Jedes Land beantwortet diese Fragen auf seine eigene Weise.
Liebeserklärung an eine exaltierte Kunstform
- Maria Callas: Als „La Wally“ wurde die Operndiva zu einer Ikone der Schwulenbewegung. (imago stock&people)
„Douleur!“ von Bogue-Profumo ist eine comicartige, hart an der Grenze zur Persiflage schrammende Kurzgeschichte mit einer kleinen Schar völlig überdrehter Protagonisten. Ich mache zu. Der Duft ist eine Tortur, und die möchte ich nicht länger ertragen. Dabei täuscht er für Sekundenbruchteile, wie mit einem schüchternen Lächeln, sogar eine freundliche Geste an, hält mir ein Stück Melone hin, schön saftig und reif …
Am Ende staune ich: Diese Kurzgeschichte hat ein Happy End.
Es gibt sie: eine Vielzahl guter und wichtiger Aktionen, Kampagnen und Initiativen, die zum Thema Coronavirus wirklichen Mehrwert bieten.
Immer mehr Trittbrettfahrer aber nutzen die aktuelle Krise für plumpe Werbung in eigener Sache. Eine PR-Unsitte, die am Ende mehr schadet als nutzt. Das Spiel beginnt beim allmorgendlichen Blick in die Mails: Pressemitteilungen, Gesprächsangebote, mögliche Gastbeiträge. Die Postfächer der Redaktionen – auch die der Branchendienste – füllen sich und spülen eine bunte Melange möglicher Inhalte ins noch schläfrige Hirn.
Da ist einerseits der Journalist, der zwischen wichtigen und unwichtigen Themen entscheiden soll. Da sind andererseits die Unternehmen und Agenturen, die ihre eigenen Themen setzen möchten. Es ist ein Spiel um Aufmerksamkeit in einer Welt, in der jeder zum Sender wird.
Die Regeln sind aber immer schon die gleichen: Wer überzeugt, kommt rein. Wer nicht überzeugt, bleibt draußen. Nur die Spielweise variiert. Aktuell treibt etwa der Wunsch reinzukommen wieder ganz besondere Blüten. Denn die Coronakrise – und das mehr noch als andere große Themen der vergangenen Monate wie Migrationspolitik, Nachhaltigkeit oder Klimawandel – ist derart omnipräsent, dass sie zunehmend leider auch als Anlass für billige PR genutzt wird. Gerade so, als garantiere die „richtige Klamotten“ schon den Platz am Bankett. Eine PR-Unsitte, die in Krisenzeiten – in solchen zummal – mehr schadet als nutzt.
Wichtige Appelle und plumpe Ansprache
Ja, es gibt sie, die guten Aktionen, Kampagnen und Initiativen, die mit der Coronakrise zusammenhängen. Sie sind clever, verspielt, informativ, sozial oder alles zusammen. Es gibt sie, weil es ne Menge gute Köpfe gibt. Auch unter den Werbetreibenden, in den Agenturen und PR-Abteilungen. Kluge Köpfe, die wissen, wann die rechte Zeit für die richtige Botschaft und die richtige Aktion ist; die wirklich Mehrwert bieten. 360-Grad-Aufklärungskampagnen zu Covid-19, große Spendenaktionen, Unterstützung bei der Produktion von Desinfektionsmitteln und Mundschutzmasken. Aber auch neue Angebote, mit denen das Leben der im Homeoffice gefangenen Eltern erleichtert wird, oder wichtige Appelle in Video, Wort und Schrift, gebührenden Abstand zu halten, gehören dazu.
Doch echte Solidarität ist ein rares Gut und echter Mehrwert noch rarer. Eine ganze Reihe von Unternehmen und Marken – ohne an dieser Stelle mit dem Finger auf sie zu zeigen – gehen ungelenken Schrittes einen anderen Weg und werden zu Trittbrettfahren. Tools werden, angeblich als besondere Geste in besonderen Zeiten, temporär freigeschaltet. Gutscheine und Datenvolumen werden verschenkt, Neukunden mit Rabatten gelockt. Die eigenen Kunden und Abonnenten werden – selbstredend aus reiner Nächstenliebe – mit halbgaren Offerten bei der Stange gehalten. Und manche bieten auch nur das, was sie ohnehin anbieten und setzen für den nötigen Twist einfach “Coronavirus” in die Headline ihrer Pressemitteilungen. Hier wird das PR-Tamtam dann endgültig absurd.
