Es ist nicht zu erwarten, dass der Tod des iranischen Präsidenten das Land in eine neue Krise stürzen wird. Ebrahim Raisi, der wie Ajatollah Ali Chamenei aus der ostiranischen Stadt Maschad kam und (auch deshalb) dem geistlichen Führer sehr nahestand, dürfte mit allen Ehren der Islamischen Republik offiziell betrauert und zu Grabe getragen werden.

Zudem dürfte er durch die dann auszurufenden Präsidentschaftswahlen binnen 50 Tagen einen dem System angemessenen – will heißen: erzkonservativen, streng islamistischen und rigiden – Nachfolger erhalten.

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tagesschau24, 20.05.2024 09:00 Uhr
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Brutal und rücksichtslos

Der Großteil der iranischen Bevölkerung, der seiner Wahl zum Präsidenten vor drei Jahren ohnehin ferngeblieben war, wird dem 63-Jährigen wohl keine Träne nachweinen. Dafür klebte an seinen Händen zu viel Blut.

Denn Raisi, der zuerst Generalstaatsanwalt Teherans, später Vize-Justizchef und schließlich Generalstaatsanwalt des Iran war, galt als rücksichtslos, wenn es um die Sache der Islamische Republik ging, und war für den Tod ungezählter Regimegegner verantwortlich.

Ebrahim Raisi

Player: audioIran intensiviert Kleiderkontrollen: Kopftuchzwang als Symbol der Macht

Innenpolitische Situation wackelig

Dafür, dass die Nachfolge Raisis als Präsident reibungslos ablaufen wird, dürfte sich wahrscheinlich Ajatollah Chamenei persönlich einsetzen. Der geistliche Führer weiß nur zu gut, dass die innenpolitische Situation seines Landes alles andere als stabil ist, und die Mehrheit der iranischen Bevölkerung – wenn sie es denn könnte – die Islamische Republik abschaffen würde.

Das zeigten nicht zuletzt die lang anhaltenden landesweiten Proteste infolge des Todes der Kurdin Jina Mahsa Amini seit September 2022, die das Regime mit allen Mitteln niederzuknüppeln versuchte.

Die Nachfolge des geistlichen Führers im Blick

Entscheidender als die Frage, wer neuer iranischer Präsident wird, ist jetzt die Nachfolge des geistlichen Führers. Der 85-jährige Ajatollah Chamenei gilt nämlich als gesundheitlich angeschlagen, und Ebrahim Raisi wurde als einer von zwei möglichen Nachfolgern gehandelt.

Der andere ist Chameneis Sohn Mojtaba. Er zählt wie Raisi zu den Hardlinern und ist Schüler des ultra-konservativen Ajatollah Mohammad Mesbah-Yazdi. Zudem soll er über eine gewisse Brutalität verfügen. Während Raisis Machtbasis die Justiz sowie die mächtige Imam-Reza-Stiftung war, stützt sich der 55-jährige Mojtaba Chamenei auf die Geheimdienste und den Propagandaapparat.

Ali Khamenei

Tritt Mojtaba Chamenei stärker in die Öffentlichkeit?

Auch wenn Mojtaba Chamenei ein starkes Machtstreben nachgesagt wird, hat er bislang eher im Hintergrund agiert. Dafür dürfte möglicherweise auch sein Vater gesorgt haben. Denn auch wenn Ali Chamenei es vielleicht gerne sähe, wenn die Führung der Islamischen Republik in der eigenen Familie bliebe, gilt der Versuch einer Erbnachfolge von Vater zu Sohn als riskant.

Allerdings könnte es sein, dass der Name Mojtaba jetzt öfter fallen und der Sohn des geistlichen Führers sich häufiger in der Öffentlichkeit zeigen wird.

Zudem dürften die Revolutionswächter, die bei der Niederschlagung sämtlicher Proteste der vergangenen Jahre eine Schlüsselrolle innehatten, ein wichtiges Wort mitreden, wenn es um die Zukunft der Islamischen Republik geht. Die innenpolitische Situation im Iran wird also so schnell nicht zur Ruhe kommen.

Player: audioNach Tod Raisis: Leichen sind geborgen – Spekulation über Absturzursach

Uwe Lueb, ARD Istanbul, tagesschau, 20.05.2024 11:01 Uhr

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete tagesschau24 am 20. Mai 2024 um 09:00 Uhr.

  • 17.04.2024 • 08:56 Uhr

    Der ewig Mächtige des Iran Konflikte an mehreren Fronten für Khamenei

  • Ayatollah Khamenei bei einem Treffen mit iranischen Frauen in Teheran.

    04.01.2023 • 16:48 Uhr

    Khamenei zu Kopftuchzwang Lockere Kopftücher nicht „gegen Religion“

  • Menschen protestieren auf der Straße in Teheran. (Aufnahme: 02.10.2022)

     

  • 27.10.2022 • 20:17 Uhr

    Nach Tod von Amini Erneut Proteste und Gewalt im Iran

  • Narges Mohammadi (Archivbild: undatiert)

    19.05.2024 • 11:13 Uhr

    Anklage im Iran Neuer Prozess gegen Nobelpreisträgerin Mohammadi

Mehr von Ulrich Pick

  • Ali Khamenei

     

  • analyse 15.04.2024 • 06:38 Uhr

    Lage im Iran Das Dilemma des Ayatollah Khamenei

  • Ali Khamenei

    analyse 11.02.2024 • 14:13 Uhr

    45 Jahre Islamische Revolution Irans Mullahs sehen schwierigen Zeiten entgegen

  • Der Oberste Führer des Iran, Ayatollah Ali Chamenei, bei einer Rede (Archiv).

     

Mai 2024 | In Arbeit | Kommentieren

 

 

In der Bibel gibt es nur eine Geschichte über den jungen Jesus. Wohl aus gutem Grund: Im Kindheitsevangelium nach Thomas erscheint der Sohn Gottes wenig christlich, sondern vor allem jähzornig. Über die verbotenen Geschichten einer Religion.

Zeichnung des jungen Jesus, der von anderen Kindern bei Erwachsenen angeklagt wird.

Kinder klagen Jesus bei Erwachsenen an. Im Kindheitsevangelium nach Thomas versetzt der junge Jesus Menschen in Angst und Schrecken.

Foto von Gemeinfrei / Klosterneuburger Evangelienwerk, fol. 27r.

Matthäus, Markus, Lukas und Johannes – die vier Evangelien sind die zentralen Texte des Neuen Testaments. Sie waren allerdings längst nicht die einzigen Anwärter für die heilige Schrift der Christen: Bis ins 3. Jahrhundert n. Chr. gab es diverse Handschriften, die jeweils unterschiedliche Aspekte von Jesus’ Leben beleuchteten. Diese entstanden aus den verschiedenen christlichen Strömungen, die es zu dieser Zeit gab.

Aus dem Kanon der Bibel wurden die meisten dieser Texte jedoch gestrichen – unter anderem, weil sie nicht mit dem Alten Testament übereinstimmten oder die Nähe zu den Aposteln nicht gegeben war. Auffällig ist aber auch: Manche der nicht aufgenommenen Schriften enthalten kritische Aspekte über die Figur Jesus Christus. So auch ein Evangelium über Jesus’ Kindheit. Die Texte zeichnen ein kontroverses Bild vom Sohn Gottes und wurden – trotz ihrer Beliebtheit – mit abgeschlossener Kanonisierung der Bibel verboten.

Das Kindheitsevangelium nach Thomas

Im Neuen Testament gibt es Geschichten über die Geburt Jesu – und viele, die ihn als 30- bis 40-jährigen Mann porträtieren. Und dazwischen: lediglich eine Episode in einem Tempel in Jerusalem, wo der 12-jährige Jesus die Schriftgelehrten mit seinem Verständnis beeindruckt. Darüber hinaus erfährt man so gut wie gar nichts über die Kindheit und Jugend der religiösen Figur.

Im Kindheitsevangelium nach Thomas sieht das anders aus. Die apokryphe Schrift – gemeint sind damit jüdische oder christliche Geschichten ungeklärter Herkunft, die es nicht in den biblischen Kanon geschafft haben – stammt von einem unbekannten Autor und ist vermutlich Ende des 2. Jahrhunderts n. Chr. entstanden. Sie enthält verschiedene Passagen über die Figur Jesus im Alter von fünf bis zwölf Jahren. Einige erzählen von frühen Wundern des Sohn Gottes, andere zeigen ihn überraschend jähzornig.

Jesus’ Kindheit: Geschichten über einen jähzornigen Jungen

Eine der ersten Geschichten handelt vom fünfjährigen Jesus, der während des Sabbat am Bach spielt und Tümpel anlegt. Im Folgenden vollbringt er zwei Wunder: Jesus reinigt das Wasser und erweckt zwölf aus Lehm geformte Spatzen zum Leben. Soweit passt die Beschreibung der Figur zu den biblischen Texten. Dann passiert das Unerwartete: Der Sohn eines Hohepriesters beobachtet Jesus bei seinen Taten, beschuldigt ihn, den Sabbat zu brechen und zerstört dessen Tümpel. Im Evangelium heißt es, dass Jesus daraufhin wütend wird, den Jungen verflucht und dieser „verdorrt“ – also vermutlich stirbt.

Joseph und Maria bitten Jesus, einen von ihm getöteten Mann wieder zum Leben zu erwecken.

Joseph und Maria bitten Jesus, einen von ihm getöteten Mann wieder zum Leben zu erwecken.

Foto von Gemeinfrei / Klosterneuburger Evangelienwerk, fol. 27v.

Nicht weniger dramatisch erscheint eine weitere Situation, in der Jesus einen Jungen, der ihn im Gehen anrempelt, mit dem Ausruf „Du sollst deinen Weg nicht fortsetzen!“ sterben lässt. Der junge Jesus scheint in der damaligen Gemeinschaft so berüchtigt zu sein, dass sogar der Unfall eines kleinen Jungen zunächst ihm zugeschrieben wird. Das lässt Jesus jedoch nicht auf sich sitzen und erweckt den Jungen kurzerhand wieder zum Leben – jedoch nur, damit dieser seinen Eltern bestätigen kann, dass sein Fall vom Dach ein Unfall war und Jesus nichts damit zu tun hat. Danach lässt Jesus ihn wieder „einschlafen“.

Auch den Gelehrten widerspricht Jesus im Kindheitsevangelium nach Thomas und fordert sie heraus, ihre Intelligenz mit seiner zu messen. Als der Lehrer Zachäus die Geduld verliert und Jesus gegen den Kopf schlägt, lässt dieser ihn zu Boden stürzen und ohnmächtig werden.

In den Geschichten des Kindheitsevangeliums versetzt der junge Jesus viele Menschen in Angst und Schrecken. So sehr, dass sogar seine Eltern das Gespräch mit ihm suchen. Einmal lässt Jesus danach alle erblinden, die gegen ihn geredet haben. Ein andermal weist Joseph Maria an, Jesus Hausarrest zu erteilen: „Dass du ihn ja nicht mehr vor die Tür lässt! Sonst müssen die, die ihn zornig machen, sterben.“

Rezeption des Evangeliums in der Wissenschaft

Neben den wenig christlich anmutenden Episoden enthält das Kindheitsevangelium nach Thomas aber auch verschiedene Wunder, die Jesus bereits in seinen jungen Jahren vollbringt. Darunter die Heilung eines Schlangenbisses und eines verletzten Fußes. Laut einem Artikel von Reidar Aasgaard, Professor für Ideengeschichte, im Bibellexikon der Deutschen Bibelgesellschaft sind die Geschichten trotz der Flüche Jesu ethisch wertvoll. „Im gesamten Text werden traditionelle Werte wie die Liebe Gleichaltrigen gegenüber, Respekt gegenüber der älteren Generation, Gehorsam, Hilfsbereitschaft und Großzügigkeit gegenüber den Marginalisierten vorausgesetzt und beworben“, schreibt Aasgaard.

