Rückkehr aus dem Jenseits?: Wenn Tote plötzlich wieder aufwachen

Das Herz schlägt nicht mehr, die Wiederbelebung ist erfolglos. Doch plötzlich zeigt die Person wieder ein Lebenszeichen. Wie kann das sein? Über das extrem seltene, aber gefürchtete Lazarus-Phänomen.

Es ist eine gruselige Vorstellung: Man wird zunächst für tot erklärt, um dann kurze Zeit später auf dem Obduktionstisch wieder aufzuwachen. Das sogenannte Lazarus-Phänomen kommt zwar so gut wie nie vor – ganz selten aber eben doch. Benannt ist es nach dem biblischen Lazarus, der von Jesus von den Toten auferweckt worden sein soll.

Das Phänomen kann bei Menschen mit Herz-Kreislauf-Stillstand eintreten, die nach erfolglosen notfallmedizinischen Maßnahmen anhand von unsicheren Todeszeichen – Abkühlung des Körpers, Leichenblässe, Puls nicht mehr nachweisbar – und einer Nulllinie im Elektrokardiogramm (EKG) für klinisch tot erklärt wurden – und deren Kreislauf und Atmung plötzlich wieder einsetzen.

Bei dem extrem seltenen Phänomen müsse „das Herz über einige Zeit stillgestanden haben“, erläutert Klaus Püschel, Institutsdirektor am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE). In Ausnahmefällen könne es aber trotzdem wieder anfangen zu schlagen. Wichtig für die Leichenschau-Routine sei deshalb, dass der Tod eines Menschen zunächst anhand von sicheren Todeszeichen wie Leichenflecken, Leichenstarre, Leichenfäulnis und nicht mit dem Leben vereinbaren Verletzungen festgestellt werden müsse, so Püschel.

„Die ersten 20 Minuten nach Kreislauf-Stillstand sind eine unsichere Zeit, da muss man im Zweifelsfall immer reanimieren“, betont der Facharzt der Rechtsmedizin. Erst wenn die Reanimation sicher erfolglos sei, könne man den Vorgang abbrechen. Püschel betont jedoch: „Was sicher erfolglos heißt, darüber gibt es eben keine ganz strengen Kriterien.“
Reproduktion einer Originalvorlage aus dem 19. Jahrhundert: Lazarus von Bethanien wird von Jesus wieder zum Leben erweckt.

Es ist noch nicht restlos geklärt, warum Menschen, die eigentlich erfolglos wiederbelebt wurden, wieder Lebenszeichen zeigen. Zur Häufigkeit des Phänomens gibt eine 2020 veröffentlichte Studie Hinweise: Für diese hat eine Forschungsgruppe die Fachliteratur nach bekannten Fällen seit 1982 durchforstet – damals wurde das Phänomen das erste Mal beschrieben.

Dabei fanden die Wissenschaftler weltweit nur 65 Fälle, etwa ein Drittel davon (22 Personen) überlebten den Kreislaufstillstand, 18 davon ohne neurologischen Dauerschaden. „Auch wenn es wenige scheinen, sind die Konsequenzen doch beträchtlich, wenn man an das beteiligte medizinische Personal, die Angehörigen, die rechtlichen Konsequenzen und die tägliche Anzahl der Patienten denkt, die Wiederbelebungsmaßnahmen benötigen“, erklärten die beiden Autoren und Mediziner Hermann Brugger und Peter Paal.

„Die Tatsache, dass die Mehrheit der Überlebenden keine Folgeschäden aufwies, ist von allergrößter Bedeutung“, ergänzte Mitautor Mathieu Pasquier. Aufgrund ihrer Erkenntnisse gaben die vier Forscher eine Reihe von Empfehlungen, darunter vor allem, nach Beenden einer Herz-Lungen-Wiederbelebung einen Patienten noch mindestens zehn Minuten mithilfe eines EKG zu überwachen.

Unterschied zu Scheintod

Ein etwas anders gelagerter Fall ereignete sich diesen Sommer in Südamerika. Eine in Ecuador irrtümlich für tot erklärte Frau hat Medienberichten zufolge während ihrer Totenwache wieder Lebenszeichen gezeigt. Angehörige seien gerade dabei gewesen, die vermeintliche Leiche im Sarg für die Beerdigung umzuziehen, als sie bemerkten, dass die ältere Frau noch atmete, hieß es. In diesem Fall spreche man laut Püschel von einem Scheintod.

Der Unterschied zum Lazarus-Phänomen sei, dass Ärzte bei einem Scheintoten nicht richtig untersucht und nach den sicheren Todeszeichen geschaut hätten. „Davon gibt es ja viele oder vergleichsweise mehr Fälle, wenn man die sicheren Todeszeichen eben nicht richtig festgestellt hat und jemand voreilig für tot erklärt wird“, so Püschel. „Dann kann der tatsächlich eventuell Stunden in einem Zustand eines tiefen Komas verharren und dann wieder wach werden.“ Im Extremfall könne dieses Phänomen auch in einer Leichenhalle auftreten, so Püschel. „Es wurden in der alten Literatur sogar Scheintod-Fälle beschrieben, bei denen jemand im Sarg herumkratzte.“

Es ist die Furcht, lebendig begraben zu werden, auch Taphephobie genannt. Diese brachte im 19. Jahrhundert einen sehr speziellen Verkaufsschlager hervor: den Sicherheitssarg. Dieser gab Begrabenen die Möglichkeit, im Sarg zu überleben. „Wenn man aufgewacht ist, konnte man an einer Strippe ziehen und es hat dann oben gebimmelt – Luftzuleitung inklusive“, Solche Särge gebe es heutzutage eher nicht mehr, die Angst vor dem Scheintod aber schon.

Püschel hat in seiner Laufbahn Tausende von Toten untersucht, wobei er einen Fall bis heute nicht vergessen hat, den er 2005 auch in einem deutschen Fachblatt publizierte: Damals sei eine 83-jährige Frau an einer Bushaltestelle in der Nähe der Klinik zusammengebrochen. Innerhalb weniger Minuten seien Rettungssanitäter und Notarzt vor Ort gewesen, um sie zu reanimieren. „Der Notarzt sagte auch, er habe ein EKG über längere Zeit abgeleitet und es sei eine Nulllinie gewesen“, erzählt Püschel.

Vom Abschluss der Reanimationsmaßnahmen bis zum Eintreffen der Frau im Institut für Rechtsmedizin habe es weniger als eine halbe Stunde gedauert. Im Vorraum der Kühlzelle fing das Herz der Frau dann plötzlich wieder an zu schlagen. „Ich war zufällig der diensthabende Arzt und habe dann reanimiert. Wir haben die Anästhesisten des Klinikums gerufen, und diese haben dann tatsächlich die Frau noch kreislaufstabil auf die Intensivstation gebracht.“

Meist kein EKG-Gerät in der Nähe

Nach dem Vorfall habe man sich für das Rettungssystem in Hamburg auf eine eindeutige Richtlinie geeinigt: Die Todesfeststellung einer Patientin oder eines Patienten müsse demnach nach erfolglosen Reanimationsmaßnahmen dadurch erfolgen, dass man mindestens über zehn Minuten ein Nulllinien-EKG ableitet und aufzeichnet.

Leite man sicher eine Nulllinie im Elektrokardiogramm über zehn Minuten ab, sei die Wahrscheinlichkeit, dass jemand aufwache, gleich Null, so der Rechtsmediziner. Das Problem: Das sichere Ableiten einer Nulllinie finde bei der Todesfeststellung in der Regel nicht statt. „Man kann das im Rettungseinsatz machen, wenn man ein EKG-Gerät dabeihat. Aber wenn ein Hausarzt oder der Kassenärztliche Bereitschaftsdienst zum Toten in die Wohnung geht, dann nimmt er ja meistens kein EKG mit …

Der letzte Funke Was beim Sterben im Gehirn passiert KI lässt Tote auferstehen Wollen wir die digitalen Klone unserer Verwandten wirklich?

