Plakat: Edition Staeck – Heidelberg

Die Querdenker (d. h. Querlinge) werden nach der voraussichtlichen Aufhebung der Coronamaßnahmen im Sommer – Augen zu und durch –  so tun, als hätten sie einen Sieg errungen zu haben.Das wird dann die Neudefinition des Pyrrhussiegs geworden sein. Viele aber werden ihn nicht erlebt haben.
Die Tonlage in den einschlägigen Kanälen wird immer schriller, die Argumente immer abstruser. Querliinge, das heißt Impfgegner radikalisieren sich weiter, parallel nimmt die Zahl derjenigen zu, die auf die Straße gehen. Es mögen nur wenige Prozent der Bevölkerung sein. Aber sie haben sich so tief in ihre verschwörungsraunende Scheinrealität zurückgezogen, dass man sich fragen muss, wie diese Leute jemals zurück in ein halbwegs normales Leben finden sollen. Es sind ja zu viele, als dass man sie nach der Pandemie einfach ignorieren könnte.

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Jan. 2022 | Heidelberg, Allgemein, Buchempfehlungen, Feuilleton, Gesundheit, In vino veritas, Sapere aude, Senioren | Kommentieren

In seiner „Philosophie der Weltbeziehung“ verbindet der karibische Denker Edouard Glissant Dichtung, Erinnerung und politische Analyse zu einer Poesie der Weite, des Austauschs und der Offenheit. Gegen Polarisierung und Abgrenzung beschwört er den gemeinsamen Ort, an dem sich die Gedanken zur Welt gegenseitig erhellen. Die Karibik war in der Weltgeschichte die Bühne, auf der im frühen 16. Jahrhundert erstmals die drei Kontinente Europa, Amerika und Afrika so überaus gewaltvoll aufeinandertrafen. Noch bevor sich hier Engländer und Spanier mit ihren Flotten und Freibeutern gegenseitig bekriegten, verfrachteten ihre Segelschiffe Sklaven aus Westafrika über den Atlantik hierher. 1510 verschleppten die Spanier die ersten Afrikaner auf die Insel Hispaniola, um sie auf ihren Zuckerrohrplantagen schuften zu lassen, fünfzig Jahre bevor auch die Portugiesen Sklaven nach Brasilien brachten und hundert Jahre bevor die ersten Sklavenschiffe in Virginia landeten. Aber hier in der Karibik trafen auch drei große Weltkulturen aufeinander und verbanden sich zu der ganz eigenen, dynamischen Kultur der Antillen.

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Jan. 2022 | Allgemein, Buchempfehlungen, Feuilleton, InfoTicker aktuell, Senioren | Kommentieren

Anfang 1943 trat eine Gruppe deutscher Emigranten, die bisher an Horkheimers Institut für Sozialwissenschaften in New York gearbeitet hatten und dort aus finanziellen Zwängen ausscheiden mussten, in die Forschungs- und Analyse-Abteilung des amerikanischen Geheimdienstes OSS ein, darunter der Gewerkschaftsjurist und Politologe Franz Leopold Neumann, der Staatsrechtler Otto Kirchheimer und der Philosoph Herbert Marcuse. Ihre Arbeit wurde davon bestimmt, dass es im Krieg gegen Nazideutschland nicht schlechthin um den Sieg ging, sondern darum, Deutschland nach der bedingungslosen Kapitulation zu besetzen und mittels eines Besatzungsregimes Maßnahmen zur vollständigen Vernichtung und Beseitigung von Nationalsozialismus und deutschem Militarismus einschließlich ihrer gesellschaftlichen Grundlagen durchzuführen …

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Jan. 2022 | Allgemein, Buchempfehlungen, Essay, In vino veritas, Junge Rundschau, Kirche & Bodenpersonal, Politik, Sapere aude, Senioren, Zeitgeschehen, Wo aber Gefahr ist, wächst / Das Rettende auch | Kommentieren

Zum Erzählen war er gerne bereit.

Edgar-Julian Holzberg, Direktor des privaten Gymnasiums „Heidelberg College“ freute sich  darüber – und erlebte nicht wie vorgesehen zwei, sondern gleich drei Stunden mit einigen  begeisterten Klassen (die Ihn gar nicht mehr weglassen wollten) in der Aula der Schule. Er erzählte aus seinem Leben – von seiner Flucht vor den Nazis, über seine erkämpfte Heimkehr und sein transatlantisches Leben als Germanist und Zeitzeuge.
Der energiegeladene 90-Jährige, wollte – damals – von einem Erinnerungsband noch nichts wissen, aber im Jahre 2020 erschien das Buch im englischen Original. Die deutsche Übersetzung (Susanna Piontek) kam nun pünktlich zu seinem 100. Geburtstag am Freitag (14. Januar 2022) heraus mit dem Titel: »Wir sind nur noch wenige«.

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Das taten sie, indem sie Bücher verboten oder sogar vernichtet haben. Papier entzündet sich ab 233 Grad Celsius. Diese in Fahrenheit umgerechnete Temperatur wählte der US-amerikanische Schriftsteller Ray Bradbury als Titel für seine Dystopie, in der er das Leben in einem Staat beschreibt, der den Besitz und das Lesen von Büchern unter Strafe stellt. »Fahrenheit 451« stammt aus dem Jahr 1953: Gerade einmal 20 Jahre zuvor, am 10. Mai 1933, verbrannten deutsche Studenten unter den Augen der Weltöffentlichkeit auf Initiative der erstarkenden nationalsozialistischen Bewegung ausgewählte Bücher.

Dazu gehörten weltbekannte Werke von Schriftstellern wie Bertolt Brecht, Erich Kästner, Heinrich und Klaus Mann und vielen mehr, die auf Grund ihrer Volkszugehörigkeit, ihres Lebensstils oder ihrer politischen Einstellungen von den Nationalsozialisten geächtet wurden.

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Jan. 2022 | