Die geplante Gründung eines Interdisziplinären Zentrums für Diktaturforschung an der Humboldt-Universität sorgt für Streit mit unter anderem dem von studentische Mitgliedern des Akademischen Senats vorgebrachten Argument,  es seien beim Antragsteller Antidiskriminierung und Diversität nicht gewährleistet. Der Streit schwelt also weiter, womit aber Sabine Kunst, die Präsidentin der Humboldt-Universität, den Ruf ihrer Hochschule nicht gefährdet sieht.

Mainstreamige Fragen allzeit willkommen

„Als Exzellenz-Universität weisen wir uns ja aus über gerade das Wagnis gegenüber Fragen, die nicht in einem mainstream sind, sondern die wissenschaftliches Terrain auch neu ausschreiten.“

Der auf Russland spezialisierte Geschichtswissenschaftler Jörg Baberowski wollte ein Zentrum gründen, gemeinsam mit acht Historikern und fünf Juristen. Experten für die Geschichte des Nationalsozialismus, für Diktaturen in Italien, Spanien, Südosteuropa, Lateinamerika und China wollten zusammen mit Staatsrechtlern erforschen, warum und wie Diktaturen entstehen. Die Fakultätsräte der Philosophie und der Rechtswissenschaften stimmten dafür. Es fehlte noch die Zustimmung des Akademischen Senats.

Auszüge aus externem Gutachten veröffentlicht

Anfang Januar twitterte einer von vier studentischen Mitgliedern des Akademischen Senats Passagen aus externen Gutachten der Historiker Ulrich Herbert und Thomas Lindenberger. Beide sahen das geplante Zentrum kritisch. Es sei nicht genügend interdisziplinär und mit zu wenig Kapazitäten für die Forschung ausgestattet.

Kunst: „Es ist zu einer Indiskretion im Umgang von Gutachten gekommen, die über dieses Zentrum für Diktaturforschung vorlagen. Das war etwas, was zu klären war durch die Universitätsleitung und durch den Vorsitz des Senates – und somit auch der Grund überhaupt, das Verfahren auszusetzen.“

Die vier Studentinnen und Studenten im Akademischen Senat positionierten sich gegen das Zentrum für Diktaturforschung. Damit war klar, dass der Antrag des federführenden Historikers Baberowski in dem Gremium keine Chance hatte. Die Juristische Fakultät zog ihre Unterstützung für das Projekt zurück. Im Juni wurde im Akademischen Senat lediglich noch festgestellt, der ursprüngliche Antrag sei zurückgezogen worden. Zu den Studentinnen, die das Zentrum nicht unterstützen wollen, gehört Bafta Sarbo. Sie studiert Sozialwissenschaften.

„Es geht natürlich auch um die Person Baberowski, der in der Vergangenheit durch sehr konkret politische Aussagen auch schon aufgefallen ist, zum Beispiel durch Aussagen, die wir als flüchtlingsfeindlich bezeichnen würden. Und in diesem Zusammenhang sehen wir einfach nicht, dass ein Institut, das von Herrn Baberowski maßgeblich politisch gestaltet wird, vereinbar ist mit den Prinzipien, die diese Universität für sich formuliert hat, also Antidiskriminierung und Diversität.“

Uni wolle kein negative Schlagzeilen wegen Exzellenzinitiative

Jörg Baberowski dagegen sagt, die Universität müsse ein Ort des „wilden und ungebundenen, unbeschränkten Denkens“ sein. Er sieht sein Projekt als gescheitert an – wegen des Widerstands der Studentinnen und Studenten.

„Sie setzen die Universität medial unter Druck, und die Universität ist eingeknickt, weil sie in der Exzellenzinitiative keine Öffentlichkeit brauchte, keine negative Öffentlichkeit – und weil das Projekt und die Wissenschaftsfreiheit für die Universität nicht so wichtig sind wie die Ruhe, die sie gerne haben möchte.“

Der Historiker Jörg Baberowski (dpa / picture alliance / Carstensen)Historiker Baberowski: Widerstand von Studierenden und Universität (dpa / picture alliance / Carstensen)

Der Historiker vermisst die klare Unterstützung der Leitung der Humboldt-Universität für sein Projekt. Und er bedauert, dass es im Entscheidungsgremium nie zu einer inhaltlichen Diskussion über das Zentrum für Diktaturforschung gekommen ist.

„Es ist eigentlich nur noch das große Gebrüll und das Geschrei, vor dem alle in die Knie gehen. Es braucht nur jemand irgend etwas hinauszurufen in die Welt, was als anstößig gelten kann – sofort knicken alle ein und versuchen, der Sache aus dem Weg zu gehen.“

Dagegen betont Gabriele Metzler, die Dekanin der Philosophischen Fakultät, sie habe Baberowskis Vorhaben immer befürwortet.

„Ich habe dieses Institut von Anfang an unterstützt. Ich habe im Fakultätsrat dafür gestimmt, und ich hätte auch im Akademischen Senat sehr dezidiert dafür Stellung bezogen, weil ich das Unternehmen für sinnvoll halte, für wissenschaftlich seriös und obendrein für politisch notwendig.“

Keine inhaltliche, sondern eine Verfahrensdebatte

Die Debatte um die Diktaturforschung an der Humboldt-Universität ist im Streit ums Verfahren zum Stillstand gekommen. Die Studentinnen aus dem Akademischen Senat betonen, der Tweet vom Januar mit den Zitaten aus Gutachten sei legitim gewesen. Auch wollen sie den Vorwurf nicht auf sich sitzen lassen, sie würden mit ihrem Contra die Wissenschaftsfreiheit an der Exzellenz-Universität in Berlin-Mitte gefährden. Die Geschichtsstudentin Juliane Ziegler dreht den Spieß um und richtet ihn auf Jörg Baberowski.

„In dem Moment, in dem man diskriminierte Personen in einer Debatte quasi zur Disposition stellt oder ihre Positionen nur allein deswegen in Frage stellt, weil es zum Beispiel geflüchtete Menschen sind oder Menschen, die eine andere Meinung haben, vielleicht auch zu dem Zentrum, da sehe ich dann die Wissenschaftsfreiheit eher gefährdet als in der Absage an ein Zentrum, das sich nicht klar distanziert von rechtspopulistischen Strömungen.“

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Okt. 2019 | €uropa | Kommentieren

Noch unbewohnt – Brand in einer geplanten Unterkunft

Die Teilnehmer der Pressekonferenz, die Mitte Oktobe 2019 in Halle abgehalten wurde, waren – dezidiert, wie schon lange nicht mehr – sehr deutlich geworden: „Der Rechtsstaat wird sich mit allen verfügbaren Mitteln wehren. Auch geistige Brandstifter müssen bekämpft werden“ – zu dieser Aussage standen sowohl Innenminister Horst Seehofer, wie auch Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff und sein Innenminister Holger Stahlknecht. Bei allem ging es hierbei nicht mehr sondern um mehr als das übliche „Konsequenzen ziehen“ nach einem schlimmen Vorfall. Das konnte man allen Beteiligten ansehen (hier finden Sie die Konferenz in gesamter Länge). (mehr …)

Okt. 2019 | Allgemein, Gesundheit, Junge Rundschau, Politik, Sapere aude, Senioren, Zeitgeschehen, Metropolregion Rhein-Neckar, €uropa | Kommentieren
Wo gehts lang hier – Von Christoph Schlingensief zu Jan Böhmermann oder zum Niedergang der deutschsprachigen Satire?
Erregte Menschenmassen standen tagelang um die Installationen herum und stritten mit- oder besser gegeneinander. In allen Medien überboten sich die Rechten jder Farbe mit Empörungsgeschrei. Es herrschte fast ein Ausnahmezustand im Wiener Sommer. Verantwortlich für all das war die Kunstaktion „Ausländer raus“ von Christoph Schlingensief.Im Rahmen der Wiener Festwochen hatte der Künstler in Wien einen Container im touristischen Zentrum Wiens aufgestellt, der standesgemäß Herbert-Karajan-Platz heißt, benannt nach einen Künstler, der mit den Nazis genauso konnte wie mit deren Nachfolgern und so zum Prototyp des Opportunisten wurde. Auf dem Container prangten Wahlparolen der rechten FPÖ, mit denen die Partei damals unter Jörg Haider große Wahlerfolge erzielte (Tötet Europa! Bitte liebt Österreich!, Alles nur Theater?).Es war gerade mal 15 Jahre her, als die Waldheim-Affäre aufzeigte, wie schnell der zivilisatorische Firnis abbröckelt und offen antisemitische Äußerungen wieder hörbar waren. Ein Großteil der österreichischen Bevölkerung übte sich in Schulterschluss mit einem Präsidentschaftskandidaten, der bei der Wehrmacht an Kriegsverbrechen beteiligt war. Erst vor wenigen Monaten hat die Regisseurin Ruth Beckermann mit dem Film „Waldheims Walzer“ die Atmosphäre jener Zeit in Österreich noch einmal lebendig gemacht. In einem solchen Klima hat Schlingensief mit seiner Kunstaktion punktgenau interveniert. Der Spiegel berichtete damals, was sich am Karajan-Platz in Wien abspielte:

Auf dem Platz ruft der deutsche Aktionskünstler Christoph Schlingensief die Österreicher per Megafon auf, per Telefon täglich zwei Asylbewerber aus dem Land zu wählen. Touristen sollen Fotos schießen – damit man daheim sehen könne, „was hier los ist in Österreich“.

Schlingensiefs Kunst bestand gerade darin, dass er den Rechten aller Couleur deren eigene Melodie vorspielte. Er beschimpfte sie nicht als Rassisten, er brachte sie dazu, dass sie bei den Äußerungen, die sie eigentlich vertreten, im wahrsten Sinne ausflippten vor Wut. Das kann man auf vielen Videos der Aktion sehen. Haider und seine Anhänger im Parlament orchestrierten die rechte Kampagne durch ihre Auftritte in den Medien. So war Schlingensiefs Kunst im wahrsten Sinne aufklärerisch, sie klärte auf über die österreichischen Verhältnisse jener Jahre.

Keine österreichische Identität – da klatschen die Deutschnationalen Beifall?

Dagegen ist Jan Böhmermann, der immer wie ein übereifriger Versicherungsverkäufer auftritt, der auf Humor machen will, nur mit der höchsten Form von Peinlichkeit zu klassifizieren. Während Schlingensief die gemeinen Österreicher durch seine Kunst als die Rassisten kenntlich macht, die sie im Herzen schon immer waren, beschimpft Böhmermann in einem Interview im Kulturmontag die Österreicher als Deppen.

„Es hallt aus den Bergen bis hinein nach Deutschland“ versucht Böhmermann ganz ohne jegliche Historie Deutschland als das neuste Opfer der Rechten in Österreich darzustellen. Wenn sich Böhmermann dann minutenlang darüber auslässt, wie unseriös es sei, dass in Österreich ein 32jähriger Bundeskanzler ist, muss man sich fast fremdschämen für den Quatsch, der als Satire präsentiert wird. Wenn Böhmermann dann noch daran erinnert, wie schnell ein Panzer von München in Österreich sein kann, kann man sich nur über seine historische Amnesie wundern.

Und wenn er schließlich die „österreichische Identität“ anzweifelt, ist er in guter rechter Gesellschaft. Die war immer dagegen und plädierte für den Anschluss an Deutschland. Ein großer Teil von ihnen jubelte dann dem Einmarsch der Wehrmacht 1938 zu. Die Idee von einer österreichischen Nation im Gegensatz zu Deutschland kam von Antifaschisten wie der Kommunistischen Partei Österreich. Das muss natürlich ein Böhmermann nicht wissen, der seinen peinlichen Auftritt mit Plattitüden zur Verteidigung der EU beendete. Die ORF-Moderation distanzierte sich dann gleich im Namen des Senders vom „provokativen Auftritt“ Böhmermann.

Was Besseres konnte ihm gar nicht passieren, weil er damit doch wieder als ein kontroverser Künstler geadelt wird, vor denen die Mächtigen Angst haben. Natürlich soll dafür noch Werbung für seine Ausstellung im „Künstlerhaus Graz“ gemacht werden, die wohl der eigentliche Zweck seines Auftritts war. Wenn schon ein gewollter Rechtschreibfehler im Titel die nötige Publicity bringen soll, können selbst die Ausstellungsmacher nicht besonders überzeugt davon sein.

Böhmermann – nicht bewusst verletzend

Nun hat Böhmermann auch schon vorher bewiesen, dass er Peinlichkeiten mit Satire verwechselt. Sein Beleidigungsbrief an den autoritären türkischen Herrscher war ja ein einziges Einladungsschreiben, dafür doch bitte angezeigt zu werden. Erdogan tat ihm dann natürlich den Gefallen. Dabei wäre dieser Brief vielleicht noch als Battle-Rap junger Hip-Hopper durchgegangen. Aber was will uns ein Enddreißiger damit sagen? Dass man in dem Alter die Finger von Battle-Rap-Versuchen lassen sollte. Die türkische Kunstszene hingegen hat schon seit Jahren sehr schlaue Methoden, sich mit Erdogan und seinem Regime zu befassen. Die brauchen keine Nachhilfe von Satire-Hospitanten aus Almanya.

Besonders peinlich war dann die Unterlassungsklage Böhmermanns gegen Bundeskanzlerin Merkel, weil die seine Schimpfkanonade gegen Erdogan als „bewusst verletzend“ apostrophierte. Diese Banalität hätte jeder Satiriker ignoriert, denn die Behauptung des Gegenteils wäre eigentlich eine Beleidigung gewesen. Der Streber Böhmermann klagte und wollte sich bescheinigen lassen, dass er nichts von Satire versteht, weil er nicht verletzen will und das schon gar nicht bewusst. Die Unbedenklichkeitsbescheinigung mochte ihm die Justiz nicht ausstellen. Böhmermann verlor die Klage.

Doch die Fülle der Peinlichkeiten werden dem Böhmermann-Fanclub nichts anhaben können. Denn auch für ihn gilt: Jeder hat die Fans, die er verdient. So ist der Abstieg der deutschsprachigen Satire von Schlingensief zu Böhmermann auch ein Zeichen der Zeit. Wo die Kritik an den gesellschaftlichen Verhältnissen nur noch in Promillemargen vorhanden ist, kann es auch keine Satire geben, die wirklich bewusst die aktuellen Verhältnisse verletzt. (pn)

Sep. 2019 | €uropa | Kommentieren
Die Krise begann mit der freizügigen Verschreibung von Schmerzmitteln: zur Vernichtung vorgesehene Medikamente in einem Polizeiposten in Ohio. (Bild: Keith Srakocic / AP)

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Sep. 2019 | €uropa | Kommentieren

Oliver Eckert (r.) nimmt den Preis entgegen

Wenn kleine Fische große Haie jagen – Einfach gute Nachrichten machen, das ist der Anspruch von Oliver Eckert, CEO bei BurdaForward (u.a. FOCUS Online, CHIP). Er leitet Deutschlands führenden, profitablen Online-Publisher und gilt als Innovationstreiber in Bezug auf digitale Produkte und Marken. Nun erhielt er den Special Award des legendären Club 55 verliehen – für sein vorbildliches Management, seinen unternehmerischen Mut und die Fähigkeit, Journalisten zu unternehmerischem Denken zu motivieren. (mehr …)

Aug. 2019 | €uropa | Kommentieren

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Aug. 2019 | €uropa | Kommentieren

Eine BBC-Reportage erforscht die dunklen Ecken der Community, zeigt aber auch, wie sich Menschen in die Normalität zurückkämpfen können: (mehr …)

Aug. 2019 | €uropa | Kommentieren

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Aug. 2019 | €uropa | Kommentieren

 

Sechs internationale Kinderhilfsorganisationen fordern Regierungen zu mehr Engagement für Kinder auf – Jedes Jahr sterben noch immer mehr als fünf Millionen Kinder an vermeidbaren Krankheiten. 64 Millionen Kinder besuchen nicht einmal die Grundschule. 150 Millionen Mädchen und Jungen tragen schwere gesundheitliche Schäden davon, weil sie hungern. Jedes vierte Kind wächst in Kriegsgebieten auf. Klimawandel und Umweltzerstörung betreffen immer mehr Kinder, so wachsen etwa 500 Millionen Kinder in Überschwemmungsgebieten auf. (mehr …)

Aug. 2019 | €uropa | Kommentieren

 

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Aug. 2019 | €uropa | Kommentieren

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