Der Forscher sieht ebenfalls Verbindungen zu kanonischen Texten der Bibel – besonders zu den Evangelien von Lukas und Johannes. Denn auch dort spreche Jesus Flüche aus. „Der Jesus des Kindheitsevangelium nach Thomas ist somit nicht weniger göttlich als der des Neuen Testaments“, so Aasgaard, der die Menschlichkeit der bei Thomas porträtierten religiösen Figur in den Fokus stellt. Jesus sei in den Texten eben nicht nur eine göttliche Figur, sondern auch ein menschliches Kind, das mit seinen besonderen Fähigkeiten noch nicht umzugehen wisse.

Mai 2024 | In Arbeit | Kommentieren

Dubai lockt nicht nur Prominente und Vermögende an. Recherchen von ZDF frontal zeigen, wie Serienbetrüger, mutmaßliche Mörder und Steuerflüchtige im Luxus-Emirat investieren.

Immobilienbesitz ist kein Verbrechen – auch nicht in Dubai. Und so ist es kein Wunder, dass im neuen Leak „Dubai unlocked“ millionenschwere Wohnungskäufe Prominenter aus Sport und Unterhaltung zu finden sind. Stars wie Tennis-Legende Roger Federer oder Rammstein-Sänger Till Lindemann haben im Luxus-Emirat investiert.
Doch ein tieferer Blick zeigt, dass Dubai offenbar eine besondere Anziehungskraft auf zwielichtige Gestalten hat. Kriminelle aus aller Welt investieren in der Glitzermetropole am Persischen Golf millionenschwere Summen zweifelhaften Ursprungs in Immobilien und versuchen so, Strafverfolgung oder Sanktionen aus dem Weg zu gehen.

Das Leak wurde dem amerikanischen Thinktank Center for Advanced Defense Studies (C4ADS) zugespielt. ZDF frontal wertete die Daten gemeinsam mit Journalisten von 73 Medien aus. Die geleakten Daten geben Einblicke in die Eigentumsverhältnisse von Immobilien im Emirat.

Informationen von öffentlichem Interesse werden unter dem Namen „Dubai unlocked“ veröffentlicht. Die Recherche wurde vom Organized Crime and Corruption Reporting Project (OCCRP) und der norwegischen Finanzzeitung E24 koordiniert.


Dos Santos: Reichste Frau Afrikas von Interpol gesucht

Da ist beispielsweise Isabel dos Santos, einst die reichste Frau Afrikas, deren Vermögen vor allem darauf gründet, dass ihr Vater fast 40 Jahre Präsident Angolas war. Interpol sucht sie wegen Korruptionsvorwürfen mit einer „Red Notice“. Auf Instagram posted sie regelmäßig Partyfotos aus Dubai, dort besitzt sie auch eine 132-Quadratmeter große Wohnung in einem 46-stöckigen Wolkenkratzer, direkt an der luxuriösen Du

Verhaftet wurde sie bisher nicht. Auf Anfrage schreibt sie, sie habe ihre Wohnung vor zehn Jahren für ihren persönlichen Gebrauch erworben. Das Geld für den Kauf – etwa 400.000 Dollar – stamme aus ihren „erfolgreichen Firmen“, von denen sie Gehälter und Dividenden erhalten habe und die bis heute Tausende Angestellte hätten.

Sanktionierte Milizen und die „Kryptoqueen“

Andere zwischenzeitliche Wohnungsbesitzer in Dubai unterliegen internationalen Sanktionen, wie die Neffen des früheren tunesischen Diktators Ben Ali, mehrere Männer mit Verbindungen zur Hisbollah-Miliz oder Ahmad al Asiri, jener saudi-arabische Geheimdienstler, den die USA für den brutalen Mord an dem Journalisten Kamal Khashoggi verantwortlich machen. Alle ließen Fragen dazu unbeantwortet oder waren nicht zu erreichen.
Auch Ruja Ignatova leistete sich ein 500-Quadratmeter-Appartment in Dubai. Ignatova wurde als „Kryptoqueen“ berühmt, die weltweit eine Milliardensumme für eine vermeintliche Kryptowährung namens OneCoin einsammelte. OneCoin stellte sich als Schneeballsystem heraus und brachte etwa 3,5 Millionen Opfer um ihr Erspartes.
Die künstlich angelegte Insel Palm Jumeirah in Dubai. Hier besaß Ruja Ignatova eine Luxuswohnung.

Ignatova steht auf der Liste der zehn meistgesuchten Personen des FBI und ist seit Jahren spurlos verschwunden. Eine ganze Reihe ihrer engsten Komplizen tauchen in den „Dubai unlocked“-Daten auf. Die Vermutung liegt nahe, dass die Dubaier Immobilien der OneCoin-Clique mit Geldern aus ihrer Betrugsmasche bezahlt wurden.

Dramatischer Anstieg der Immobilienkäufe

ZDF frontal hat im Rahmen der Recherche über zwei Millionen Immobilienkäufe in Dubai aus den Jahren 2000 bis 2022 ausgewertet. Sie zeigen einen dramatischen Anstieg der Immobilienkäufe seit dem Corona-Jahr 2020. Im Jahr 2022 erreichte das jährliche Investitionsvolumen einen historischen Höchststand von umgerechnet über 200 Milliarden Euro.

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Das Hotel Burj al Arab
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Dubai – Die Glitzermetropole

Geld spielt keine Rolle: Die Polizei in Dubai fährt Bentley, Ferrari und Porsche. Hier zwei Polizistinnen, die stolz auf ihre schnellen Autos sind.

Quelle: ZDF


Was Immobilien in Dubai so interessant macht, hat Anna Chapman auf den Punkt gebracht, die 2010 als russische Spionin in den USA aufflog. Auch sie hatte dem Datenleck zufolge in eine Wohnung in Dubai investiert. Auf Instagram schrieb sie:

Hier gibt es keine Grundsteuer, zinslose Ratenzahlungen bis zu zehn Jahren, Wohnungen werden hier fast immer schlüsselfertig verkauft. Unmittelbar nach der Vorauszahlung können Sie ein Haus vermieten und erhalten ein Einkommen.

Anna Chapman

Bundeszentralamt kauft Datensatz aus Dubai

Den Wert von Daten, wie denen des neuen Immobilienleaks, hat auch die deutsche Bundesregierung erkannt. 2021 kaufte das Bundeszentralamt für Steuern einen Datensatz, der Grundbuchinformationen aus Dubai enthalten haben soll, und gab die Informationen an die Landesbehörden weiter. Sie sollten damit Einkünfte deutscher Staatsbürger identifizieren, die in Dubai erwirtschaftet und nicht versteuert wurden.

 

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Es ist unklar, was daraus wurde. Auf Nachfrage, wie viele deutsche Staatsbürger Immobilien in Dubai gemeldet oder Einkünfte aus Vermietung in Dubai versteuert haben, verwies das Bundeszentralamt auf die Landesbehörden. Die Landesfinanzämter gaben an, solche Informationen nicht zu erfassen oder nicht auswerten zu können.
Die Vereinigten Arabischen Emirate, zu denen auch das Emirat Dubai gehört, teilten lediglich mit, man nehme die eigene Rolle im Schutz des Weltfinanzsystems „sehr ernst“ und arbeite mit internationalen Partnern daran, Kriminelle zu verfolgen und alle Formen illegaler Finanzgeschäfte zu bekämpfen.

Kein Auslieferungsabkommen

Mit den geleakten Daten und offen zugänglichen Daten lässt sich aber leicht herausfinden, was den deutschen Behörden schwerfällt. Das zeigt der Fall des ehemaligen Siemens-Managers Eduard Seidel. Mit wenigen Klicks findet man Mietverträge für Wohnungen, die der Ex-Manager in Dubai vermietet. Sie bescheren ihm ein Einkommen von mehr als 110.000 Euro im Jahr.
Seidel wurde 2008 im Zuge der Siemens-Affäre wegen Bestechung ausländischer Amtsträger verurteilt. Später enthüllten Recherchen, dass Seidel 54 Millionen Franken auf Schweizer Konten versteckt hatte. Das löste erneut Ermittlungen gegen ihn aus, die bis heute laufen.

 

Deutschland gilt als Paradies für Geldwäsche. Interne Fälle aus Deutschlands Anti-Geldwäsche-Einheit zeigen, was schief läuft. Was plant Finanzminister Lindner dagegen?16.05.2023 | 12:12 min


Erst kürzlich wurde bekannt, dass ein Schweizer Bundesgericht den deutschen Ermittlern nun Einsicht in Seidels Schweizer Bankkonten gewährte – ein seltener Schritt. Eduard Seidel ließ über seinen Anwalt dagegen mitteilen, die Beantwortung der Fragen des ZDF sei nicht „erforderlich“, da es keinen aktuellen Anlass gebe.
Ob die Ermittlungen schließlich in eine Anklage oder gar einen Prozess münden, ist nicht abzusehen. Selbst dann aber müsste der frühere Siemens-Manager in Dubai wohl nichts befürchten. Deutschland hat kein Auslieferungsabkommen mit den Vereinigten Arabischen Emiraten. Dem Leak zufolge gehört Seidel eine Villa auf der berühmten Palmeninsel vor der Stadt.
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von Julia Klaus
Mai 2024 | In Arbeit | Kommentieren

 

 

Männer weisen gern den Weg, auf wegweisende Frauen zeigen sie aber nicht so gern

Mann monologisiert, Frau hört zu?

Im Laufe der Jahre ist es mir immer wieder passiert, dass männliche Kollegen über meine Arbeit hinweggingen. Das lief meistens so ab: Wir trafen uns in irgendeinem Café oder Restaurant und ich erkundigte mich im Laufe des Gesprächs höflich nach dem Stand der Arbeit meines Gegenübers. Der Kollege hob dann in der Regel zu einem ellenlangen Monolog an: über seine Forschung und über die Recherchen, die er dafür anstellen wollte. Ich stellte interessierte Nachfragen zum jeweiligen Vorhaben und bestärkte, indem ich Literaturtipps gab. Danach hatte ich immer ein merkwürdiges Gefühl, konnte aber nicht genau sagen, was falsch war.

Erst jetzt verstehe ich, dass mein Unwohlsein von der Tatsache herrührte, dass es bei diesen Treffen niemals oder nur ganz am Rande um meine Arbeit ging. Auch wenn gerade eine Publikation von mir erschienen war, die kaum an meinen jeweiligen Kollegen gänzlich vorbeigegangen sein durfte, fragten sie mich nicht danach. Ich versuchte, die Männer gedanklich zu verteidigen, dachte, dass sie meine Arbeit vielleicht insgeheim kritisierten und aus Taktgefühl nichts sagten, um mich nicht zu verunsichern.

Heute glaube ich aber, dass ihre Ignoranz System hat und nicht unbedingt mir persönlich gilt. Immerhin kommen bei diesen Männern – in meiner Beobachtung – Frauen generell nicht vor. Die Texte von als Frauen gelesenen Personen übersehen sie, als kämen sie als Referenz für sie gar nicht in Betracht, stattdessen beziehen sie sich fast ausschließlich auf die Arbeiten ihrer männlichen Kollegen. Das ist einigermaßen erstaunlich angesichts der Tatsache, dass weibliche Stimmen in unserem Feld der Kunstgeschichte keine Ausnahmeerscheinung sind.

Ich ärgere mich, dass ich so oft höflich geblieben bin. Wütend und lautstark hätte ich meinen männlichen Kollegen das Übergehen meiner Arbeit und der Werke von anderen Frauen an den Kopf werfen müssen, vielleicht hätte ich sogar aus Protest aufspringen und aus den Cafés oder Restaurants stürmen sollen. Aber als Frau neigt man dazu, noch angesichts von Unzumutbarkeiten well behaved zu bleiben. Dies bestätigt der Dokumentarfilm Feministinnen – was haben sie sich dabei gedacht von 2018, in dem es die Kämpferinnen für Frauenrechte der 1970er vor allem bereuen, ihre Wut damals nicht ausgelebt zu haben. Wahrscheinlich bin ich wie meine Vorgängerinnen eine Gefangene meiner Erziehung und weiblichen Sozialisation.

Womöglich war es aber auch strategisch klüger von mir, mich cool und souverän zu geben angesichts des herabwürdigenden Verhaltens. Denn auf diese Weise gab ich zu verstehen, dass mir ihr Desinteresse gar nichts ausmachte, da ich über andere Unterstützungsinstanzen verfüge, die mir viel mehr bedeuten. Und das trifft auch zu, denn ich brauche die Anerkennung von Männern nicht. Nur wieso entmutigt mich ihre Missachtung dennoch immer wieder?

Ich erzähle ein paar Freundinnen und Kolleginnen von meinen Gedanken. Sie berichten von ähnlichen Erfahrungen, auch ihre Texte und Bücher werden von ihren männlichen Kollegen häufig ignoriert. So als gäbe es die gar nicht. Es liegt also nicht an mir persönlich. Klar, es gibt Ausnahmen, Männer, die sich für unsere Arbeit interessieren, sie sogar unterstützen und fördern. Und es gibt natürlich auch Kolleginnen, die alles ignorieren, was andere machen. In der Mehrheit sind es jedoch Männer – und dabei leider oft jene, die sich für „progressiv“ und „feministisch“ halten –, die unsere Bücher und Texte grundsätzlich übergehen. Dahinter muss nicht unbedingt böse Absicht stecken, oft ignorieren sie – das ist unser Eindruck – die Werke von Frauen unbewusst. Was es freilich nicht besser macht.

Meine Freundinnen und ich einigen uns darauf, dass es sich um eine reflexhafte sexistische Abwehrstrategie handeln muss, mit der einige Männer auf als bedrohlich oder übermächtig empfundene intellektuelle Frauen reagieren. Mit dieser Methode des Nicht-zur-Kenntnis-Nehmens halten sie sich uns als Konkurrentinnen vom Leib. Denn wenn wir nichts Relevantes produzieren, dann können wir ihnen nicht gefährlich werden.

Abends um 10 nach 8 wird Abseitiges relevant, Etabliertes hinterfragt und Unsichtbares offenbart.

Wir sind ein vielseitiges Autorinnenkollektiv. Wir schreiben selbst und suchen nach Texten, die neue Welten erschließen oder altbekannte in neuem Licht erscheinen lassen. Wir laden Schriftstellerinnen, Journalistinnen und Wissenschaftlerinnen, aber auch Expertinnen spezieller Fachgebiete ein, mit und für uns zu schreiben; bei uns kommen Gastautorinnen zu Wort, die in ihren Ländern nicht mehr publizieren dürfen oder aus deren Ländern gerade kaum berichtet wird. Wir sind neugierig auf neue Sichtweisen, neue Erzählungen, Text für Text, bei uns, zweimal pro Woche, immer um 10 nach 8.

Hier finden Sie alle Texte, die 10 nach 8 erscheinen.

Wie lässt sich jedoch diese Mauer des Ignoriert-Werdens durchbrechen? Wir erinnern uns an Fälle, in denen sich diese Mauer als durchlässig erwies. In der bildenden Kunst regierte zum Beispiel lange Zeit das Prinzip „Ausnahmefrau“, das heißt: Pro künstlerischer Formation wurde eine markterfolgreiche Künstlerin zugelassen, wie etwa Meret Oppenheim im Surrealismus oder Helen Frankenthaler im abstrakten Expressionismus. Diese Künstlerinnen wurden integriert unter der Bedingung, dass sie eine Ausnahme bleiben, sodass sie den Männern andere Frauen, die diesen Platz ebenso verdient hätten, ersparten. Dieses Strukturgesetz dominierte bis in die Achtzigerjahre und wurde erst mit dem Aufkommen der Appropriation Art in den USA obsolet, innerhalb derer einige Künstlerinnen erfolgreich waren. Von da an konnten mehrere Frauen innerhalb einer künstlerischen Formation erfolgreich sein.

Orientierung an weiblichen Vorbildern

Nur: In welchem Ausmaß die eigene Arbeit übergangen wird, ist auch eine Frage des Alters. Meiner Beobachtung nach gelingt es vor allem jüngeren Frauen, ältere Männer mit Machtpositionen als Fürsprecher zu gewinnen. Letztere haben aber auch etwas davon, wenn sie junge Frauen fördern – sie können sich mit ihnen schmücken. Für die junge Frau ist das ein zweischneidiges Schwert. Denn sie weiß, dass sie nicht nur aufgrund ihrer Arbeitsleistung, sondern ebenso aufgrund ihres jugendlichen Aussehens unterstützt wird. Sie kann sich des Werts ihrer Arbeit also nie sicher sein. Bei älteren Frauen funktioniert dieses Fürsprechertum nicht mehr, was Vorteile hat. Man ist zum Beispiel unabhängiger. Doch zugleich gelten ältere Frauen aufgrund von Altersdiskriminierung als weniger attraktiv, und deshalb wird auch ihre intellektuelle Leistung geringer geschätzt oder unsichtbar gemacht. Als ob ein überzeugender Gedanke nur von prallen Lippen formuliert werden könnte.

Dem entgegenwirken können informelle Frauengruppierungen, die auf gegenseitige Förderung und Unterstützung basieren. Diesen losen Gruppierungen liegen oft Freundschaften und inhaltliche Übereinkünfte zugrunde. Man schätzt die Arbeit der anderen und geht gelegentlich gemeinsam essen, um Pläne zu schmieden. Manchmal kommt es auch zu Treffen in größerer Runde, in denen man sich austauscht und abspricht. Wenn meine Kolleginnen und ich beispielsweise Konferenzen organisieren, achten wir darauf, dass wir vor allem Wissenschaftlerinnen einladen, deren Arbeit uns interessiert und begeistert. Auch unsere Texte lesen wir füreinander Korrektur, wir ermutigen uns gegenseitig zu Forschungsvorhaben, informieren uns über frei werdende Stellen und betätigen uns als Mentorinnen für jüngere Kolleginnen.

Das Problem dabei ist jedoch, dass die von Frauen gebildeten Gruppierungen über keine dem Male Bonding – also der wechselseitigen Unterstützung von Männern im beruflichen Kontext – vergleichbare Tradition verfügen und deshalb weniger gut eingespielt sind. Erschwerend kommt hinzu, dass vor allem die Frauen meiner Generation (und hier nehme ich mich selbst nicht aus) so stark durch das Patriarchat geprägt worden sind, dass sie sich in jungen Jahren oft in erster Linie auf männliche Autoritäten fixierten, deren Zuspruch ihnen wichtiger war als der ihrer Kolleginnen. Der Grund dafür ist simpel: Bei den Männern lag die kulturelle Macht und an der wollten Frauen teilhaben. Das hat ja auch bis zu einem gewissen Grad funktioniert. In meinem Fall hat es jedenfalls lange gedauert, bis ich mich von meiner Fixierung auf vermeintlich „mächtige Männer“ befreit habe. Heute orientiere ich mich in erster Linie an weiblichen Vorbildern.

Zudem wird die Bildung von Frauengruppierungen auch durch überzogene Erwartungen erschwert. Entgegen der von uns Feministinnen oft propagierten Vorstellungen herrschen innerhalb solcher Zusammenhänge keine paradiesischen Zustände. Denn selbstverständlich gibt es auch unter Frauen Hierarchien, Machtbeziehungen und Ausgrenzungen, wie Jo Freeman bereits 1976 in ihrem Text über die Dark Side of Sisterhood festgestellt hat. In diesem bahnbrechenden Essay berichtet Freeman davon, wie vor allem die in irgendeiner Form herausragenden Frauen von anderen Frauen für ihr achievement bestraft und abgekapselt wurden. Was natürlich eine Folge des Patriarchats ist, in dem Frauen traditionell gegeneinander ausgespielt und voneinander isoliert werden. Zugleich werden Frauengruppen ja gegründet, um ebensolche Strukturen zu überwinden. Das kann also kein Argument sein gegen das Knüpfen tragfähiger Beziehungen unter Frauen.

Auf eine aktuelle Spielart des gegenseitigen „trashings“ (Freeman) beziehungsweise Sich-Niedermachens von Frauen hat kürzlich die Sängerin Pink auf YouTube aufmerksam gemacht. Statt sie zu ihrem neuen Album zu befragen, wollte ein Journalist von ihr wissen, was sie vom operierten Gesicht von Madonna halte. Pink weigerte sich, gegen Madonna in Stellung gebracht zu werden, und konstatierte: „We still are plotted against each other.“ Statt wie verlangt einmal mehr auf Madonnas Aussehen herumzuhacken, forderte Pink Respekt für ihre Vorreiterinnen ein, deren Kämpfe ihr und uns allen den Weg geebnet haben. Hier zeigt sich die Möglichkeit einer Solidarität unter Frauen, die den Aufruf zu Spaltung und Rivalität verweigert.

Nur: Wer hat denn überhaupt Zeit für die Bildung von Frauengruppen? Alle Kulturarbeiterinnen, die ich kenne (mich eingeschlossen), sind hoffnungslos überlastet und dauererschöpft. Niemand hat Kapazitäten für zusätzliche Verpflichtungen oder gar Gruppenarbeit, obwohl sich alle danach sehnen und sich tendenziell isoliert fühlen. Ich erinnere mich an einige feministische Initiativen, an denen ich beteiligt war. Alle sind irgendwann versandet, weil es nicht möglich war, einen gemeinsamen Termin für ein Treffen zu finden.

Unter diesen Bedingungen muss man sich vielleicht mit weniger zufriedengeben, mit kleinformatigen Zusammenschlüssen, mit kurzen Treffen und Telefonaten mit befreundeten Kolleginnen. Meiner Erfahrung nach genügt das manchmal schon, um ein Wunder zu bewirken. Indem wir uns mit Interesse begegnen, uns für die Arbeitsvorhaben der anderen interessieren, schaffen wir uns selbst, was wir so dringend brauchen: Anerkennung und einen Resonanzraum. Denn wer weiß, ob uns alle unsere männlichen Kollegen jemals als gleichwertiges Gegenüber respektieren werden. Falls es eines Tages doch gelingen sollte, dass sich gestresste Kulturarbeiterinnen in größeren Gruppenzusammenhängen engagieren, werden wir unsere eigenen Anerkennungsinstanzen weit vorantreiben. So weit, dass uns der Beifall der uns vormals ignorierenden Kollegen gar nicht mehr wichtig sein wird.

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444 Kommentare

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CS

Christian Ständer

Ich bin erst relativ kurz Abonnent. Bei der ZEIT deswegen weil ich eigentlich dachte, sie sei ausgewogener und weniger erzieherisch als andere Medien. Nach dem x-ten Artikel in diesem männerkritischen Ton frage ich mich nun aber langsam, ob die Redaktion der ZEIT nicht ein bisschen zur Misandrie neigt. Ich habe während meiner Abo Zeit gefühlt mindestens 20 – 30 männerkritische Artikel wahrgenommen, an einen frauenkritischen Artikel kann ich mich dagegen gar nicht erinnern. Und Entschuldigung, dass alle Männer alles falsch und alle Frauen alles richtig machen, daran glaube ich nicht.