Bei einem Wiederbelebungsversuch ist insbesondere die Geduld ein entscheidender Faktor. „Lazarus-Phänomene kommen vor allen Dingen in der Wiederbelebung vor. Deswegen sage ich immer: Man darf nie zu früh aufgeben“, betont Bernd Böttiger, Direktor der Klinik für Anästhesiologie und Operative Intensivmedizin der Uniklinik Köln.

Für ihn gilt: Lieber länger wiederbeleben als kürzer. Tatsächlich könne man auch nach zwei oder gar drei Stunden noch erfolgreich wiederbeleben. „Es wird allerdings immer unwahrscheinlicher, wenn sich jemand nach 20 oder 30 Minuten nicht stabilisiert hat“, betonte Böttiger. Unwahrscheinlich bedeute allerdings nicht unmöglich.

Nov. 2023 | In Arbeit | Kommentieren
Die drei größten Fragmente des Antikythera-Mechanismus im Nationalen Archäologischen Museum in Athen

Die drei größten Fragmentstücke des Antikythera-Mechanismus im Nationalen Archäologischen Museum in Athen

 

Frühjahr 1900 in der Ägäis: Vor der Küste der kleinen griechischen Insel Antikythera tauchen Männer nach Schwämmen. Sie dringen dabei in Tiefen von 50 Metern und mehr vor. Einer von ihnen, Ilias Stadiatis, kehrt von seinem Tauchgang mit dem bronzenen Arm einer antiken Statue zurück. Er hat ein uraltes Schiffswrack auf dem Meeresgrund gefunden.

Ein Jahr lang bringen die Schwammtaucher, die bald von der griechischen Marine unterstützt werden, zahlreiche Funde aus dem gesunkenen römischen Schiff an die Oberfläche. Die Bergungsaktion markiert den Beginn der Unterwasserarchäologie. Bei dem Wrack aus hellenistischer Zeit handelt es sich um eines der größten jemals gefundenen antiken Schiffe: es war über 50 Meter lang! Sein Untergang konnte durch die Entdeckung von Münzen aus Pergamon auf einen Zeitraum zwischen den Jahren 70 und 60 vor Christus datiert werden.

„Titanic der Antike“

Rückseite von Fragment A des Mechanismus

Rückseite von Fragment A des Mechanismus

Heute ist manchmal von der „Titanic der Antike“ die Rede, denn ein Schiff mit solch kostbarer Fracht aus dieser Zeit hat man bisher nicht nochmal gefunden. Herrliche Statuen heben die Taucher aus der Tiefe (oft leider in schlechtem Erhaltungszustand). Darunter wertvollste Bronzeplastiken (wie den sogenannten „ Jexterner LinkJüngling von Antikythera“), von denen nur sehr wenige aus der Antike erhalten geblieben sind.

Unter den Schätzen aus dem Antikythera-Wrack, die ins externer Link Nationale Archäologische Museum in Athen gebracht werden, befindet sich auch ein kleiner Klumpen korrodierten Metalls mit Resten eines hölzernen Kastens, der zunächst niemanden interessiert. Vor 120 Jahren, am 20. Mai 1902, besucht Spyridon Stais, Kulturpolitiker und Cousin des Direktors, das Magazin des Museums. Er ist der erste, der dem mittlerweile zerfallenen Bronzebrocken mit der Inventarnummer X 15087 Beachtung schenkt. Stais entdeckt, dass es sich dabei um die Reste eines komplexen feinmechanischen Apparates handeln musste. Die lokalen Zeitungen berichten darüber ( pdf-Datei mehr dazu (1,77 MB)).

Das Geheimnis der Bronzeklumpen

Statue eines Ringers aus dem Antikythera-Wrack

Statue eines Ringers aus dem Antikythera-Wrack. Gut erhalten ist nur die Seite der Figur, die im Meeresschlamm verborgen war

Zunächst nimmt man an, es handele sich um ein Astrolabium. Der Münchner Altphilologe Albert Rehm ist 1905 einer der ersten Wissenschaftler, der die bronzenen Fragmente (das größte davon misst 18 mal 15 Zentimeter) systematisch untersucht. Er vermutet an, dass es sich um eine Art Rechenmaschine handelt.

Mehr lässt sich aufgrund des Erhaltungszustands seinerzeit nicht aus den Metallklumpen ablesen. Es wird jahrzehntelang ruhig um den Fund. Erst in den 1950er Jahren befasst sich der britische Wissenschaftshistoriker Derek de Solla Price wieder intensiv mit den insgesamt 82 Bruchstücken. Er lässt sie mit Röntgen- und Gammastrahlen durchleuchten und gewinnt bahnbrechende Erkenntnisse: Verborgene Zahnräder, Inschriften und Getriebereste werden sichtbar.

„Wie ein Düsenjet in Tutenchamuns Grab“

Rekonstruiertes Schema des Räderwerks im Mechanismus

Rekonstruiertes Schema des Räderwerks im Mechanismus

Für Price ist das Fragment ein „antiker Computer“. Er sorgt dafür, dass der Mechanismus weltweit bekannt wird und zieht spektakuläre Vergleiche: So einen Mechanismus in einem römischen Wrack zu entdecken, sei „als wenn man beim Öffnen einer Pyramide eine Atombombe vorfinde“. Oder: „Als würde man einen Düsenjet im Tutenchamuns Grab entdecken“.

Der Mechanismus von Antikythera stammt aus dem späten 2. Jahrhundert v. Chr. und ist das bei weitem ausgeklügelste Gerät, das aus der Antike bekannt ist. Der Bronzeklumpen war einst ein Apparat auf einem technischen Niveau, das man Römern und Griechen bis dahin nicht zugetraut hatte. Tatsächlich brauchte die Menschheit danach mehr als eineinhalb Jahrtausende, um diesen Stand der Technik annähernd wieder zu erreichen.

Der Apparat aus dem Wrack war einst ein komplexer mechanischer „Computer“, der die Zyklen des Sonnensystems und astronomische Phänomen bestimmte. Mit ihm ließen sich die Bewegungen der von der Erde aus sichtbaren Himmelskörper darstellen. So verfügte er zum Beispiel über einen Finsterniskalender zur Anzeige von vergangenen und künftigen Sonnen- und Mondfinsternissen. Der Mechanismus bündelte das gesamte astronomische Wissen der alten Griechen und der Babylonier; er ist quasi eine Enzyklopädie der Astronomie der damaligen Zeit. Außerdem stellt er eine unerhörte mathematische und ingenieurwissenschaftliche Meisterleistung dar.

Mit modernster Technik das antike Wunder erforschen

Nachbau-Modell des Mechanismus von Mogi Vicentini, 2007

Nachbau-Modell des Mechanismus von Mogi Vicentini, 2007

In den letzten Jahrzehnten hat sich die Wissenschaft intensiv mit dem Mechanismus auseinandergesetzt. Nach Price setzten u.a. Forscher wie Michael Wright und Tony Freeth jeweils die modernsten Durchleuchtungsgeräte wie Computertomographen ein, um den Bronzeklumpen weitere Geheimisse zu entlocken.

In manchen neuen Patentanmeldungen in diesem Bereich findet sich explizit der Hinweis auf ihre Einsatzmöglichkeit bei der Durchleuchtung von Objekten wie dem Antikythera-Mechanismus, siehe „Röntgenstrahlenquelle, Hochspannungsgenerator, Elektronenstrahlenkanone, rotierende Targetanordnung“ ( pdf-Datei EP 2 973 640 B1 (1,09 MB)).

Mit den neuen Methoden konnten weitere Zahnräder (30 sind erhalten) und Bauteile im Inneren der Fragmente sichtbar gemacht und neue Aufschlüsse über ihre Anordnung gewonnen werden. Dank Spezialkameras und einer aus der Computerspieltechnik stammenden Software zur Oberflächenmodellierung vervielfachte sich außerdem die lesbare Menge des eingravierten griechischen Textes.

Was der Apparat alles anzeigen konnte

Zusammenspiel der Zahnräder im Antikythera-Mechanismus laut DE102010015501B4

Zusammenspiel der Zahnräder im Antikythera-Mechanismus laut DE102010015501B4

Der Mechanismus war ursprünglich etwa so groß wie ein dickes Buch, mit Inschriften versehen und besaß eine Kurbel an der Seite. Er hatte 3 Hauptzifferblätter, eines auf der Vorderseite und zwei auf der Rückseite. Das vordere Zifferblatt war ein Sonnenkalender mit Tages- und Monatsskala (Ägyptische Monatsnamen) und Babylonischen Tierkreiszeichen. Darin befand sich ein zweites Zifferblatt mit den griechischen Sternzeichen, das beweglich war, um Schaltjahre ausgleichen zu können. Das Zifferblatt hatte wahrscheinlich drei Zeiger, einen für das Datum und zwei weitere für die Positionen von Sonne und Mond. Es enthielt darüber hinaus auch einen zweiten Mechanismus mit einem sphärischen Modell des Mondes, das seine Phase anzeigte, also ein gebundener Mondkalender.

Die Inschriften auf der Vorderseite des Apparates verweisen auf die Planeten Mars und Venus. Man vermutet, dass der Mechanismus die Positionen aller fünf den Griechen bekannten Planeten anzeigen konnte. Er war wohl also auch ein tragbares Planetarium. Darüber hinaus bot das vordere Zifferblatt ein Parapegma, mit dem der Auf- und Untergang bestimmter Sterne angezeigt wird.

Analoger Computer

Patentierte Rekonstruktion des Antikythera-Mechanismus DE102010015501B4

Patentierte Rekonstruktion des Antikythera-Mechanismus DE102010015501B4

Das obere der beiden spiralförmigen Zifferblätter auf der Rückseite zeigte die 235 Monate des 19-jährigen Meton-Zyklus an. An einem kleineren Hilfszifferblatt darin ließ sich die 76-jährige Kallippos-Periode ablesen. Das untere hintere Zifferblatt bildete mit 223 Unterteilungen den Saros-Finsternis-Zyklus ab. Es verfügte auch über ein kleineres Nebenzifferblatt, das den 54jährigen Exeligmos-Zyklus anzeigte.

Und schließlich gab es einen Olympiaden-Kalender für den Vierjahreszeitraum zwischen den Olympischen Spielen, in dem regelmäßig weitere Wettkämpfe, die Panhellenischen Spiele, stattfanden, deren Orte ebenfalls angezeigt wurden.

Mehrfach wurde versucht, den Mechanismus nachzubauen. Die meisten Modelle sind mittlerweile aufgrund der neuen Forschungserkenntnisse überholt. Vor einigen Jahren ließ sich der Ingenieur Theodor Sartoros sein Modell beim DPMA patentieren: „Mechanismus von Antikythera mit Planetarium, Kalender und (elektrisch oder hydraulisch) betriebener Uhr“ ( pdf-Datei DE 10 2010 015 501 B4 (1,64 MB)).

Ein Werk des Archimedes?

Vorderseite von Fragment A

Vorderseite von Fragment A

Wie aber hieß das Genie, das dieses technische Wunderwerk vor rund 2200 Jahren erschaffen hat? Lange vermutete man, der Mechanismus stamme aus Rhodos, wo Hipparchos lebte (ca 190 – 120 v. Chr.). Der Geograph und Mathematiker gilt als einer der größten Astronomen der Antike; er entwickelte u.a. ein quantitatives geometrisches Modell für die Anomalie der Mondbewegung. Der Mechanismus enthielt eine mechanische Umsetzung dieses Modells.

Andererseits sind die Monatsnamen des Mondkalenders auf dem Mechanismus in korinthischem Griechisch gehalten, was ein Hinweis darauf ist, dass der Apparat aus Korinth oder einer seiner ehemaligen Kolonien stammen könnte, etwa aus Syrakus. Dort lebte der große Archimedes (um 287 bis 212 v. Chr.), von dem überliefert ist, dass er ein Sphärenmodell konstruiert hat.

Bis heute inspiriert der Mechanismus Erfinder, etwa den Anmelder von pdf-Datei DE102008034718A1 (1,06 MB), der sein „Gnomonisches Messgerät“ (einen analogen Positionsbestimmer) „Apolytarios“ nennt, nach der Südspitze Antikytheras, wo der Apparat gefunden wurde.

Noch viele Fragen offen

Ein Taucher findet 2017 den Arm einer Bronzestatue im Antikythera-Wrack

„Return to Antikythera“-Projekt: Ein Taucher findet 2017 den Arm einer Bronzestatue im Wrack

Wofür der aufwändige und teure Apparat genau angefertigt wurde, ist auch nach über einem Jahrhundert Forschung letztlich unklar. Die Vorhersage von Himmelsphänomen konnte damals den Herrschenden zur spirituellen Untermauerung ihrer Machtansprüche nützlich sein. Seefahrer wären für ein solches Instrument bei der Navigation sicher dankbar gewesen. Professionellen Astronomen dürfte der Mechanismus eine wertvolle Hilfe gewesen, noch mehr aber interessierten und zahlungskräftigen Laien. Man hat mittlerweile herausgefunden, dass die Inschriften auf der Vorderseite praktisch einer Gebrauchsanweisung gleichkommen. Gut möglich, dass der Mechanismus einem sehr reichen Bürger gehörte. Ein Hightech-Gadget für antike Millionäre mit Interesse an den Sternen?

Das Wrack von Antikythera wird auch über ein Jahrhundert nach seiner Entdeckung noch weiter erforscht. Der berühmte Jaques Cousteau unternahm in den 1950er und 1970er Jahren Expeditionen zum Schiff. 2012 starte das griechische Kultusministerium eine externer Link neue Kampagne, die immer noch läuft und weitere spannende Funde erbrachte: Keramikgefäße, Öllampen, Goldschmuck, Silber- und Bronzemünzen, Bronzestatuetten, feine Glasobjekte, Elemente von Marmorskulpturen und sogar menschliche Skelettreste, von denen man sich wichtige Erkenntnisse erwartet. Man hofft sogar darauf, weitere Teile des Mechanismus zu finden. Die Erforschung des Wracks und des Mechanismus von Antikythera ist jedenfalls noch lange nicht zu Ende. Zuletzt meldeten Forscher in der Zeitschrift externer Link „Nature“ weitere Fortschritte bei der Rekonstruktion des Apparats.

 

Text: Dr. Jan Björn Potthast; Bilder: Nationales Archäologisches Museum Athen (NAMA) Joy_of_Museum_via Wikimedia Commons, via Wikimedia Commons, NAMA Athen K. Xenikakis – Copyright Hellenic Ministry of Culture and Sports, via Wikimedia Commons, Mogi Vicentini CC BY-SA 3.0 Wikimedia Commons, via Wikimedia Commons, Hellenisches Ministerium für Kultur und Sport

Nov. 2023 | Heidelberg, In Arbeit | Kommentieren

Ein 9. November markiert auch für Japan eine Zeitenwende. In der Folge wandelte sich der Feudalstaat im Turbo-Tempo zu einer ökonomischen, technologischen und wissenschaftlichen Weltmacht.

Er hatte sich das etwas anders vorgestellt. Und abgesprochen war es auch anders. Aber so richtig angeschmiert waren letztendlich vor allem seine Gegner.

Am 9. November 1867, heute vor 156 Jahren, trat Tokugawa Yoshinobu, der 15. Shōgun Japans, von seiner de facto Alleinherrschaft zurück. Er übergab die Macht formal dem bis dahin de facto vor allem zeremoniell agierenden Kaiser. Der Schritt war Teil einer Reform-Abmachung mit jenem jungen „Tenno“ und einflussreichen Samurai. Demnach sollte Yoshinobu danach die wichtige Funktion des Chefs einer Art Ältestenversammlung innehaben. Genau jene Samurai verschworen sich aber gegen ihn, inklusive gefälschter Dokumente. Letztlich lenkte der Ex-Shōgun ein. Er ersparte dem Land damit einen Bürgerkrieg und zog sich weitgehend ins Privatleben zurück.

Demontage des alten Adels

Die Samurai selbst hatten nicht viel von ihrem Coup. Vielmehr wurden ihnen bald ihr üppiges Einkommen und viele ihrer Sonderrechte entzogen. Zu letzteren gehörte auch, Leute, die sich nicht respektvoll verhielten, schnell mal zu exekutieren.

Mit dem Abdanken des Shōguns begann in Japan der Prozess der Meiji-Restauration, benannt nach dem damaligen Kaiser: die Reformierung und Öffnung des bis Mitte des 19. Jahrhunderts komplett abgeschotteten Feudalstaates hin zur Moderne.

Turbo-Modernisierung

Innerhalb weniger Jahrzehnte entwickelte sich das Land der Schwertkämpfer und Geishas zu einer technologischen und militärischen Macht, die bald auch offensiv und siegreich regionale Kriege führte. Experten für Wissenschaft und Technik aus dem Ausland wurden angeworben. Heute weltweit agierende Unternehmen wurden gegründet.

Trotzdem lief das Land 1945 als Verbündeter Hitler-Deutschlands in die bekannte Katastrophe. Doch es folgte ein erneuter Aufstieg zur technologischen und auch wissenschaftlichen Macht. Den ersten Nobelpreis für einen Japaner gab es 1949. Bis heute sind es 29, allesamt für Männer. Das ist Platz sieben in der Länderwertung.

Frühes Symbol der japanischen Zeitenwende: die Ewigkeits-Uhr des Toshiba-Gründers Hisashige Tanaka aus der Mitte des 19. Jahrhunderts.

Japan sieht sich gegenwärtig den verschiedensten Problemen gegenüber, von der zunehmenden Bedrohung durch China bis hin zu einer stark überalterten Bevölkerung. Es hat aber nach wie vor das vierthöchste Bruttoinlandprodukt weltweit.

Der letzte Shōgun, der nur etwas länger als ein Jahr an der Macht gewesen war, widmete sich bis zu seinem Tode 1913 vor allem eher traditionellen Aktivitäten wie der Malerei und dem Bogenschießen. Ein sehr modernes Hobby allerdings hatte er auch: die Fotografie.

Lesen Sie alle bisher erschienenen Folgen der Tagesrückspiegel-Kolumne hier.

Nov. 2023 | In Arbeit | Kommentieren

Die Islamisierung des pakistanischen Bildungssystems schreitet voran. Geistliche zwingen einen Professor zu der Erklärung, die Evolutionstheorie widerspräche islamischem Recht. Akademiker in Pakistan sind besorgt.

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Screenshot X Professor Sher Ali Inquisition
Professor Sher Ali (Mitte) musste erklären, dass er alle wissenschaftlichen Meinungen, die der Scharia und den göttlichen Geboten zuwiderlaufen, für falsch hältBild: X/Niazbeen

In der Provinz Khyber Pakhtunkhwa im Nordwesten Pakistans haben islamische Geistliche einen College-Professor kürzlich gezwungen, die Evolutionstheorie von Charles Darwin zu verurteilen. Unter den Akademikern des südasiatischen Landes hat dies eine Welle der Besorgnis ausgelöst.

In seinem 1859 veröffentlichten bahnbrechenden Werk „Über die Entstehung der Arten“ hatte der britische Naturforscher argumentiert, biologische Arten würden sich im Laufe der Zeit verändern, weil sie Eigenschaften annähmen, die ihr Überleben und ihre Fortpflanzung begünstigen. Darwins Theorien revolutionierten das damalige wissenschaftliche Denken.

Warum haben die Geistlichen eingegriffen?

Die Ablehnung  von Darwins Theorien durch islamische Geistliche alarmiert nun Akademiker in ganz Pakistan. College-Professor Sher Ali, der am Government Post Graduate College, einer staatlichen Hochschule in Bannu, als Assistenzprofessor für Zoologie tätig ist und dort auch Darwins Evolutionstheorie lehrt, zog den Unmut der Geistlichen nach einer Rede über die Rechte der Frauen im Islam auf sich. Kurz zuvor hatte es in der Stadt Proteste gegen Frauen gegeben, die sich nicht an die traditionelle islamische Kleiderordnung hielten.

Nach seiner Rede Anfang Oktober beschuldigten Geistliche den Professor, Ausschweifungen Vorschub zu leisten und sich nicht nur in seiner Rede, sondern auch in seinen Vorlesungen gegen den Islam auszusprechen.

Ali wies darauf hin, dass Darwins Evolutionstheorie in einem der Kapitel der in seinem Kurs verwendeten Textbücher behandelt würde und es somit seine Aufgabe sei, in seinen Vorlesungen darauf einzugehen.

Wie Rafiullah Khan, ein Mitglied des Ortsverbandes Bannu der pakistanischen Menschenrechtskommission, berichtet, hatte Ali seine Position in den sozialen Medien, in denen ihm mehr als 20.000 Menschen folgen, dargelegt.

„Ali bat jene, die ihm Vorhaltungen machen, dass er Darwins Evolutionstheorie unterrichtet, sich an die Gerichte zu wenden und dafür zu sorgen, dass dies verboten würde. Er betonte, dass es seine Aufgabe sei, die Evolutionstheorie zu unterrichten und dass er dafür von der Regierung bezahlt würde.“

Öffentliche Verurteilung von Darwins Theorien

Vergangene Woche wurde Ali jedoch gezwungen, sich öffentlich für seine Ansichten und für die Lehre von Darwins Theorien zu entschuldigen. In den sozialen Medien gingen Videos viral, die Ali – umgeben von Geistlichen  – bei einer öffentlichen Stellungnahme zeigen. Darin heißt es, er erachte alle wissenschaftlichen Meinungen, die der Scharia, dem islamischen Gesetz, widersprechen – wie die Evolutionstheorie Darwins – für falsch.

„Gemäß der Scharia sind Frauen den Männern intellektuell unterlegen“, liest Ali in seiner eidesstattlichen Erklärung vor. Eine Kopie dieser Erklärung liegt der DW vor.

„Damit ist für mich zu diesem Thema alles gesagt. Ich bin überzeugt, dass Frauen sich von Kopf bis Fuß verhüllen müssen, wenn sie das Haus verlassen, und dass sie dies nur tun sollten, wenn es unumgänglich ist“, heißt es weiter in der Erklärung.

Zahlreiche Akademiker weisen darauf hin, dass die Evolutionstheorie schon immer zu Debatten und Meinungsverschiedenheiten geführt hat. Laut Farhat Taj, einem prominenten paschtunischen Intellektuellen und Professor, war Darwins Evolutionstheorie auf pakistanischen Lehrplänen schon immer ein Streitpunkt.

„Wer auch immer durchscheinen ließ, dass er ansatzweise an diese Theorie glaubt, wurde lächerlich gemacht. Das ist noch immer so. In Bannu wurde ein Professor von Geistlichen traumatisiert, weil er Evolutionstheorie unterrichtete.“

In Pakistans Bildungsinstitutionen geht die Angst um

Faizullah Jan ist Professor an der Universität von Peschawar. Er ist überzeugt, dass ein objektiver Unterricht nicht nur in Bezug auf Darwins Evolutionstheorie unmöglich ist, sondern auch bei einer Reihe anderer Themen. Denn erst kürzlich hat die Regierung Universitätsrektoren in einem Schreiben aufgefordert, das Thema Feminismus aus dem Lehrplan zu streichen.

„In dem Schreiben stand, dass die Gefahren von Atheismus und Feminismus sich in pakistanischen Institutionen wie eine Krankheit ausbreiten und das moralische Gefüge der pakistanischen Gesellschaft zerstören würden“, so Faizullah Jan.

Er ist überzeugt, dass diese Einschränkungen nicht das Ende sein werden. „Heute halten wir Lehrer davon ab, über Darwins Theorie zu sprechen. Morgen werden wir sie auffordern, nichts über die negativen Seiten des Patriarchats zu sagen. Und dann werden andere Themen folgen.“

BG Charles Darwin | Abstammung des Menschen und die Selektion in Bezug auf das Geschlecht
Darwins Theorien führen nicht nur in Pakistan zu Auseinandersetzungen

Aktivisten zufolge beschränkt sich die erdrückende Atmosphäre und der Einfluss der Geistlichen nicht nur auf einige Regionen oder Provinzen, sondern ist mittlerweile in ganz Pakistan und auch jenseits der Grenzen zu spüren. Viele konservative Religionsgruppen und Staaten hätten Schwierigkeiten damit, wissenschaftliche Belege für die Evolution anzuerkennen oder lehnten sie ganz ab.

So erweiterte Indiens Nationaler Rat für Bildungsforschung und Ausbildung, der für die Entwicklung von Lehrplänen und Textbüchern zuständig ist, zu Beginn des Jahres die Liste der nicht zu behandelnden Themen unter anderem um Darwins Evolutionstheorie.

Laut Professor Abdul Hameed Nayyar, der früher an der Quaid-i-Azam University in Islamabad lehrte, haben solche Veränderungen in der Bildung seit den 1980ern Fahrt aufgenommen. In Chemie wurde Schülern zum Beispiel beigebracht, dass sich Sauerstoff und Wasserstoff nicht automatisch zu Wasser verbinden, erläutert Nayyar gegenüber der DW.

„Stattdessen erzählte man ihnen, dass sie sich durch den Willen Gottes zu Wasser verbinden. Das zeigt, wie weit die Islamisierung von Bildung und Lehrplänen fortgeschritten ist.“

Nayyar ist überzeugt, dass dies vollständig im Widerspruch zum wissenschaftlichen Denken steht. „Wissenschaftliches Denken zeigt uns, welche wissenschaftlichen Fakten existieren. Das ist überall auf der Welt gleich.“

 

Nov. 2023 | In Arbeit | Kommentieren

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Nov. 2023 | In Arbeit | Kommentieren

Das wird von interessierter Seite aus immr mal wieder erzählt, unter die Leute gebracht und gehegt – und gepflegt und geweckt.
„Seit mehr als 3000 Jahren ist durchgehend eine jüdische Bevölkerung im heutigen Israel nachweisbar, der Definition nach kann es sich also gar nicht um einen „jüdischen Kolonialkonflikt“ handeln, was – Propaganda sei Dank – im entsprechenden Diskurs meist weggelassen wird. Noch leichter aber erkennbar ist, dass viele der Juden in Israel sephardischer Abstammung sind. Und jene deutschen Empörten, die von Israel als ‚rassistischem Regime‘ sprechen, dürften nicht einmal den Begriff Sepharden kennen. Aber, diese Menschen waren in den vergangenen Jahrhunderten bis zur massenhaften, manchmal pogromhaften Vertreibung durch Muslime im 20. Jahrhundert vor allem in Nordafrika ansässig. Und so, wie sich die deutsche Öffentlichkeit ‚Nordafrikaner‘ vorstellt, sähen sie auch aus. Vor allem, aber nicht nur die linken und liberalen Öffentlichkeiten haben sich zum Glück gegen Rassismus sensibilisiert.
Aber genau diese Sensibilisierung wird von der Propaganda zur Emotionalisierung ausgenutzt, um das falsche Bild von knallweißen, jüdischen Kolonialisten zu zeichnen, die die arme braune, einheimische Bevölkerung verdrängt – oder Schlimmeres.“
Wie damals der IS instrumentalisiere die Terrororganisation die Gewalt gegen Frauen, um damit vom westlichen Lebensmodel enttäuschte junge Männer zu gewinnen. „Die sexualisierte Gewalt, die diesen Frauen angetan wird, ist Gewalt von Männern. Sie ist aber auch Gewalt für Männer. Männer als Täter. Männer, die Frauen als Bedrohung empfinden, als Publikum, als Agitationsgegenstand. Frauen als Schlachtfeld männlicher Machtdemonstration. Entmenschlichung von Frauen als Werbebotschaft an andere Männer. Und auf der anderen Seite eine erstaunlich stumme feministische Internationale. Großes Schweigen. Relativierungen. Im besseren Fall Kontextualisierungen. In allen Fällen kaum Aufschrei, nur wenig intellektuelle Prominenz, die den Hass der Terroristen auf Frauen klar benennt. Aus der Sorge heraus, für rassistisch gehalten zu werden?“

In den sozialen Medien hat sich binnen weniger Tage eine Welle an antisemitischem Hass entladen, konstatiert ebenfalls der Historiker Volker Weiß entsetzt in der SZ. Was dabei besonders erschreckt, ist, wie gerne Aktivisten sofort den Narrativen der Hamas aufgesessen sind – besonders in Deutschland. So könne sich Israel nicht mehr auf die Garantien, aus den Fehlern der Vergangenheit gelernt zu haben, verlassen. „Rechte wollen sich von der historischen Last befreien, an die sie die Gedenkpolitik erinnert. Linke schlagen das Judentum nach alter antisemitischer Art dem Establishment zu. Die liberale Mitte verharrt in ihrem Bedürfnis nach Äquidistanz – und die meisten Bürgerinnen und Bürger wollen am Sonntagnachmittag lieber einen letzten Kaffee in der Herbstsonne trinken, als auf die Demo für die Opfer der Hamas zu gehen. Es gibt eine dünne Schicht aus Staatsspitze und Menschen, die sich noch nicht im Kulturrelativismus aufgegeben haben. Doch es sind ganz außerordentlich fragile Abhängigkeiten, an die das jüdische Leben in Europa geknüpft ist. Aus diesem Grund wurde Israel gegründet.“