Im Moment wird viel gepredigt, vom Zusammenstehen und Zusammenhalten. Gemeint ist mitunter aber nur der Wunsch, auch in diesen Zeiten ein bisschen Werbung in eigener Sache zu platzieren; ein bisschen Aufmerksamkeit abzubekommen. Sex sells, aber Krise vielleicht auch? Gerade so, als wäre jedes Unternehmen, jede Marke, jede Plattform und jedes Tool systemrelevant. Gerade so, als bräuchte es nur genügend Pathos, um die eigene Bedeutung zu unterstreichen und seinen Beitrag zur Rettung der Welt zu leisten. Wenn das Böse unsichtbar ist, nicht riecht, nicht schmeckt, ist es nur allzu einfach, der Gute zu sein.
Stimmt schon: Wenn es zu viel wird, kann der Journalist beim allmorgendlichen Blick in die Mails die plumpe Eigenwerbung löschen. Wenn es allzu komisch wird, kann er vielleicht darüber lachen. Wenn es allzu anstrengend wird, behilft er sich mit ein bisschen Ignoranz. Doch es geht nicht nur um den, der am Ende die Auswahl treffen und entscheiden soll, welche der vielen Themen wichtig oder unwichtig sind. Es geht vor allem um jene, die kluge Aktionen, Kampagnen und Initiativen starten und sich plötzlich in zweifelhafter Gesellschaft befinden. Nicht freiwillig, sondern weil sich da einige das Megafon greifen, die in Wahrheit nichts zu sagen haben. Die einen machen gute Kommunikation, die anderen haben nicht verstanden, was die Grundlagen guter Kommunikation sind. Doch die Coronakrise ist der denkbar schlechteste Anlass für billige PR.
Die CDU/CSU-Fraktion im Bundestag hat (immer mal wieder) eine Gesetzesvorlage eingebracht, mit dem sie eine Verschärfung des sogenannten „Gotteslästerungsparagraphen“ §166 StGB erreichen will (Drucksache 14/4558).
Wie unter anderem der Fall des in den neunziger Jahren verbotenen Musiktheaterstücks „Das Maria-Syndrom“ gezeigt hat, gefährdet der Paragraph bereits in seiner jetzigen Fassung die verfassungsrechtlich garantierte Meinungs- und Kunstfreiheit. Mit einer weiteren Verschärfung des Paragraphen könnte missliebige, aber berechtigte Kritik in Zukunft noch willkürlicher als bisher verhindert werden.Besonders bedenklich ist, dass, derweil in der Vergangenheit nur eine kleine Gruppe von rechtskonservativen Parlamentariern für die Verschärfung des Paragraphen eintrat, nun die gesamte CDU/CSU-Fraktion die Gesetzesvorlage unterstützt. Es scheint so, als ob die CDU/CSU, nachdem sie mit der Gleichstellung homosexueller Lebenspartnerschaften eine empfindliche Niederlage einzustecken hatte, nun auf „Teufel, komm raus!“ die letzten Bastionen des christlichen Abendlandes zu retten versucht.
Die Neue Rundschau, die sich seit vielen Jahren für die Rechte der nichtreligiösen Bevölkerung einsetzt, fordert von den politisch Verantwortlichen, dass sie sich endlich gegen solche fundamentalistisch anmutenden Vorstöße deutlich entschiedener als bisher zur Wehr setzen.
Mit der vorliegenden Gesetzesvorlage versucht die CDU/CSU-Fraktion das Rad der Geschichte um 30 Jahre zurückzudrehen. Die Strafrechtsrechtsreform von 1969 war ein wichtiger Schritt hin zur Stärkung demokratischer Freiheitsrechte in Deutschland. Wir haben uns entschieden gegen die offensichtlichen Bemühungen konservativer Hardliner zu wehren, die Erfolge der deutschen Studenten- und der sich an sie anschließenden Bürgerrechtsbewegungen im Nachhinein zu diskreditieren.