Hab den Artikel nicht gelesen, weil er mir, als emanzipiertem Mann, zu sehr nach Womansplaining aussieht.

K

Kacma

anekdotische Evidenz, getrieben vom eigenen Bias

Schön, diese verallgemeinernden Vorurteile. Und ich dachte immer, Frauen hören sich am liebsten reden und wissen immer alles besser. Meine Erfahrungen im privaten Bereich. Sind diese jetzt auch allgemeingültig?

Ein unglaublicher Artikel. Davon sollte es Hunderte geben!

Leider gibt es Tausende davon..

„In diesem bahnbrechenden Essay berichtet Freeman davon, wie vor allem die in irgendeiner Form herausragenden Frauen von anderen Frauen für ihr achievement bestraft und abgekapselt wurden. Was natürlich eine Folge des Patriarchats ist, in dem Frauen traditionell gegeneinander ausgespielt und voneinander isoliert werden“

uff. Was für ein unbewiesener, sexistischer Quatsch. Hauptsache nochmal irgendwo Patriarchat untergebracht, damit Frauen ja nicht die Verantwortung für das eigene Verhalten übernehmen müssen. Wenn man in Wissenschaftsbetrieb arbeitet, muss einem doch bekannt sein, dass man nicht einfach irgendwelche Sachen behaupten kann. Oh je, oh je, ich habe eine Ahnung, warum die Autorin nicht auf ihre Publikationen angesprochen wird.

Wer sich pathologisch ignoriert fühlt ist entweder uninteressant oder sollte mal professionelle Hilfe aufsuchen.

Was ich denke? Dass manche Frauen mal mit dem Gejammer aufhören sollten. Wenn ich mich mit einem Gesprächspartner treffe, der sich offensichtlich nur für sich interessiert-egal ob m/w/ , breche ich das ab.

 

 

Mai 2024 | In Arbeit | Kommentieren

Schwere Unfälle, plötzliche Todesfälle, Naturkatastrophen, Kriege – in den letzten Jahren hat es eine starke Zunahme an Krisenereignissen gegeben, die für direkt oder indirekt betroffene Menschen einen starken Einschnitt in ihr Leben bedeuten und einen gravierenden Einfluss auf die psychische Gesundheit haben können. Potentiell traumatisierte Menschen brauchen dann eine zielgerichtete psychologische Versorgung. Hier ist schnelle Hilfe gefragt.

Und genau das bietet das neue zentrale Netzwerk Notfallpsychologie des Berufsverbandes Deutscher Psychologinnen und Psychologen (BDP). Unter www.notfallpsychologie.net können sich Betroffene ebenso wie Unternehmen, Behörden und allgemein Interessierte über das breite Spektrum an zeitnahen niedrigschwelligen sowie weiterführenden Hilfeleistungen der Notfallpsychologie informieren und bei Bedarf schnell und unkompliziert die benötigte Unterstützung von geschulten und erfahrenen Notfallpsychologen in Anspruch nehmen.

Die Begleitung von psychisch belasteten Menschen nach Krisenereignissen folgt in Deutschland der Versorgungskette der Psychosozialen Notfallversorgung (PSNV). In der Regel sind innerhalb kürzester Zeit die Kriseninterventions- und Notfallseelsorgeteams im Einsatz, die potenziell Traumatisierte in den ersten Stunden nach dem Ereignis im Rahmen der Psychosozialen Akuthilfe versorgen. Auch die langfristige Versorgung von Menschen mit bereits manifestierter Traumafolgestörung ist im Rahmen der Psychotherapie grundsätzlich gut geregelt. Eine gravierende Versorgungslücke gibt es in Deutschland aber leider im mittleren Glied der Versorgungskette, der sog. Stabilisierungsphase in den ersten Wochen nach dem Ereignis.

Notfallpsycholog*innen bringen für genau diese so relevante und noch zeitnah am Ereignis liegende Stabilisierungsphase die notwendige fachliche Expertise mit, um bei Betroffenen frühzeitig die psychische Resilienz zu stärken und einer behandlungsbedürftigen Traumafolgestörung entgegenzuwirken. Eine zentrale Anlaufstelle, über die sich Betroffene bundesweit über die Möglichkeiten einer notfallpsychologischen Beratung und Begleitung informieren und unkompliziert Kontakt zu Expert*innen aufnehmen konnten, fehlte aber bisher.

Mit dem zentralen Notfallpsychologie-Netzwerk hat der BDP unter Federführung der Fachgruppe Notfallpsychologie diese Versorgungslücke nun geschlossen und mit der Online-Plattform ein breites Hilfsangebot geschaffen. Neben allgemeinen Informationen zu notfallpsychologischen Versorgungsleistungen ist die deutschlandweite Notfallpsycholog*innen-Suche ein zentrales Element der Plattform. Behörden und Unternehmen haben zudem im Großschadensfall die Möglichkeit der Kontaktaufnahme mit und -koordination von einer größeren Zahl an Notfallpsycholog*innen direkt über den BDP. Expert*innen können sich hier registrieren und gegenseitig vernetzen und austauschen. Und natürlich gibt es für alle Interessierten viele neue Informationen zu einer der neuesten und immer bedeutsamer werdenden Teildisziplinen der Psychologie – der Notfallpsychologie.

Ihre Ansprechpartnerin:
Bettina Genée
Referentin Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
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Mai 2024 | In Arbeit | Kommentieren
Die zur Europawahl antretenden Parteien beschäftigen sich in ihren Programmen sehr ausführlich mit der demokratischen Verfasstheit und politischen Ausgestaltung der Europäischen Union. Viele von ihnen fordern mehr Bürgerbeteiligung und mehr Rechte für das Europäische Parlament, etwa das Initiativrecht bei der Gesetzgebung.

Relativ häufig findet sich auch die Forderung, das Einstimmigkeitsprinzip bei Entscheidungen des Europäischen Rats abzuschaffen, um Handlungsblockaden zu vermeiden. Was die EU-Erweiterung angeht, so unterscheiden sich die Parteien deutlich in ihrer Haltung: Von der Ablehnung jeglicher Erweiterung bis hin zur Position, dass gerade die Erweiterung die EU stärken werde.

CDU/CSU

Die Unionsparteien wollen die Rechtsstaatlichkeit Europas „verteidigen“: Das bereits bestehende Verfahren zum Schutz der Grundwerte der EU im EU-Vertrag sowie der neue EU-Rechtsstaatsmechanismus böten die notwendigen Handlungsspielräume, um schwerwiegende Verletzungen der Grundwerte durch einzelne Mitgliedstaaten zu sanktionieren. Diese müssten genutzt werden, fordern die Schwesterparteien in ihrem Europawahl-Programm.

Die EU muss handlungsfähiger werden – im Innern wie im Äußeren“, befinden die CDU/CSU. Hierfür brauche es Reformen der EU-Institutionen und ihrer Arbeitsweise. Nur so könne Europa Antworten auf die Herausforderungen der Zukunft geben.

Dafür wollen CDU/CSU die EU-Kommission „umstrukturieren und verschlanken“ und gleichzeitig das Europäische Parlament stärken – durch das eigene Initiativrecht und das Diskontinuitätsprinzip, nach dem alle nicht beschlossenen Entwürfe in einer neuen Wahlperiode erneut eingebracht werden müssen.

Wenn bei Themen wie etwa der inneren und äußeren Sicherheit oder der Migration schnellere Entscheidungsgeschwindigkeit gefragt ist, solle das vorhandene Instrument der „Verstärkten Zusammenarbeit“ im Sinne eines Europas der Pioniere“ häufiger genutzt werden, fordern CDU/CSU. Es ermöglicht EU-Staaten in bestimmten Bereichen eine engere Kooperation, wenn mindestens neun von ihnen kooperieren – auch wenn andere EU-Mitglieder dabei nicht mitgehen wollen oder können. Die EU solle in Zukunft auch schneller zu geeinten Positionen in der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik kommen und deshalb hier künftig mit qualifizierter Mehrheit abstimmen, finden die Parteien.

Erweiterung und Reformen der EU müssten Hand in Hand gehen, fordern die Parteien. Das bedeutet aus Sicht von CDU/CSU auch Veränderungen bei der Europäischen Zentralbank (EZB). Die angestrebte Erweiterung der EU müsse Anlass für eine andere Stimmverteilung im EZB-Rat sein: „Unser Ziel ist ein Stimmgewicht in Relation zur volkswirtschaftlichen Größe und zum Haftungsrisiko des einzelnen Landes.“

Bei der EU-Erweiterung geht es für CDU und CSU auch darum, dass Europa zusammenwächst. Die beiden Parteien halten dabei einen EU-Beitritt der sechs Westbalkan-Länder, der Ukraine und der Republik Moldau für richtig. Dies liege „im sicherheits- und geopolitischen Interesse Deutschlands und Europas“. Vor einem Beitritt müssten jedoch alle Beitrittskriterien vollständig erfüllt sein. Auf dem Weg dorthin solle es für Beitrittskandidaten Zwischenstufen geben, fordern die Parteien – etwa die Teilnahme an einzelnen EU-Programmen oder ein „gradueller Zugang zum EU-Binnenmarkt“.

Eine klar ablehnende Haltung haben CDU/CSU zum potenziellen Beitrittskandidaten Türkei: Sie sei zwar von strategischer Bedeutung für Europa, entferne sich derzeit aber von der Werteordnung der EU und könne damit der EU nicht beitreten. Trotzdem sei es im Interesse Europas, zumindest „gute politische und wirtschaftliche Beziehungen zur Türkei“ zu pflegen.

Titelseite des Wahlprogramms von CDU und CSU zur Europawahl 2024

Bündnis 90/Die Grünen

Die Grünen wollen eine EU-Rechtsstaatlichkeit ausbauen, „die allen Bürgerinnen und Bürgern Sicherheit und gleiche Rechte bietet“. Rechtsstaatlichkeit sei eines der Fundamente der Europäischen Union. Verstoße ein EU-Mitglied dagegen, etwa bei Eingriffen in eine unabhängige Justiz, Medienfreiheit oder Minderheitenrechte, schwäche es die Union. Deswegen wollen die Grünen die bestehenden Rechtsstaatsinstrumente konsequenter und schneller nutzen und weiterentwickeln. Aber auch die Auszahlung von EU-Mitteln soll „an die Einhaltung der Rechtsstaatlichkeit, demokratischer Prinzipien und der Grundrechte“ geknüpft werden.

Die Grünen sprechen sich für eine EU-Reform bei der Abstimmungsmethodik aus – weg vom Einstimmigkeitsprinzip hin zum Mehrheitsprinzip: Mit der Ausweitung von Mehrheitsentscheidungen will die Partei auf EU-Ebene Entscheidungen schneller ermöglichen. Dafür sei etwa die seit 2009 existierende „Passerelle-Klausel“ im Vertrag von Lissabon nutzbar: Wo bisher noch Einstimmigkeit im Europäischen Rat erforderlich war „und Entscheidungen deshalb leicht blockiert werden konnten, soll in Zukunft mit qualifizierter Mehrheit abgestimmt werden“.

Zum anderen will die Partei die in den EU-Verträgen vorgesehene Klausel der „Verstärkten Zusammenarbeit“ besser nutzen. Sie erlaubt es einer Gruppe von mindestens neun EU-Mitgliedstaaten, in ausgewählten Politikfeldern enger zu kooperieren und gemeinsam Projekte anzustoßen.

Eine Reihe der grünen EU-Reformvorschläge würde einer Vertragsänderung bedürfen. Dafür will die Partei einen Konvent unter der Einbeziehung von EU-Bürgerinnen und -Bürgern einberufen.

