Von Holger Buchwald
Heidelberg. Was ist wichtiger: Der Erhalt der grünen Wiese oder Freiräume in der Innenstadt? Um solche Fragen der Stadtentwicklung besser beantworten zu können, gibt es das Klimagutachten für Heidelberg. Zusammen mit der Firma Ökoplana aus Mannheim hat die Geo-Net Umweltconsulting GmbH die Untersuchung im Jahr 2015 aktualisiert.
Die Hannoveraner Firma wurde aktuell auch von der Stadt mit dem Kleinklimagutachten für den Großen Ochsenkopf und Bergheim-West betraut. Es wird in der aktuellen Diskussion um die Verlagerung des Betriebshofes heiß debattiert. Im Interview mit der RNZ beantwortet Geschäftsführer Peter Trute grundsätzliche Fragen zum Heidelberger Klima.
Wie steht Heidelberg da? Haben wir ein prima Klima?
Die Lage Heidelbergs ist im größeren Vergleich eher ungünstig. Das Rheintal ist einer der Hotspots der Überwärmung in Deutschland. Hier gibt es aufgrund der Gebirge in den Randlagen häufig Inversionswetterlagen. Während es also zum Beispiel in Hannover oder Braunschweig günstigere klimatische Rahmenbedingungen gibt, hat Heidelberg eine ähnliche Ausgangslage wie Freiburg oder Karlsruhe. Allerdings gibt es hier auch den Neckartalabwind, der fast die gesamte Stadt durchstreicht und damit für eine gewisse Entlastung sorgt. In den besonders dicht bebauten Gebieten kommt er allerdings nicht an.
Von welchen Stadtteilen sprechen Sie?
Besonders von der Altstadt und von Bergheim. Dort gibt es wenig Grün. Die vielen Gebäude speichern die sommerliche Wärme und geben sie nachts wieder ab. Ganz anders sieht es zum Beispiel in Ziegelhausen und Schlierbach am Waldrand aus. Zwischen dem kühlen Bierhelderhof und den warmen Gründerzeitquartieren in Bergheim kann es in Sommernächten zu Temperaturunterschieden von bis zu neun Grad kommen.
Wieso kann der Neckartäler in der Altstadt oder Bergheim nicht durch die Gassen wehen?
Aufgrund der insgesamt dichten Bebauung hebt er in höhere Schichten ab und kommt am Boden nicht mehr an. Nur einzelne Straßenzüge wie Teile der Hauptstraße in der Altstadt werden auch bodennah durchströmt.
Warum ist das Thema Stadtklima für die Menschen so wichtig?
Für gesunde 35-Jährige ist das eher ein Komfortthema. Die Leistungsfähigkeit am Tag sinkt und man kann sich nachts nicht mehr richtig erholen. Bei den Klimagutachten nimmt man aber insbesondere die ältere Bevölkerung ab 65 Jahren und die ganz Jungen in den Fokus. Für jemand, der zum Beispiel unter einer Herz-Kreislauf-Erkrankung leidet, können Wärmeinseln ein weiteres Gesundheitsrisiko sein.
Bürgermeister Erichson sagte bei der Vorstellung des Klimagutachtens von 2015, dass Heidelberg optimal durchlüftet sei. Es sei schwer, sich eine Bebauung vorzustellen, die bioklimatisch allzu bedenklich wäre. Ist das richtig oder falsch?
Das ist schwer zu sagen. In Heidelberg, wie in anderen Städten auch, gibt es große Unterschiede zwischen klimaökologisch günstigen und ungünstigen Quartieren. Für mich ist das eine Frage der Umweltgerechtigkeit. Ziel der Stadtplanung sollte es sein, gleichwertige Lebensbedingungen in allen Stadtteilen zu ermöglichen. Dabei geht es auch darum, die Belastungen für schlechter gestellte Quartiere zu reduzieren.
Genau das hat die Stadt Heidelberg in Bergheim vor. Wenn der Betriebshof verlagert wird, könnte auf der Hälfte des Areals ein Stadtpark entstehen. Können solche neuen Grünflächen helfen?
Ja, eine klimatische Entlastungsfläche in einem Wärme-Hot-Spot zu planen, ist sehr positiv einzuordnen. Stadtparks, neue Grünflächen, weniger Parkplätze, begrünte Fassaden: All das sind Möglichkeiten, um das Stadtklima zu verbessern.
Nachverdichtung, Abriss oder Neubauten auf der grünen Wiese: Lassen sich solche schwerwiegenden Entscheidungen mit dem Klimagutachten treffen?
Dafür gibt es die Planungshinweiskarte. An ihr kann man ablesen, wo eine Nachverdichtung „klimaverträglich“ möglich ist, und wo man es lieber nicht machen sollte. Aus klimatischer Sicht ist es übrigens besser, höher statt in die Breite zu bauen und damit mehr Fläche zu versiegeln. Ob die Bauten drei oder vier Stockwerke haben, macht für das Strömungsfeld in der Regel keinen großen Unterschied.
In der politischen Diskussion behaupten die Befürworter einer Betriebshofverlagerung gerne, dass das Bündnis für den Bürgerentscheid Ihr Gutachten nicht richtig zitiert. Stimmt das?
Das kann ich nicht beurteilen. Ich bekomme in Hannover nur einen Teil der Diskussion mit, bin aber auch von der Bürgerinitiative angerufen worden, ob ich eine Auskunft geben kann. Nach Freigabe durch die Stadt Heidelberg würde ich das auch tun. Das Urheberrecht liegt bei ihr als Auftraggeber. Ich will – ehrlich gesagt – auch in kein Fettnäpfchen treten.
Welche Bedeutung haben große Grünflächen am Rande der Stadt wie die Ochsenkopfwiese?
Sie sind von hoher klimatischer Bedeutung – als Teil des übergeordneten Luftaustausches, aber auch ganz lokal für die Anwohner. Als Erholungsgebiet bleibt der Große Ochsenkopf, gemessen an seiner Grünfläche, unter seinen Möglichkeiten. Er ist zu schlecht angebunden. Man könnte mehr daraus machen.
Was halten Sie von einer Dachbegrünung für den Betriebshof?
Die Fläche grün und begehbar für die Stadtbevölkerung auszugestalten, ist ein wegweisender Ansatz. Damit stünde ein wesentlicher Anteil der Fläche, die sonst nicht nutzbar wäre, für die Erholung zur Verfügung. Dachbegrünung, die für die Anwohner zugänglich ist, bringt aus Klimasicht auf einem so großen Gewerbestandort viel. Das hat einen Klimaeffekt für das gesamte Umfeld.
Aber das wäre doch kein gleichwertiger Ersatz für die Ochsenkopfwiese.
Es ist sicher immer besser, eine unversiegelte Fläche zu erhalten. Sie dient als großer Wasserspeicher, dort können große Bäume wachsen. Aber auch mit einer zugänglichen Dachbegrünung ließen sich relativ gute Ergebnisse erzielen.
Warum der Heidelberger Betriebshof nicht auf den Ochsenkopf soll Kamera: Marie Degenfeld, Reinhard Lask / Produktion: Reinhard Lask
Nimmt die Stadt das Thema ernst genug?
Heidelberg ist in seiner Herangehensweise viel weiter als die meisten anderen Städte, geht fast schon avantgardistisch mit dem Thema um. Denn hier wird nicht nur der Ist-Zustand und die Auswirkungen einer möglichen Bebauung untersucht, sondern auch weit in die Zukunft geschaut, wie sich zum Beispiel die globale Erwärmung bis ins Jahr 2100 auf die Stadt auswirkt. Welche Schritte daraus abgeleitet werden, liegt dann aber in den Händen der Politiker.
Warum dauert eigentlich das Kleinklimagutachten für die Ochsenkopfwiese und Bergheim-West so lange? Alle warten sehnsüchtig auf die Ergebnisse.
Das hat vor allem technische Gründe. Es handelt sich um ein rasterbezogenes Verfahren, je mehr wir in die Tiefe gehen, desto kleiner wir die Raster wählen, umso länger dauern die Modellrechnungen. Die Daten müssen ganz detailliert eingegeben werden: die Landstruktur, die Gebäudehöhen und vieles mehr. Typischerweise dauert so ein Gutachten acht bis zwölf Wochen.
Vor dem Bürgerentscheid wird es aber doch fertig?
Ich denke, das wird funktionieren. Ich bin vorsichtig. Denn ab und zu treten Fehler auf, dann muss alles noch einmal gerechnet werden. Am Ende muss die Untersuchung so ausgereift sein, dass man „Gutachten“ aufs Titelblatt schreiben kann.
Warum der Heidelberger Betriebshof auf den Ochsenkopf soll Redaktion, Kamera und Produktion: Reinhard Lask