, zaudere, zitt´re,
auf der Zunge Geschmack
wie Wermut, der bitt´re.

Zenzontle in Zeist,
der Strand aus zuckrigem Sand,
Sandbänke veröden von Salz,
Ich krieg die Kröten nicht aus dem Hals.
Graugelbe Wolken ziehn auf und
Möwen zielen hungrig ins Nasse hinab.
Niemand mehr da, kein Zeichen im Meeresgrab.
Die Wellen sprudeln vom Grab her hinaus,
meine Liebste so fern, ich rück´ sie nicht raus.

Zenzontle in Zeist,
Meeresküsse wie Zucker und Zimt.
Unsere Hüften tanzten im Wellenwind
den kleinen Tod, sie kommet ja wieder,
brauchet nur etwas viel Ruh.
Im Doppelleben schindet sich irre
und spielt sie nun “blinde Kuh”.
Mich durchzuckt es noch immer, oh je,
vom Zahn der Weisheit bis in den kleinen Zeh.

Zenzontle = tropisches Vöglein der Liebe
Zeist = irgendwie fiktiver Ort der Begegnung

Fritz Feder

Sep. 2016 | Kurz-Text-Arena | Kommentieren

Dunkel war´s, der Mond schien helle,
als ein Wagen blitzeschnelle
langsam durch die Hecken fuhr,
an der Ecke, traubenschwer, meine Liebste,
wie erscheinend aus dem Blattwerk trat,
Fügung war´s und doch: es war auch Tat.

Hügel, fallend, unter uns´ren Füßen
liegt die Landschaft vor uns da. Stille,
als ob man die Sterne klimpern hörte.
Feuchtes Gras und Blicke über weites Land
hinein in uns´re Augen, fast nimmt es uns
den irgend noch vorhandenen Verstand.

Eilig forschend Küsse hingegeben,
Irrsinn in der Süße milder Luft.
Ländlichkeit und ahnend wir des Weines Duft
fallen aus der rauhen Welt, wie neu erwählt.
So kann Nacht sich zart erweisen in den Reben.
Nirgendwo kein Hund uns räudig bellt.

Dann, der Rückzug, Schlüssel in den Händen,
geht die eine links, der andere retour,
dageblieben uns´re Spuren, Lichtgescheine nur.
Die Stille bleibt als Zeichen uns´res Banns,
Ranken, Blätter, Gräser wissend winken.
Taubenetzt die Schritte, zögernd. So kann,
was wir wurden, niemals wirklich schwinden.

Fritz Feder

Sep. 2016 | Kurz-Text-Arena | Kommentieren

« Vorherige SeiteNächste Seite »