Die Erweiterung der EU ist für die Grünen eine „Erfolgsgeschichte“. Sie stärke „unsere Sicherheit, unsere Stabilität und unseren Wohlstand“. Deswegen sei es „unsere Verantwortung, die Länder mit europäischer Perspektive aktiv zu unterstützen“, heißt es im Europawahl-Programm. Damit eine erweiterte EU handlungsfähig bleibt, müsse sie ihre Strukturen reformieren. Die Grünen wollen den Beitrittsprozess etappenweise gestalten – und das Erreichen von Zwischenzielen mit positiven Anreizen anerkennen, etwa dem Zugang zu Roaming, zu EU-Programmen oder zu Teilen des Binnenmarkts.

Skeptisch zeigt sich die Partei bei einer Beitrittsperspektive der Türkei aufgrund ihrer aktuellen politischen Ausrichtung, die sich in den vergangenen Jahren immer weiter von Rechtsstaatlichkeit und Menschenrechten entfernt habe: „Für uns kann es eine Wiederaufnahme der Gespräche über einen EU-Beitritt erst dann wieder geben, wenn die Türkei glaubhaft den Weg zu Demokratie und Rechtsstaatlichkeit einschlägt.“

Titelseite des Wahlprogramms der Grünen zur Europawahl 2024

SPD

Für die SPD ist klar: „Europa muss gegen Einschränkungen von Rechtsstaat und Gewaltenteilung wirksam vorgehen“ – denn das Programm der Populisten und Europafeinde sei am Ende „ein soziales und kulturelles Verarmungsprogramm für die Bürgerinnen und Bürger“.

Die Partei setze sich „nachdrücklich für den Schutz von Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Menschenrechten in der EU ein“. Hierzu sollten bestehende Schutzinstrumente mit größerer Härte eingesetzt und neue Instrumente zum Schutz gemeinsamer Werte entwickelt werden. Bei Rechtsstaatsverstößen müssten Vertragsverletzungsverfahren deutlich konsequenter greifen als bisher.

Zudem müsse der Europäische Rat dringend das Grundwerte-Verfahren von Artikel 7 des Vertrags über die Europäische Union (EUV) anwenden: EU-Mitgliedstaaten, die systematisch gegen Grundwerte verstoßen, sollte das Stimmrecht entzogen werden, fordert die SPD.

Dafür sei es auch notwendig, das Grundwerte-Verfahren selbst anzupassen. Das Europäische Parlament brauche mehr Mitspracherechte – und im Rat „darf es nicht länger möglich sein, dass einzelne Mitgliedstaaten Sanktionen blockieren können“. Solche Verstöße will die SPD auch finanziell sanktionieren: Es brauche verschärfte finanzielle Sanktionsmöglichkeiten für Verstöße gegen die gemeinsamen Werte der EU.

Die Partei gibt sich grundsätzlich offen gegenüber neuen möglichen EU-Mitgliedern: „Die Erweiterungspolitik der EU war und ist ein Motor für Frieden, Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Wohlstand in Europa – wir wollen diese Erfolgsgeschichte fortschreiben.“ Die Erweiterungspolitik der EU sei eines der wichtigsten Instrumente der EU-Außenpolitik.

So liefe auch der Prozess zum Beitritt der westlichen Balkanstaaten zu langsam: Vor mehr als 20 Jahren habe die EU diesen Staaten eine Beitrittsperspektive gegeben. „Nach jahrelanger Verzögerung ist es nun allerhöchste Zeit, die Staaten des westlichen Balkans zügig in die Mitte unserer Gemeinschaft aufzunehmen, wenn die Beitrittskriterien erfüllt sind.“ Die Partei will sich dafür einsetzen, dass „erkennbare Zwischenschritte im Erweiterungsprozess etabliert werden“ und will prüfen, „inwiefern zum Beispiel der Zugang zum gemeinsamen Binnenmarkt schon vor der vollständigen EU-Mitgliedschaft gewährt werden kann“.

Titelseite des SPD-Wahlprogramms zur Europawahl 2024

AfD

Die Alternative für Deutschland (AfD) bezeichnet die EU als „Fehlkonstruktion“. Solange diese fortbestehe, will sich die AfD dafür einsetzen, „weitere Einschränkungen der nationalen Souveränität und weitere Umverteilungen von Wohlstand und Vermögen unserer Bürger durch EU-Regelungen zu verhindern“. Verträge bezüglich einer EU-Erweiterung dürfe es nur mit begleitender Volksabstimmung geben.

Die Partei will das „undemokratisch gewählte EU-Parlament“ abschaffen. Die Rechtsetzungskompetenz solle „bis zur Neuordnung der Verhältnisse“ allein dem Europäischen Rat übertragen werden. Dessen Mitglieder, also die Staats- und Regierungschefs der EU, müssten in ihrem Stimmverhalten jedoch an Entscheidungen der nationalen Parlamente gebunden werden, fordert die AfD.

Als ihr vorrangiges Ziel im derzeitigen EU-Parlament definiert die Partei, „in der bevorstehenden Wahlperiode Parteien aus allen Ländern für das Zukunftsprojekt einer neuen europäischen Wirtschafts- und Interessengemeinschaft zu gewinnen“.

Bis zu deren Gründung wolle die AfD jede Verkleinerung des administrativen Apparats unterstützen, heißt es in ihrem Europawahl-Programm. Die Förderung von Europaparteien und deren Stiftungen aus Steuermitteln müsse zudem beendet werden.

Einer EU-Erweiterung steht die AfD grundsätzlich abweisend gegenüber: So lehnt sie eine Aufnahme der Westbalkanstaaten in die EU explizit ab. Um den Westbalkan zu einem wichtigen Teil Europas zu machen, trete die AfD „für eine privilegierte Partnerschaft mit den Ländern dieser Region ein“. Die Migration über diese Staaten sei durch eine enge sicherheitspolitische Zusammenarbeit einzudämmen.

Die Türkei benennt die AfD zwar als einen wichtigen strategischen und wirtschaftlichen Partner. Sie gehört nach Ansicht der AfD jedoch kulturell nicht zu Europa. Die AfD fordert deswegen „den sofortigen Abbruch der Beitrittsverhandlungen der EU mit der Türkei und die Einstellung der finanziellen Heranführungshilfen“.

Titelseite des Europawahlprogramms der AfD

Die Linke

Die Linkspartei fordert, dass der Zustand von Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Grundrechten in der EU regelmäßig länderspezifisch evaluiert wird und Verstöße durch den Europäischen Gerichtshof (EuGH) sanktioniert werden.

Darüber hinaus will die Linkspartei „die Demokratieblockade der Europäischen Union lösen“: Die Verträge von Maastricht und Lissabon hätten „den Neoliberalismus in die Grundlagen der EU eingeschrieben“. Die Partei fordert deswegen eine neue Verfassung für die Europäische Union – und zwar mittels eines Verfassungskonvents.

Es brauche „eine friedliche, soziale und demokratische EU mit veränderten vertraglichen Grundlagen, neuen Strukturen, neuen Hoffnungen“. Sie wolle dafür „einen öffentlichen und demokratischen Raum für die Debatte über die Verfassung und die Demokratisierung der Institutionen schaffen – und die Dominanz des Europäischen Rates zurückdrängen“. Vertreterinnen und Vertreter aus den EU-Staaten sollen dort gemeinsam mit Gewerkschaften, Sozial- und Umweltverbänden und weiteren Nichtregierungsorganisationen einen Entwurf für die Verfassung diskutieren.

Die Linkspartei will EU-Bürgerinnen und -Bürgern insgesamt mehr Mitsprache- und Teilhaberechte einräumen: Sie sollten das Recht erhalten, über Volksentscheide und Volksbegehren EU-Politik mitzugestalten und Gesetze zu initiieren. Europaweit sollten zusätzlich „Bürgerräte – vergleichbar den Transformationsräten – eingerichtet werden“, heißt es im Europawahlprogramm der Partei.

Die aktuelle EU-Nachbarschafts- und Erweiterungspolitik werde von der EU-Kommission „oft auf kurzfristige und bornierte energie- und migrationspolitische ‚Lösungen‘ verkürzt“. Dabei sei eine friedliche, kooperative und umfassende Nachbarschaftspolitik, die eine wachsende wirtschaftliche Zusammenarbeit, Rechtsstaatsdiskurse und Kulturaustausch einschließt, Teil des erklärten Selbstverständnisses der EU, kritisiert die Linkspartei.

Der EU-Erweiterung steht die Partei offen und zugleich kritisch gegenüber: Die EU habe in der Erweiterungspolitik „ihren Kompass verloren“ – bei der gesamtgesellschaftlichen Entwicklung, insbesondere der Förderung rechtsstaatlicher Prozesse in den Kandidatenländern, dem Kampf gegen den Klimawandel und für soziale Teilhabe. Stattdessen werde ein „politisch instrumentelles, rein ökonomisches Interesse an der Zusammenarbeit mit diesen Nachbarstaaten der EU verfolgt“.

Die Linkspartei will Erweiterungsgesuche an soziale und demokratische Standards knüpfen. Eine EU-Mitgliedschaft dürfe „weder politische Verhandlungsmasse für die geostrategischen Interessen von NATO und USA sein, noch an Kürzungs- und Privatisierungsauflagen gekoppelt werden“.

Titelseite des Wahlprogramms der Partei Die Linke zur Europawahl 2024

FDP

Die Werte der Europäischen Union – nämlich Freiheit, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit – sind für die FDP das Fundament, auf dem die EU aufgebaut sei. Wer den Rechtsstaat mit Füßen trete, dem müssten rasch und konsequent EU-Fördermittel entzogen werden, fordert die Partei.

Künftig solle zudem der Europäische Gerichtshof (EuGH) auf Antrag eines EU-Mitgliedstaats, der EU-Kommission oder des Parlaments EU-Gelder einfrieren können. Die FDP will den Rechtsstaatsmechanismus auf die Verletzung aller Werte der Union ausweiten – unabhängig davon, ob EU-Gelder betroffen sind.

Die Partei regt weitere Reformen an: So fordert sie eine „Europäische Grundrechtsbeschwerde“ – Bürgerinnen und Bürgern sowie juristischen Personen sollten verbesserte Klagemöglichkeiten vor dem EuGH eingeräumt werden. Nach Ausschöpfen des nationalen Rechtswegs müssten diese auch gegen nationale Rechtsakte wegen einer Verletzung ihrer europäischen Grundrechte klagen können. Dazu will die FDP „die erfolgreiche Arbeit der Europäischen Staatsanwaltschaft (EUStA) stärker fördern und weiter ausbauen.“

Die Erweiterungspolitik der EU brauche mehr Realismus, befindet die FDP in ihrem Europa-Wahlprogramm. Diese müsse mit institutionellen Reformen einhergehen, „damit die EU aufnahmefähig wird“. Die EU-Beitrittsperspektive sei ein zentrales Instrument, „um auf unserem Kontinent Demokratie, innere und äußere Sicherheit, politische Stabilität und wirtschaftlichen Wohlstand langfristig zu sichern“. Dabei müsse bei Beitrittskandidaten ein besonderer Fokus auf dem Thema Rechtsstaatlichkeit liegen.

Deswegen kommt die Partei zu dem Schluss, dass „eine von Präsident Erdogan autoritär regierte Türkei kein Kandidat für eine EU-Mitgliedschaft sein kann“. Die FDP will die EU-Beitrittsverhandlungen mit der Türkei in der bisherigen Form beenden und die Beziehungen auf eine neue Grundlage enger sicherheitspolitischer und wirtschaftlicher Zusammenarbeit stellen.