Angesichts der Tatsache, dass die Störung der Religionsausübung nach § 167 StGB und Beleidigungen nach § 185 StGB geahndet werden können, ist offensichtlich, dass die angestrebte Verschärfung des § 166 vor allem ein Ziel verfolgt: die Etablierung „heiliger“, d.h. argumentationsfreier Zonen in der Gesellschaft. Mithilfe solcher Zensurzonen lässt sich Politik nach der Devise „Stimmung statt Argumente“ betreiben, wie die unheilvolle Geschichte des § 166 StGB eindrucksvoll belegt.
Schon in seiner jetzigen Fassung stellt der Gummiparagraph 166 StGB, dem neben einer gewaltigen Menge anderer wie etwa Wilhelm Busch, Bertolt Brecht, George Grosz, Oskar Panizza und Arno Schmidt zum Opfer fielen, eine ständige Bedrohung für die pluralistisch verfasste Gesellschaft dar, er widerspricht der produktiven Streitkultur der Aufklärung – (die wir mit unserem Motto: sapere aude, wage zu wissen, auch zu der unseren gemacht haben). Auf der politischen Tagesordnung sollte nicht die Verschärfung dieses verhängnisvollen Zensurparagraphen stehen, sondern seine schon seit Jahren anstehende, ersatzlose Streichung! Wie das sogar im mehrheitlich katholischen Italien seit geraumer Zeit bereits geschehen ist. In der jetzigen Fassung schützt §166 StGB religiöse und weltanschauliche Bekenntnisse vor Beschimpfungen, „die geeignet sind, den öffentlichen Frieden zu stören“. Die Eignung nämlich zur Störung des öffentlichen Friedens kann dabei sehr weit ausgelegt werden, wie in jüngster Zeit vor allem der Fall „Maria-Syndrom“ bewiesen hat. Hier wurden Morddrohungen, die von christlich fundamentalistischer Seite gegen den Autor formuliert wurden, juristisch als Begründung dafür herangezogen, dass der Autor mit seinem Werk gegen den öffentlichen Frieden verstößt. Das Opfer wurde also bestraft und den Tätern Recht gegeben. Würde man das gleiche absurde Rechtsprinzip auf den Umgang mit rechtsradikalen Gewalttätern anwenden, müssten Asylheime geschlossen werden, um so den sozialen Frieden wiederherzustellen …
Die CDU/CSU möchte die Zugriffsmöglichkeiten der Justiz nun zusätzlich erweitern, indem sie vorschlägt, die Bedingung zur Geeignetheit zur Störung des öffentlichen Friedens aus dem Gesetzestext zu streichen. Damit würden aber ordnungsstaatlicher Willkür Tür und Tor geöffnet. (gott)
Weitere Informationen zur Problematik des §166 StGB finden sich in dem Buch
„Zensur im Namen des Herrn“ (Alibri-Verlag, Herausgeber Clara und Paul Reinsdorf).
Dieser Beitrag erschien im Januar 2008 in der Neuen Rundschau; unser damals für die Technik zuständige Mitarbeiter rief mich etwa ein Jahr später an, meinte er habe einen Artikel gelesen, der sich mit einer ähnlichen Thematik beschäftigt und mailte mir den Text. Ich bat ihn, diesen unter unserem Text (oben) zu verlinken, er setzte den von ihm modifizierten Text allerdings unter meinen Beitrag. Dies wurde der Autorin, Dipl. Psychologin Ursula Neumann jetzt, nach zehn Jahren, gerade mitgeteilt. Wir möchten uns dafür ausdrücklich entschuldigen und verlinken nun ihren Beitrag in der Zeitschrift des IBKA – „Internationaler Bund der Konfessionslosen und Atheisten e.V.“ in der richtigen Form. Dies, weil wir meinen, dass ihr Text ein wertvoller Beitrag zur hierzulande immer mal wieder angesagten Diskussion ist.
Liebeserklärung an eine exaltierte Kunstform
Eigentlich ist die Heuschrecke ein Einzelgänger. Wie und warum sie zum Schwarmtier wird, ist eine Frage der Neurobiologie.
Am Horn von Afrika bahnt sich eine Heuschreckenplage an: In Äthiopien, Kenya und Somalia haben die gefrässigen Tiere bereits Tausende Hektaren Ackerland und Weiden zerstört, die Ernährungsgrundlage vieler Millionen Menschen ist bedroht. Denn Heuschreckenschwärme grasen die gesamte Vegetation eines Landstrichs ab; schon ein kleiner Schwarm kann Nahrungsmittel für 35 000 Menschen vertilgen. (mehr …)