Der 7. Oktober zeigt: Antisemitische Narrative haben nie aufgehört in den Köpfen der Menschen zu bestehen, stellt Jacques Schuster in der Welt fest. Dies rufe in den Köpfen der Juden ein altes Trauma wach. „Der 7. Oktober hat diese kollektive Erinnerung – in Heinrich Heines Worten: diesen ‚ungeheuren Judenschmerz‘ – wieder nach oben getrieben, genau wie die ebenfalls uralte, fast irrsinnig machende Ratlosigkeit, wie dem Antisemitismus zu begegnen sei: Ist der Jude intelligent, dann ist er zersetzend; ist er Soldat, ist er Militarist; ist er gewandt, ist er ein Anbiederer; ist er zurückgezogen, heißt man ihn einen Luftgeist im Nirgendwo; ist er Teil einer schweigenden Mehrheit, muss er ein Duckmäuser sein; lebt er in der Diaspora, gehört er nicht wirklich dazu; baut er sich einen Staat, ist er ein imperialistischer Landräuber.“
 Die Hamas ist nicht das palästinen
sische Volk. Benjamin Netanyahu und Itamar Ben-Gvir sind nicht alle Israeli“, betont der englische Historiker Simon Sebag Montefiore, der die Linke im NZZ-Gespräch fragt, weshalb sie hier mit zweierlei Maß misst und festhält: „Sogar wenn man gegen Israel ist: In welcher Gesellschaft betrachtet man Menschen als Siedler, wenn sie dort bereits seit über hundert Jahren leben? Mit diesem falschen Argument wird die Tötung unschuldiger Menschen gerechtfertigt. (…) Das Narrativ entstand aus einem gefährlichen Mix aus sowjetischer Propaganda, marxistischer Dialektik, amerikanischer Antirassismustheorie und traditionellem Antisemitismus. Wir haben zugelassen, dass Aktivisten an die Spitzen unserer Universitäten und humanitären NGO – also von Institutionen des freien Denkens – kommen, die diese Ideologien vertreten. In Harvard, an der Penn und anderen Universitäten in den USA sieht man nun, wozu das führt. Zum Glück ist dieses Problem einfach zu lösen: Niemand muss in Harvard studieren oder lehren. Spender und Geldgeber haben die Wahl, ob sie solche Einrichtungen weiterhin finanzieren wollen.“

 

 

Auf den „Glauben und Zweifeln“-Seiten der Zeit erzählt Evelyn Finger unter anderem von Rabbi Ron Li-Paz, der vergangenen Sonntag am Rande der Messe im Petersdom bei den Kurienkanälen nachfragte, ob es möglich sei, mit dem Papst über die Angst der Juden zu sprechen: „Das ist der Moment, in dem mehrere Geistliche peinlich berührt die Stirn runzeln oder mitleidig lächeln. Einige wissen wohl: Papst Franziskus hat zwar im Beisein von Kardinalstaatssekretär Parolin mit Raphael Schutz, dem israelischen Botschafter beim Heiligen Stuhl, gesprochen, will aber von der langen Liste jüdischer Bittsteller vorerst niemanden mehr empfangen. Keine Angehörigen der Geiseln, keine Überlebenden des Massakers – obwohl die bei Italiens Präsident Mattarella waren. Warum nicht? Weil, heißt es vertraulichst aus der Kurie, dies im Krieg zwischen der Hamas und Israel als Parteinahme missverstanden würde. Es gibt aber Vatikandiplomaten, die finden das falsch. Auch das Schweigen eines Papstes werde politisch interpretiert. Auch Nichtstun könne Sünde sein. Ein Friedensgebet für die Kriegsopfer, wie vergangenen Freitag im Petersdom, genüge nicht.“

Auch der ökumenische Rat der Kirchen (ÖRK) hatte nach dem Massaker „beide Konfliktparteien“ gebeten, „zur Deeskalation beizutragen“ – eine moralische Bankrotterklärung in mehrfacher Hinsicht, schreiben in der FAZ die evangelischen Theologen Gabriele und Peter Scherle: „Was sind die Gründe? Im Blick auf den Staat Israel setzte sich im ÖRK seit den Sechzigerjahren eine Lesart durch, die davon ausgeht, der Staat sei Ausdruck eines Siedler-Kolonialismus und Vorposten des US-amerikanischen Imperialismus im Nahen Osten. Nach dieser Lesart sind Juden im Staat Israel in erster Linie Täter. Werden Juden zu Opfern, sind sie demnach selbst Schuld, weil es sich um Notwehr derer handelt, die sich gegen die koloniale Macht und den ‚globalen Westen‘ zur Wehr setzen. In solch einer politisch unterkomplexen Deutung des Nahostkonfliktes wird übergangen oder übersehen, dass es sich bei der Hamas um eine reaktionär-islamistische Miliz handelt, die nicht nur die Vernichtung der Juden und des Staates Israel anstrebt, sondern auch die palästinensische Bevölkerung unter ein theokratisch-gewalttätiges Regime zwingt. Die dschihadistische Hamas vertritt nicht, sondern verrät die Interessen der Palästinenser.“

Nov. 2023 | In Arbeit | Kommentieren

Auf den „Glauben und Zweifeln“-Seiten der Zeit erzählt Evelyn Finger unter anderem von Rabbi Ron Li-Paz, der vergangenen Sonntag am Rande der Messe im Petersdom bei den Kurienkanälen nachfragte, ob es möglich sei, mit dem Papst über die Angst der Juden zu sprechen: „Das ist der Moment, in dem mehrere Geistliche peinlich berührt die Stirn runzeln oder mitleidig lächeln. Einige wissen wohl: Papst Franziskus hat zwar im Beisein von Kardinalstaatssekretär Parolin mit Raphael Schutz, dem israelischen Botschafter beim Heiligen Stuhl, gesprochen, will aber von der langen Liste jüdischer Bittsteller vorerst niemanden mehr empfangen. Keine Angehörigen der Geiseln, keine Überlebenden des Massakers – obwohl die bei Italiens Präsident Mattarella waren. Warum nicht? Weil, heißt es vertraulichst aus der Kurie, dies im Krieg zwischen der Hamas und Israel als Parteinahme missverstanden würde. Es gibt aber Vatikandiplomaten, die finden das falsch. Auch das Schweigen eines Papstes werde politisch interpretiert. Auch Nichtstun könne Sünde sein. Ein Friedensgebet für die Kriegsopfer, wie vergangenen Freitag im Petersdom, genüge nicht.“

Auch der ökumenische Rat der Kirchen (ÖRK) hatte nach dem Massaker „beide Konfliktparteien“ gebeten, „zur Deeskalation beizutragen“ – eine moralische Bankrotterklärung in mehrfacher Hinsicht, schreiben in der FAZ die evangelischen Theologen Gabriele und Peter Scherle: „Was sind die Gründe? Im Blick auf den Staat Israel setzte sich im ÖRK seit den Sechzigerjahren eine Lesart durch, die davon ausgeht, der Staat sei Ausdruck eines Siedler-Kolonialismus und Vorposten des US-amerikanischen Imperialismus im Nahen Osten. Nach dieser Lesart sind Juden im Staat Israel in erster Linie Täter. Werden Juden zu Opfern, sind sie demnach selbst Schuld, weil es sich um Notwehr derer handelt, die sich gegen die koloniale Macht und den ‚globalen Westen‘ zur Wehr setzen. In solch einer politisch unterkomplexen Deutung des Nahostkonfliktes wird übergangen oder übersehen, dass es sich bei der Hamas um eine reaktionär-islamistische Miliz handelt, die nicht nur die Vernichtung der Juden und des Staates Israel anstrebt, sondern auch die palästinensische Bevölkerung unter ein theokratisch-gewalttätiges Regime zwingt. Die dschihadistische Hamas vertritt nicht, sondern verrät die Interessen der Palästinenser.“