Titelseite des FDP-Wahlrprogramms zur Europawahl 2024

Freie Wähler

Die Freien Wähler fordern ein Europa, das pragmatisch und ideologiefrei agiert. Dabei seien Grundwerte wie Demokratie, Rechtsstaatlichkeit, Menschenrechte, Pressefreiheit oder das Recht auf freie Meinungsäußerung „nicht verhandelbar“.

Die Partei will das Europaparlament mit einer Erweiterung der Kompetenzen und Zuständigkeiten stärken und fordert „ein echtes Initiativrecht“. Die Europäische Bürgerinitiative solle zudem weiter gestärkt werden. Sie ermögliche engagierten Bürgern, ihre politischen Vorstellungen in Europa einzubringen. Des Weiteren soll die Möglichkeit verbindlicher europaweiter Bürgerentscheide geschaffen werden.

Außerdem sollten Verstöße gegen Stabilitäts- und Wachstumspakt künftig automatisch geahndet und sanktioniert werden: „Dadurch erreichen wir mehr Haushaltsdisziplin und verhindern, dass die Stabilität unserer Währungsunion von politischen Entscheidungen abhängt“, heißt es im Europawahl-Programm der Partei.

Zudem will die Partei die Europäische Zentralbank (EZB) neu ausrichten: Die Unabhängigkeit der EZB von politischen Einflüssen sei weiterhin sehr wichtig. „Wir wollen aber, dass intern die Stimmrechte der nationalen Notenbanken in der EZB nach den entsprechenden Haftungsanteilen gewährt werden“, so die Partei. Den Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM) wollen die Freien Wähler als „überstürzt eingeführtes Kriseninstrument wieder auflösen“, indem die Ausleihkapazität des ESM schrittweise zurückgefahren werde.

Was die EU-Erweiterung angeht, so plädiert die Partei dafür, dass neue Beitrittskandidaten für den Schengen-Raum vor ihrer Aufnahme zweifelsfrei alle sicherheitsrelevanten Kriterien nachhaltig erfüllen müssen – „wie die Ausgestaltung der Rechtsstaatlichkeit sowie den entschlossenen Kampf gegen Korruption, organisierte Kriminalität und Terrorismus“. Dabei könne es keine Kompromisse geben. Für den Fall einer nachträglichen Nichterfüllung müssen umgehende Sanktionsmechanismen vorhanden sein.

Um „nachhaltig aufnahmefähig“ zu werden, müsse jedoch sichergestellt werden, dass einzelne Länder weniger Entscheidungen blockieren können. Deshalb müsse für „klar definierten Politikfelder“ die Mehrheitsentscheidung einführt werden. Zudem solle nicht jedes kleine Land immer einen EU-Kommissar stellen müssen.

Den EU-Erweiterungskandidaten des Westbalkans steht die Partei grundsätzlich offen gegenüber. Bei der Türkei nehmen die Freien Wähler eine ablehnende Haltung ein: Angesichts der Entwicklung hin zu einem autoritären Staat sollten diese dauerhaft beendet werden.

Titelseite des Eruopawahlprogramms der Freien Wähler

Die PARTEI

Die Satirepartei Die PARTEI äußert sich nicht zu den Themen Rechtsstaatlichkeit in Europa, EU-Reform und -Erweiterung.

Auszug aus dem Wahlprorgamm der PARTEI zur Europawahl 2024

ÖDP

Die Ökologisch-Demokratische Partei (ÖDP) benennt ihre Ausrichtung klar als pro-europäisch – sie stehe für eine demokratisch gestaltete und der kulturellen Vielfalt verpflichtete Europäische Union. Sie sehe gerade deshalb einen tiefgreifenden Reformbedarf bei den EU-Institutionen. Die ÖDP beklagt Bürgerferne und „mangelnde Mitbestimmungsmöglichkeiten“, was die Identifikation vieler Bürgerinnen und Bürger mit der EU erschwere und deren Grundlage gefährde.

Eine Ursache sieht die Partei in „erheblichen Mängeln in den aktuell gültigen EU-Verträgen“. Vor allem litten die EU-Institutionen „unter einem Mangel an demokratischer Legitimation“. Konkret fordert die ÖDP die Einführung von Mehrheitsentscheidungen in allen EU-Institutionen, insbesondere im Rat.

Zugleich sollen die Rechte des Europäischen Parlaments gestärkt und verbindliche europaweite Volksbegehren eingeführt werden. Das Parlament solle das Initiativrecht bekommen, Gesetze selbst zu formulieren, „statt nur über die Vorlagen der EU-Kommission abzustimmen“ sowie das Recht, EU-Kommissare vorzuschlagen und zu entlassen. Insgesamt solle es eine Kontrolle der Kommission durch das Parlament geben.

Zudem plädiert die Partei dafür, die Zuständigkeit der EU zu beschränken: Alle Themen, die kommunal, regional und national geregelt werden könnten, sollten dort gemäß dem Subsidiaritätsprinzip der EU auch verbleiben.

Für eine EU-Reform genauso wie für weitere EU-Beitritte müssten die entscheidenden Kriterien die Achtung der Menschenrechte, die Prinzipien eines freiheitlich-demokratischen Rechtsstaats und einer ökologisch-sozialen Marktwirtschaft sein, fordert die ÖDP.

Titelseite des ÖDP-Wahlprogramms zur Europawahl

Piraten

Die Piratenpartei sieht bei der EU bereits seit ihrer Gründung ein Demokratiedefizit, „das auch im Laufe des weiteren Integrationsprozesses nicht behoben wurde“. Die Partei fordert, dass die politischen Prozesse der Union viel bürgernäher gestalten werden müssten.

Zudem fordert sie die Umsetzung des Subsidiaritätsprinzips ein: „Entscheidungen sollen nicht auf EU-Ebene getroffen werden, wenn sie besser auf nationaler, regionaler oder lokaler Ebene gefällt werden können.“ Europäische Grundwerte wie Freiheit, Gleichheit und Rechtsstaatlichkeit seien nicht verhandelbar.

Die Partei will die Zivilgesellschaft stärker beteiligen: Sie fordert einen „direkt gewählten Bürgerkonvent“, der mit der Ausarbeitung eines neuen EU-Vertrages beauftragt werden solle. Dieser wiederum solle dann durch ein EU-weites Referendum besiegelt werden. Zudem solle das Europäische Parlament ein „E-Partizipationsinstrument“ einrichten: Bürgerinnen und Bürger sollten die Möglichkeit haben, Gesetzesvorschläge öffentlich zu diskutieren und Änderungsanträge einzubringen.

Die Piratenpartei will zudem das Machtverhältnis innerhalb der europäischen Institutionen zugunsten des Europäischen Parlaments verschieben. Derzeit sieht die Partei den EU-Gesetzgebungsprozess zu stark von der Exekutive, der EU-Kommission dominiert.

Die Piraten unterstützen die Erweiterung der Europäischen Union um weitere Staaten, die die Bedingungen und Kriterien für einen Beitritt erfüllen. Die EU sollte die Beziehungen zu beitrittswilligen Ländern durch eine verstärkte wirtschaftliche, politische und kulturelle Zusammenarbeit vertiefen.

Titelseite des Wahlprogramms der Piratenpartei zur Europawahl

Europawahlprogramm der Piratenpartei „Demokratie ist wählbar“

Volt

Die Partei Volt will die Europäische Union stärken. Von zentraler Bedeutung sei dabei wiederum die Stärkung der demokratischen Legitimität der EU. Die aktuelle Ausgestaltung der EU-Politik sieht die Partei kritisch: „Der derzeitige institutionelle Rahmen stellt die Interessen der Mitgliedstaaten über jene der Bürgerinnen und Bürger“ – und führe zu Entscheidungsprozessen, die ineffizient und stark von nationalen Interessen beeinflusst seien.

Deshalb solle der Europäische Rat abgeschafft werden und durch einen Europäischen Senat ersetzt werden. Dieser solle als zweite Kammer der EU dienen. In der Zwischenzeit sei sicherzustellen, dass Entscheidungen im Europäischen Rat mit qualifizierter Mehrheit anstelle von Einstimmigkeit getroffen werden.

Volt fordert auch, die EU-Kommission zu reformieren: Anstelle der Präsidentin oder des Präsidenten der Europäischen Kommission solle eine EU-Premierministerin oder ein EU-Premierminister aus den Mitgliedern des Europäischen Parlaments gewählt werden. Neben einer Europäische Armee soll es auch ein EU-Außenministerium geben. Die Rolle des Europäischen Parlaments müsse sich zudem „von der bloßen Mitentscheidung über Gesetze hin zur Teilnahme bei der Initiierung neuer Gesetze ändern“.

Gerade angesichts der bevorstehenden EU-Erweiterung müssten bisherige Entscheidungsprozesse reformiert werden, befindet die Partei. Dazu solle ein „Europäischer Kongress“ zur Reform der Europäischen Verträge in der neuen Legislaturperiode initiiert werden, an dem auch die Bürgerinnen und Bürger im Dialog beteiligt sein sollten.

Bei der EU-Erweiterung fordert Volt eine neue Methodik, „die auf einer schritt- und stufenweisen Integration in die EU basiert“. Diese solle den derzeitigen Ansatz „Alles oder nichts“ durch einen „effizienten, transparenten und fairen Prozess“ ersetzen. Wenn Beitrittskandidaten Fortschritte bei der Umsetzung von Reformen zur Angleichung an das EU-Recht machten, würden sie dann schrittweise mehr Zugang zu EU-Ressourcen wie dem EU-Haushalt und der Beteiligung an EU-Institutionen erhalten. Diese Stufen könnten bei Rückschritten in den Reformen rückgängig gemacht werden.

Titelseite des Europawahlprogramms der Partei Volt

Familienpartei

Die Familienpartei fordert eine neue Schwerpunktsetzung und eine Neuausrichtung der Europäischen Union: Sie müsse familienfreundlicher ausgestaltet werden – sozialpolitische Akzente seien hierzu der Schlüssel.

Die Rechte des Europäischen Parlaments müssten eine erhebliche Stärkung erfahren: „Es ist unzumutbar, dass sich ein Parlament ‚Parlament‘ nennen darf, obwohl die wichtigsten Entscheidungen von der EU-Kommission getroffen würden.“

Ein Modell wie es in Deutschland zwischen Bundestag und Bundesrat praktiziert werde, sei mindestens wünschenswert.

Titelseite des Wahlprogramms der Familien-Partei zur Europawahl

Partei Mensch Umwelt Tierschutz

Die Tierschutzpartei fordert einen föderalen europäischen Bundesstaat, in dem das Subsidiaritätsprinzip gilt. Dafür brauche die EU eine neue Verfassung und „eine eigenständige europäische Regierung, die direkt von den EU-Institutionen vorgeschlagen, gewählt und ernannt wird, und nicht wie bisher als Europäische Kommission von den Regierungen der Mitgliedstaaten abhängig ist“.

Das Europäische Parlament müsse echte legislative Macht erhalten, fordert die Partei: Es müsse berechtigt sein, Gesetzgebungsverfahren zu initiieren, „statt wie bisher lediglich die EU-Kommission dazu auffordern zu dürfen“. Als zweite Kammer müsse ein neuer „Rat der Regionen“ als Nachfolge des Rats der Europäischen Union geschaffen werden. Mit dem „Rat der Regionen“ sollen „die regionalen und lokalen Interessen vertreten und ein wichtiges Element der Machtverschränkung von unten etabliert“ werden.

Die Partei fordert zudem eine Reform der Beteiligung für EU-Bürgerinnen und -bürger: Es dürfe nicht sein, dass über eine Million Menschen grundlegende Veränderungen über europäische Bürgerinitiativen wollen, aber die Kommission daraufhin nicht tätig werde. „Es muss eine Form der Verbindlichkeit geschaffen werden, sodass der Wille der Menschen, der als Bürgerinneninitiative zum Ausdruck kommt, nicht länger ignoriert werden kann“, heißt es im Europawahlprogramm der Partei.

Die Zukunft der EU sei nur dann sicher, „wenn sie Akzeptanz findet und größtmögliches Vertrauen in ihre Institutionen besteht“. Das sei leider immer weniger der Fall, was auch an der Konstruktion der Europäischen Union liege. Die Partei will sich auch für die Erweiterung um neue Mitglieder und den Wiedereintritt von Großbritannien und Nordirland einsetzen.

Titelseite des Wahlflyers der Tierschutzpartei zur Europawahl

Bündnis Sahra Wagenknecht

Das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) sieht die aktuelle politische Ausgestaltung der Europäischen Union äußerst kritisch: „Die heutige EU ist ein Europa der Banken und des Big Business, in dem die soziale Ungleichheit wächst.“ Viele der Probleme seien nicht auf einzelne Fehlentscheidungen zurückzuführen, „sondern liegen grundsätzlich in den EU-Verträgen begründet, die den Rahmen für die Politik der EU setzen“.

Das BSW will deswegen in den EU-Verträgen eine „soziale Fortschrittsklausel“ verankern, die den Vorrang der sozialen Grundrechte vor den Binnenmarktfreiheiten (Waren, Arbeitskräfte, Dienstleistungen und Kapital) festschreibe.

Zugleich setzt das Bündnis auf „Subsidiarität statt EU-Zentralismus“: Statt weiterer Machtverlagerung auf die EU-Ebene solle die Souveränität demokratisch gewählter nationaler Parlamente und Regierungen gestärkt werden.

Einer EU-Erweiterung steht das BSW ablehnend gegenüber und fordert deswegen ein Erweiterungsmoratorium. Die Aufnahme von Beitrittsverhandlungen mit der Ukraine, Republik Moldau und Georgien lehnt das BSW explizit ab. Grund seien vor allem die durch einen Beitritt der fünf Länder des Westbalkans, des Kosovo, der Ukraine, Georgiens und Moldau entstehenden Kostenbelastungen für den EU-Haushalt.

Titelseite des Wahlprogramms des BSW zur Europawahl

Anmerkung: Die Partei Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) ist nicht im Europaparlament vertreten. Da das BSW in Umfragen stabil bei 4 bis 7,5 Prozent ausgewiesen wird und damit von einem Einzug in das Europäische Parlament auszugehen ist, stellen wir die Positionen der Partei jedoch in diesem Überblick vor. 
Die Partei Bündnis Deutschland ist im Europaparlament vertreten. Jedoch wurde sie bei der vergangenen Wahl nicht ins Europäische Parlament gewählt, sondern ein gewählter Abgeordneter einer anderen Partei trat später Bündnis Deutschland bei. Daher stellen wir die Positionen der Partei nicht in diesem Überblick vor.
Damit folgen wir dem Prinzip der abgestuften Chancengleichheit.

Mai 2024 | In Arbeit | Kommentieren
Ist das Leitkultur? Charlotte Merz, Ehefrau des CDU-Vorsitzenden Friedrich Merz, bedrängte und belehrte auf dem Parteitag einen Reporter der ZDF-»heute-show«. Der Journalistenverband findet klare Worte für ihr Verhalten.
Ehepaar Merz auf dem CDU-Parteitag in Berlin
Ehepaar Merz auf dem CDU-Parteitag in Berlin

Was war passiert?

Reporter Lutz van der Horst stellte verschiedenen Parteimitgliedern in Adiletten und weißen Socken Fragen zum Thema Leitkultur, etwa dem CDU-Bundestagsabgeordneten Philipp Amthor oder Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Daniel Günther, die recht gelassen Auskunft gaben.

Beim Versuch, den CDU-Parteichef Friedrich Merz zu interviewen, scheitert van der Horst zuerst an den Bodyguards, die ihn abdrängen. Und schließlich an dessen Frau Charlotte Merz. »Leitkultur bedeutet doch auch zu antworten, wenn man was gefragt wird, oder?«, ruft der »heute show«-Reporter bei seiner vergeblichen Anfrage.

Daraufhin geht Charlotte Merz auf van der Horst zu und fasst ihn an den Arm, mit dem er das ZDF-Mikrofon hält. »Leitkultur bedeutet als l
doch aller erstes zu fragen, ob man eine Antwort geben möchte«, sagt Merz. Währenddessen drückt sie das Mikrofon runter, offenbar um eine Aufzeichnung des Tons zu unterbinden oder zu erschweren.

Im Netz kritisierten viele das Verhalten von Charlotte Merz, die Richterin und Direktorin des Amtsgerichts Arnsberg ist. Die »Bild«-Zeitung bewertete das Verhalten von Charlotte Merz gegenüber dem Reporter offenbar positiver. Sie nannte die Witze im Beitrag holprig, sprach von einem »frechen TV-Angriff auf Friedrich Merz« und anerkennend davon , dass Charlotte Merz sich den »Störenfried« van der Horst vorgeknöpft habe.

Mai 2024 | In Arbeit | Kommentieren
Kanzler Scholz und SPD-Fraktionschef Mützenich: Astreines "mixed messaging".
Kanzler Scholz und SPD-Fraktionschef Mützenich: Astreines „mixed messaging“.
Wünschen Sie sich auch manchmal, dass die Ampel einfriert?
Das ist gar nicht böse gemeint. Einfach mal zwei, drei Wochen Ruhe im Kartong. Kein Streit. Keine Staus. Keine Hektik. Eine Regierung wie eine Jever-Werbung.
Der Traum vom konfliktfreien Regieren ist auch so manchem Ampelpolitiker nicht fremd. Der SPD-Bundestagsabgeordnete Michael Roth gestand soeben der „Frankfurter Rundschau“, dass ihn der Streit über die Ukraine-Politik „kirre“ mache. „Aber wenn ich mir einen eingefrorenen Konflikt wünschte, dann wäre es der in der Koalition“.
Roths Spitzen galten dabei nicht nur den dauerzankenden Ampelpartnern, sondern auch seinem eigenen Fraktionschef, Rolf Mützenich, der vor Kurzem im Deutschen Bundestag ein „Einfrieren“ des Ukraine-Kriegs gefordert hatte. Mützenich trat damit eine Welle der Empörung los, bei der die SPD sich alle Mühe gab, sie wieder einzufangen.
Screenshot aus der Jever-Werbung von 1995.
Screenshot aus der Kultwerbung von 1995: Einfach mal eine Pause einlegen.
 

Wann dann geschah, was zunächst erwartbar: Führende Sozialdemokraten stellten sich schützend vor ihren Chefgenossen im Bundestag. Wer jedoch genau hinsah, erkannte nicht nur Lob. Und auch das blieb inhaltlich eher abstrakt. Die SPD sei von ihrer „DNA“ her eben eine Friedenspartei, lautete eine oft angeführte Begründung. Eine andere verwies auf das Bedürfnis, angesichts eines blutigen Stellungskriegs in der Ukraine die deutsche Debatte zu weiten, und auch über Diplomatie zu sprechen, nicht nur über Waffen.

Doch sobald es ins Konkrete ging, ließen sich Absetzbewegungen beobachten. Da waren etwa die Parteichefs Lars Klingbeil und Saskia Esken, die klarstellten, dass die SPD natürlich wisse, dass Putin derzeit nicht verhandeln wolle. Oder Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD), der in Ramstein zu Protokoll gab, dass sich am Kurs der Bundesregierungnichts geändert habe.
Der Außenpolitiker Roth, oft mit der Parteilinie über Kreuz, ließ sich sogar zu der Aussage hinreißen, zwei Jahre Krieg hätten „bei manchen“ in der SPD „zu einer gewissen Müdigkeit und Ratlosigkeit“ geführt. Dem „Stern“ sagte Roth nun, er wolle sich nach der Bundestagswahl 2025 aus der Politik zurückziehen.
Selbst Rolf Mützenich stellte noch mal klar, dass sein Vorschlag nicht für sofort gedacht gewesen sei.
Hat jemand Einfrieren gesagt? Verteidigungsminister Boris Pistorius hält wenig von dem Vorschlag.
Hat jemand Einfrieren gesagt? Der Inhaber der Befehls- und Kommandogewalt, Verteidigungsminister Boris Pistorius, hält wenig von dem Vorschlag.  (Quelle: Thomas Niedermueller/getty-images-bilder)
Warum man aber trotzdem jetzt über ein Einfrieren des Krieges reden soll, wenn gerade jetzt die Voraussetzungen dafür fehlen, lässt sich wohl nur so erklären: Um den genauen Zeitpunkt ging es Mützenich nicht. Er wird wohl wissen, dass es dafür nur den falschen geben kann, zumindest aus Sicht derjenigen, die unter Einfrieren ein Einknicken vor Putin verstehen.
Der Kern des Arguments ist ein anderer: Wenn Deutschland die Ukraine noch die nächsten Jahre und Jahrzehnte unterstützen wolle, müsse die Regierung die Bevölkerung mitnehmen. Gerade in einer Zeit, in der die Wirtschaft kriselt, der gesellschaftliche Zusammenhalt bröckelt und die Russlandfreunde von der AfD bei den Ostwahlen einen politischen Erdrutsch verursachen könnten, müsse eine Kanzlerpartei die Sorgen der Leute vor einer Eskalation des Krieges ernst nehmen.
Ob die Ängste der Menschen schon da waren oder durch eine oft verworrene Kommunikation der Regierung zusätzlich genährt wurden, sei mal dahingestellt. Doch ein reines Wahlkampfmanöver, wie der SPD nun (von anderen Wahlkämpfern) vorgeworfen wird, ist es nicht. Der Wahlkampf ist vielmehr der Anlass, endlich auszusprechen, was viele Genossen schon länger umtreibt.
Klar ist aber: Folgen für das Regierungshandeln hat das erst mal keine.
Mützenichs Vorstoß lässt sich nur in einem breiteren Kontext verstehen, in dem Kanzler Scholz ziemlich genau das Gegenteil von dem tut, was sein Fraktionschef im Bundestag vorschlägt: die militärische Ertüchtigung der Ukraine erhöhen. Seit Anfang des Jahres spielt Scholz den Antreiber Europas bei der Militärhilfe, bindet sich mit einem Sicherheitsabkommen noch stärker an Kiew, schraubt deutsche Waffenlieferungen für die Ukraine auf sieben Milliarden Euro hoch.
Ukraine-Krieg - Charkiw
Die russische Armee verschärft derzeit wieder ihre Raketenangriffe gegen die zivile Infrastruktur der Ukraine. In der ostukrainischen Großstadt Charkiw fiel der Strom komplett aus
Ob das reicht, dass die Ukraine den Krieg nicht verliert oder gar ihre Territorien zurückerlangt, ist zwar fraglich. Doch abgesehen vom Taurus-Veto gibt es keine Indizien, dass der Kanzler oder sein Verteidigungsminister von ihrem bisherigen Kurs in Sachen Ukraine-Unterstützung abweichen.
Zugespitzt: Scholz liefert weiter Waffen, während Mützenich die wachsende Kriegsmüdigkeit politisch auffängt. Ein astreines „mixed messaging“, das für die Sozialdemokraten allerdings zwei Risiken birgt:
Zum einen geht es um die Tragfähigkeit ihrer Ukraine-Politik: Die SPD mag kurzfristig in den Umfragen zulegen, was durch das Politbarometerund den „Insa“-Sonntagstrend gerade bestätigt wurde. Zugleich könnte sie mittel- bis langfristig genau das aufs Spiel setzen, was sie angibt, sichern zu wollen: den gesellschaftlichen Rückhalt für die Kanzlermaxime, die Ukraine „as long as it takes“ zu unterstützen.
Setzt die SPD den Diskurs über Einfrieren und diplomatische Lösungen fort (was derzeit intern abgewogen wird), obwohl die Voraussetzungen dafür nicht gegeben sind, könnte sich in der Bevölkerung die Erzählung durchsetzen, der Krieg könnte zeitig durch Verhandlungen beendet werden, ohne dass es dafür derzeit eine reale Chance gibt. Ist die Überzeugung erst mal verankert, flankiert durch ranghohe Regierungspolitiker, ist der Schritt nicht weit, entsprechende Zugeständnisse von der Ukraine einzufordern, damit sich diese Hoffnung auch realisiert.
Putin hat gerade erst erklärt, dass er Verhandlungen jetzt, da die Ukraine unter Munitionsmangel leidet, für „absurd“ hält. Der Kremlchef dürfte ohnehin auf die US-Wahl im Herbst warten, weil er mit einem möglichen Präsidenten Trump vermutlich freie Hand hätte. Der Zeitpunkt für eine deutsche Friedensinitiative erscheint auch vor diesem Hintergrund besonders ungünstig.
Und zum anderen gerät die Glaubwürdigkeit der „neuen Ostpolitik“ der SPD ins Wanken: Die hatte Parteichef Lars Klingbeil vor einem Jahr ausgerufen. Um das mit Taten zu unterlegen, ging Klingbeil im März 2023 auf Versöhnungstour durch Osteuropa. Reiste zunächst – gemeinsam Fraktionschef Mützenich – zu Selenskyj nach Kiew und anschließend nach Warschau, traf Sozialdemokraten aus 13 osteuropäischen Ländern, legte Nelken ans Ehrenmal für die Helden des Warschauer Ghettos.
SPD-Chef Klingbeil vor seinem Vorbild im Willy-Brandt-Haus: Gerät die neue Ostpolitik ins Wanken?
SPD-Chef Klingbeil vor seinem in Bronze gegossenen Vorbild im Willy-Brandt-Haus: Gerät die neue Ostpolitik ins Wanken?
Klingbeil warb bei den osteuropäischen Partnern um Vertrauen und räumte ein, dass die SPD zu wenig auf Polen und Balten gehört hatte, die frühzeitig vor einem russischen Überfall auf die Ukraine gewarnt hatten. Künftig soll das besser laufen, so das Versprechen.
Der SPD-Chef ging mit seinem Projekt neue Ostpolitik politisch ins Risiko. Nicht nur, weil er für die Fehler seiner Partei in der Russlandpolitik geradestehen und sich dafür in Warschau einiges anhören musste, all jenen Sozialdemokraten an, die die Irrtümer der jüngeren Vergangenheit am liebsten vergessen würden.
Doch Klingbeil setzte sich durch. In einem Parteitagsbeschluss Ende 2023 bekannte sich die SPD dazu, das Putin-Regime falsch eingeschätzt zu haben und die Lehren daraus zu ziehen.
Genau von diesen Lehren hört man dieser Tage jedoch recht wenig. Weder die Polen, die Ukrainer noch die Balten sprechen von diplomatischen Initiativen, sondern warnen immer eindringlicher vor der russischen Aggression, die sich, sollte Putin die Ukraine besiegen, als Nächstes gegen das Baltikum richten könnte. Die aktuelle Debatte im Deutschen Bundestag dürfte in Warschau, Vilnius und Tallinn böse Erinnerungen wachrufen.
Die SPD muss aufpassen, dass das zarte Pflänzchen neue Ostpolitik im Superwahljahr 2024 nicht elendiglich verkümmert. Klingbeil hat in Warschau am eigenen Leib erfahren, wie schwierig es ist, verlorenes Vertrauen zurückzugewinnen – und wie schnell man es wieder verlieren kann.
März 2024 | In Arbeit | Kommentieren
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März 2024 | In Arbeit | Kommentieren