Auf den „Glauben und Zweifeln“-Seiten der Zeit erzählt Evelyn Finger unter anderem von Rabbi Ron Li-Paz, der vergangenen Sonntag am Rande der Messe im Petersdom bei den Kurienkanälen nachfragte, ob es möglich sei, mit dem Papst über die Angst der Juden zu sprechen: „Das ist der Moment, in dem mehrere Geistliche peinlich berührt die Stirn runzeln oder mitleidig lächeln. Einige wissen wohl: Papst Franziskus hat zwar im Beisein von Kardinalstaatssekretär Parolin mit Raphael Schutz, dem israelischen Botschafter beim Heiligen Stuhl, gesprochen, will aber von der langen Liste jüdischer Bittsteller vorerst niemanden mehr empfangen. Keine Angehörigen der Geiseln, keine Überlebenden des Massakers – obwohl die bei Italiens Präsident Mattarella waren. Warum nicht? Weil, heißt es vertraulichst aus der Kurie, dies im Krieg zwischen der Hamas und Israel als Parteinahme missverstanden würde. Es gibt aber Vatikandiplomaten, die finden das falsch. Auch das Schweigen eines Papstes werde politisch interpretiert. Auch Nichtstun könne Sünde sein. Ein Friedensgebet für die Kriegsopfer, wie vergangenen Freitag im Petersdom, genüge nicht.“

Auch der ökumenische Rat der Kirchen (ÖRK) hatte nach dem Massaker „beide Konfliktparteien“ gebeten, „zur Deeskalation beizutragen“ – eine moralische Bankrotterklärung in mehrfacher Hinsicht, schreiben in der FAZ die evangelischen Theologen Gabriele und Peter Scherle: „Was sind die Gründe? Im Blick auf den Staat Israel setzte sich im ÖRK seit den Sechzigerjahren eine Lesart durch, die davon ausgeht, der Staat sei Ausdruck eines Siedler-Kolonialismus und Vorposten des US-amerikanischen Imperialismus im Nahen Osten. Nach dieser Lesart sind Juden im Staat Israel in erster Linie Täter. Werden Juden zu Opfern, sind sie demnach selbst Schuld, weil es sich um Notwehr derer handelt, die sich gegen die koloniale Macht und den ‚globalen Westen‘ zur Wehr setzen. In solch einer politisch unterkomplexen Deutung des Nahostkonfliktes wird übergangen oder übersehen, dass es sich bei der Hamas um eine reaktionär-islamistische Miliz handelt, die nicht nur die Vernichtung der Juden und des Staates Israel anstrebt, sondern auch die palästinensische Bevölkerung unter ein theokratisch-gewalttätiges Regime zwingt. Die dschihadistische Hamas vertritt nicht, sondern verrät die Interessen der Palästinenser.“

Nov. 2023 | In Arbeit | Kommentieren

Das Aushandeln von Koalitionsverträgen ist eine heikle Angelegenheit. Die Wähler erwarten, dass sich endlich eine neue Regierung konstituiert und an die Arbeit macht, potenzielle Minister und frisch gewählte Parlamentarier scharren ungeduldig mit den Hufen. Wenn eine Partei dann auch noch gerade vom Wähler abgewatscht wurde, aber unbedingt an der Macht bleiben will, lässt sie sich mitunter zu Kompromissen breitschlagen, die ihr dann später leidtun.

So geschehen in Baden-Württemberg bei der CDU: Nach der Landtagswahl im Frühjahr 2021 gaben die geschwächten Christdemokraten, obgleich schon damals widerstrebend, dem grünen Seniorpartner bei einem Wunsch nach, den sie nun am liebsten wieder einkassieren würden. Grün-Schwarz hat sich nämlich verpflichtet, auch auf Landes- und Kommunalstraßen eine Lastwagen-Maut einzuführen – selbst dann, wenn Baden-Württemberg das einzige Bundesland in ganz Deutschland mit dieser Art des Abkassierens bliebe.

Das Versprechen ist der CDU nun offenkundig höchst unangenehm. Fast flehentlich appellierte ihr verkehrspolitischer Sprecher Thomas Dörflinger an die Grünen, angesichts der „massiv eingetrübten wirtschaftlichen Lage“ doch bitte ein Einsehen zu haben. Schließlich habe im Frühjahr 2021 doch niemand voraussehen können, dass die wenige Monate später gewählte Berliner Ampel eine Verdoppelung der Maut auf Autobahnen und Bundesfernstraßen plane. „Wir müssen unsere Unternehmen unterstützen, indem wir sie nicht mit neuen Abgaben belasten“, so der Fraktionsvize.

Doch die Grünen in Baden-Württemberg bleiben stur: Der Gesetzesentwurf soll kommen, bekräftigt Verkehrsminister Winfried Hermann, der mit der Landes-Maut die Straßen sanieren und die Verkehrswende finanzieren will. Daher wankt Hermann, der in seinen nunmehr zwölf Jahren als Landesverkehrsminister schon oft als „Autohasser“ beschimpft wurde, diesen Vorwurf aber kategorisch zurückweist, keinen Zentimeter: „Maßgeblich ist für uns weiterhin uneingeschränkt der Koalitionsvertrag.“

Baden-Württemberg würde damit zum gallischen Dorf, das sich mit einem eigenen Wegzoll vom Rest der Republik absetzt. Und das, obwohl der Bundestag ohnehin gerade erst einem CO₂-Aufschlag bei der Maut zugestimmt hat, durch den die Straßennutzungsgebühr für Lastwagen ab 1. Dezember um satte 83 Prozent steigt. Das werden auch die Verbraucher zu spüren bekommen, erwarten Logistik-Experten: „Wir gehen davon aus, dass die Kosten an die Kunden weitergegeben werden“, so Patrick Lepperhoff, Experte für Lieferkettenmanagement bei der Beratungsgesellschaft Inverto.

Außerdem gilt die bundesweite Mautpflicht ab Juli 2024 auch für kleinere Transporter ab 3,5 Tonnen, nicht länger nur für schwere Brummis. Lediglich Handwerker-Kleinlaster bleiben ausgenommen.

„Krachend gescheitert“

Gegen das zusätzliche „Eintrittsgeld“ ins Ländle opponieren nicht nur SPD, FDP und AfD, vor allem die Wirtschaft läuft Sturm. Der baden-württembergische Unternehmerverband warnt vor einem „klaren Wettbewerbsnachteil für unsere Unternehmen“, der insbesondere die Firmen im ländlichen Raum hart treffen würde. „Die baden-württembergische Landesregierung ist im vergangenen Jahr im Bundesrat aus gutem Grund damit gescheitert, die Lkw-Maut über eine bundesgesetzliche Regelung auch auf Landes- und Kommunalstraßen auszudehnen“, sagt Hauptgeschäftsführer Oliver Barta.

Tatsächlich hatte sich der Verkehrsminister an das im Koalitionsvertrag festgeschriebenen Vorgehen gehalten und zunächst versucht, andere Länder mit ins Boot zu holen. Dabei sei er „krachend gescheitert“, wie er selbst eingestand. Nun hält er sich weiter an den Vertragstext, der da lautet: Dann machen wir es eben allein.

Details dazu, wann Lkw-Fuhrparks eine Straßengebühr im Südwesten blüht, wie hoch sie ausfallen könnte und wie sie abgewickelt wird, sind zwar noch offen. Auch einen Zeitplan gebe es noch nicht, so die Sprecherin. Zur Erhebung genutzt werden könne die Technologie, die in Lastwagen ohnehin installiert sei, sagte sie. „Ein solches System wäre auch für die Lkw-Maut auf Landes- und Kommunalstraßen geeignet, zumal es sich hierbei um ein erprobtes und bewährtes System handelt.“ Ob die Sonder-Maut aus rechtlicher Sicht überhaupt erhoben werden darf, obwohl das Projekt im Bundesrat durchgefallen war, habe man bereits prüfen lassen.