Seit Monaten warnen nicht nur CDU, CSU und AfD vor dem Gesetz. Auch die Landesjustizminister, die einer der drei Ampelparteien angehören, hatten das Gesetz in der Form entschieden abgelehnt. „Die Amnestieregelung ist eine enorme Herausforderung und verursacht einen erheblichen Arbeitsaufwand“, sagte Benjamin Limbach, Grünen-Politiker und Justizminister von Nordrhein-Westfalen. Dass die Justiz nun 100.000 Urteile und nicht abgeschlossene Verfahren prüfen müsse, bei denen es auch oder nur um Cannabisbesitz geht, sei zu viel für eine Justiz, die „bereits jetzt Belastungsgrenzen erreicht“. Felor Badenberg, die für die CDU in Berlins schwarz-rotem Senat sitzende Justizsenatorin, hält die Amnestieregelung in der vorgesehen Form für schlicht nicht umsetzbar.

Union schließt die Ampel-Reihen

Warum dennoch keine Ländermehrheit für eine Rücküberweisung des sogenannten Einspruchsgesetzes in dem Vermittlungsausschuss zustande kam? Der Bundesrat hatte keine Möglichkeit, das Gesetz zu stoppen, hätte aber Einzelfragen mit Vertretern des Bundestages verhandeln können. Doch am Ende enthielt sich eine deutliche Mehrheit der Bundesländer im Bundesrat, weil die fast überall mitregierenden Parteien der Ampel auch den CDU-geführten Landesregierungen eine Ablehnung des Gesetzes versagten. Daran wiederum hatte die Union ihren eigenen Anteil.

„Der Freistaat Sachsen wird am Freitag im Bundesrat für die Anrufung des Vermittlungsausschusses stimmen. Mein Ziel ist es, dass dieses Gesetz niemals wieder aus dem VA [Vermittlungsausschuss, d. Red] herauskommt“, schrieb Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer am vergangenen Samstag auf X. Ähnliche Stimmen kamen von der Bundes-CDU und der CSU. Damit war ein Ton gesetzt, den niemand bei SPD, Grünen und FDP überhören konnte, der oder die auf Nachbesserungen setzte statt Totalblockade.

Die Drohungen von Kretschmer und Co. waren Wasser auf den Mühlen von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach, der in den vergangenen Tagen die Landesregierungen einzeln beackerte, um deren Zustimmung zum Vermittlungsausschuss zu verhindern. „Detailverbesserungen machen wir, wenn das Gesetz da ist, erstmal müssen wir einen Blockadeerfolg der Union verhindern“, konnten Lauterbach und andere Ampelvertreter ihren Länderkollegen vermitteln. Die gaben schließlich nach.

Sachsen-Regierung zerlegt sich

Dabei ging Kretschmer wenige Monate vor der Landtagswahl in Sachsen all in: „Ich werde einer Legalisierung von Drogen unter keinen Umständen zustimmen, auch wenn das Ärger in meiner sächsischen Koalition gibt“, kündigte er im Bundesrat an. Sein Wirtschaftsminister Martin Dulig von der SPD bestätigte diesen Ärger umgehend. Er melde sich „aus unangenehmem Grund zu Wort“, sagte Dulig und kündigte sein Nein zum Vermittlungsausschuss an. Die beiden Vertreter des Landes taten bei der Abstimmung wie angekündigt.

„Ich stelle fest, dass das Land Sachsen nicht einheitlich und somit ungültig abgestimmt hat“, stellte die Bundesratsvorsitzenden Manuela Schwesig, Ministerpräsidentin von Mecklenburg-Vorpommern fest. Faktisch hatte sich Kretschmer damit enthalten. Genauso wie die meisten anderen Bundesländer. Bundesgesundheitsminister Lauterbach gab eine Erklärung zu Protokoll, demzufolge das Gesetz noch bis zum 1. Juni geändert werden soll für flexiblere Regelungen sowie mehr Kinder- und Jugendschutz. Es handelt sich um Zugeständnisse, die Lauterbach zur Verhinderung des Vermittlungsausschusses gemacht hatte.

CDU-Chef Friedrich Merz hat bereits angekündigt, dass eine neu gewählte CDU-geführte Bundesregierung das Gesetz rückgängig machen werde. Dafür bräuchte sie aber eine alleinige Mehrheit oder einen Koalitionspartner, der diesen Weg mitgeht. Ohnehin sieht das Gesetz aber vor, über eine ständige Evaluierung die Auswirkungen des Gesetzes auf den Kinder-, Jugend- und Gesundheitsschutz zu kontrollieren. Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Rainer Haseloff prognostizierte mehr Verkehrstote durch bekiffte Autofahrer, mehr Krebstote, weil Marihuana oft zusammen mit Tabak geraucht werde, sowie mehr Drogentote, weil Cannabis den Weg zu stärkeren Drogen ebne.

Mehr oder weniger Schwarzmarkt?

Lauterbach wies derartige Szenarien sowie den Vorwurf Kretschmers „Sie öffnen die Büchse der Pandora“ zurück. Die Zahl der Konsumenten im Alter von 12 bis 17 Jahren sowie der 18- bis 21-Jährigen habe sich zwischen 2011 und 2021 ebenso verdoppelt wie die Zahl der Drogentoten in Deutschland. „Ist die Büchse der Pandora nicht längst offen?“, fragte Lauterbach. Mit dem Cannabisgesetz werde der Schwarzmarkt zurückgedrängt und der Jugendschutz gestärkt. Mit Blick auf die Amnestieregelung sagte er: „Ich glaube, dass das ein großer Aufwand ist.“ In der Protokollerklärung sei deshalb „einiges vereinbart, wo wir Ihnen entgegenkommen“.

Wenn künftig der Eigenanbau von bis zu drei Pflanzen pro Erwachsenem in einer Wohnung, die Abgaben an Mitglieder von Anbauvereinen sowie der Besitz von bis zu 50 Gramm Cannabis legal ist, soll dies den Schwarzmarkt untergraben und Konsumenten den Bezug von weniger potenten, nicht verunreinigten Cannabisprodukten ermöglichen. „Es ist völlig realitätsfern, dass diese Anbauvereinigungen auch nur annähernd den Bedarf an Cannabis decken werden“, sagte Brandenburgs Justizministerin Susanne Hoffmann von der CDU. Berliner etwa würden sich weiter bei Dealern in Berlin eindecken, statt im umliegenden Brandenburg aufwendig auf Vereinsbasis anzubauen. „Der Schwarzmarkt wird gestärkt und die dahinter stehenden kriminellen Strukturen.“

„Cannabis wird auf dem Schwarzmarkt weiter günstiger sein, als man es aus den Cannabisvereinen bekommen wird“, glaubt auch Bayerns Gesundheitsministerin Judith Gerlach von der CSU. „Cannabis aus illegalen Produktionsquellen wird mit der Übergabe an den Konsumenten faktisch reingewaschen.“ Da privat angebaute Pflanzen ein Vielfaches des normalen Konsums abwerfen würden, werde der Überschuss von Selbstanbauern im Freundes- und Familienkreis geteilt. „Es wird also ein zusätzlicher Schwarzmarkt entstehen.“

Dies dürfte unausgesprochen auch ein Kalkül dieses Gesetzes sein, das eine derartige Weitergabe eigentlich verbietet. In der Praxis wäre es aber wohl eines der wirkmächtigsten Instrumente gegen den Schwarzmarkt, wenn freizeitgärtnernde Cannabis-Pflanzer ihren Ertrag im privaten Umfeld teilten. Die Begünstigten müssten dann zumindest nicht mehr auf tatsächlich kriminelle Strukturen zurückgreifen.

März 2024 | In Arbeit | Kommentieren

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