Doch dass das rechtlich tatsächlich so einfach möglich ist, sehen andere skeptischer, allen voran die FDP in Baden-Württemberg. Deren FDP-Verkehrsexperte Christian Jung brachte in der „Schwäbischen Zeitung“ die Rolle des bundeseigenen Technologie-Dienstleisters Toll Collect, der die Autobahn-Maut eintreibt, ins Spiel. Die Ampel-Parteien in Berlin hätten zufolge die Bundesregierung beauftragt zu bewerten, ob Landesvorstöße bei der Maut aus Sicht des Bundes überhaupt statthaft seien, so Jung. Noch liegen keine Ergebnisse vor. Aber niemand könne wollen, dass der Wirtschaftsstandort Baden-Württemberg zu einer „Sondermautzone“ werde, warnt Jung. „Es ist den Grünen gar nicht bewusst, was sie mit ihrer Politik anrichten.“

Logistiker empfinden die Ausweitung und Verteuerung der Maut auch deshalb als Affront und Abzocke, weil ein Ausweichen fast unmöglich sei. „Wir sind darauf angewiesen, unsere Güter auf der Straße zu transportieren“, sagte Dirk Jandura, Präsident des Bundesverbandes Großhandel, Außenhandel, Dienstleistungen (BGA).

Eine Verlagerung auf die Schiene werde durch die schlechte Infrastruktur verhindert. Und Lastwagen mit Elektro- oder Wasserstoffantrieb, für die es Vergünstigungen gebe, würden bisher kaum geliefert.

Allerdings gab es in der Vergangenheit neben Hermann durchaus auch Befürworter für eine Maut auf kommunalen Straßen, allen voran der Deutsche Städte- und Gemeindebund (DStGB). „Schlaglöcher, Lärm und dreckige Luft durch Lkw sind nicht nur ein Problem für Bundesstraßen, sondern vor allem für die Straßen in den Kommunen“, hieß es in einer Stellungnahme von Hauptgeschäftsführer Gerd Landsberg zur Maut-Ausweitung auf Bundesfernstraßen.

Baden-Württemberg verspricht sich durch die Extra-Maut Einnahmen von 200 Millionen Euro, jeweils die Hälfte für das Land und die Kommunen. Vorausgesetzt, es kommt je zu dem Gesetz. Dazu müsste es aber den Landtag passieren und Zustimmung auch von der CDU erhalten. Sollte es scheitern, wäre die große Regierungskrise im Ländle perfekt.

Nov. 2023 | In Arbeit | Kommentieren

Auch Gregor Gysi konnte Sahra Wagenknecht nicht davon abhalten, eigene Wege zu gehen. Mit ZDFheute spricht das Linken-Original über die größte Krise seiner Partei.

Gregor Gysi und Sahra Wagenknecht
Sahra Wagenknecht und Gregor Gysi führten jeweils die Linkenfraktion im Bundestag (Archivbild)

 

 

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Okt. 2023 | In Arbeit | Kommentieren
Mit dem neu eröffneten Europäischen Quantenzentrum in Straßburg, das als Schwesterinstitut des Instituts für QuantenMaterialien und Technologien des KIT fungiert, wird die Zusammenarbeit zwischen dem KIT und der Universität Straßburg als Brückenprofessorin weiter ausbauen. Dabei geht es um die Forschung an künstlichen Quantensystemen wie supraleitenden Schaltkreisen oder elektro-optomechanischen Systemen.

 

„Die Forschungsarbeiten unserer Gruppe konzentrieren sich auf Theorie und Anwendungen von künstlichen Quantensystemen, deren Dynamik durch die Gesetze der Quantenmechanik bestimmt wird. Prominente Beispiele sind supraleitende Schaltkreise, elektro-optomechanische Systeme und ultrakalte gefangene Atome oder Ionen“, erläutert Professorin Anja Metelmann vom Institut für Theorie der Kondensierten Materie des KIT. Neben der Untersuchung grundlegender Aspekte erforscht sie künstliche Quantensysteme für hochpräzise Messungen, quantenbegrenzte Informationsverarbeitung und Quantenberechnungen.

Die Brückenprofessuren sind grenzüberschreitende Professuren am European Campus – dem Verbund der Universitäten in Basel, Freiburg, Mülhausen und Straßburg sowie des KIT. Sie erleichtern Studieren, Lehren und Forschen am Oberrhein über die Ländergrenzen hinweg. Der grenzüberschreitende Charakter dieser Professuren, die vom baden-württembergischen Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst (MWK) gefördert werden, ist im europäischen Raum in dieser Form bislang einzigartig und ein Pionierprojekt des oberrheinischen Hochschulverbunds.  Anja Metelmann ist die erste Inhaberin einer Brückenprofessur zwischen den zwei Eucor-Mitgliedsuniversitäten KIT und Straßburg. Im Zukunftsfeld Quantum Computing forscht sie zu Quantum Sciences und Technology. Zudem leitet sie an der Universität Straßburg ein Forschungsteam. Die Professur ist auch Teil des 100-Professuren-Programms, mit dem das KIT seine Spitzenforschung innerhalb von zehn Jahren noch leistungsfähiger und agiler machen wird.

Künstliche Quantensysteme im europäischen Kontext

Im ersten deutsch-französischen Institut für Quantentechnologien haben Forschende wie Metelmann die Möglichkeit, zusätzliche Forschungsinfrastrukturen wie Labore, Großgeräte und Datenbanken in Anspruch zu nehmen. „Neben diesem Rahmen profitieren wir auch von einem multidisziplinären Netzwerk, das Kooperationen zwischen dem KIT und der Universität Straßburg noch stärker fördert“, so Metelmann. „Mit vielen klugen Köpfen können wir uns im Zentrum zusammenschließen und die Forschung der Quantentechnologie schneller vorantreiben, um die Theorie in die Anwendung zu bringen“, so die Wissenschaftlerin.

„In der jahrelangen Arbeit mit unseren Partnern im Eucor-Verbund sowie weiteren Wissenschaftseinrichtungen in der trinationalen Metropolregion Oberrhein haben wir erfolgreich eine einzigartige Forschungslandschaft aufgebaut. Das Europäische Quantenzentrum bietet nun die zusätzliche Chance, zukunftsweisende Anwendungen der Quantentechnologie grenzüberschreitend weiter voranzutreiben und uns gemeinsam im europäischen Wettbewerb gut aufzustellen“, sagt Professor Thomas Hirth, Vizepräsident Transfer und Internationales des KIT und stellvertretender Eucor-Präsident.

Über Eucor – The European Campus

Eucor – The European Campus ist ein trinationaler Verbund zwischen fünf Universitäten in der Oberrheinregion. Zu den Mitgliedern zählen die Universitäten Basel, Freiburg, Haute-Alsace, Strasbourg und das Karlsruher Institut für Technologie (KIT). Gemeinsam bündeln die Universitäten Kompetenzen von 15 000 Forschenden, 13 500 Promovierenden sowie 117 000 Studierenden in einer starken Forschungs- und Wirtschaftsregion zwischen Frankreich, Deutschland und der Schweiz. Ziel ist der Aufbau eines klar profilierten Wissenschaftsraums mit internationaler Ausstrahlung.

Weitere Informationen: https://fondation.unistra.fr/projet/centre-europeen-sciences-quantiques/

 

 

Okt. 2023 | In Arbeit | Kommentieren

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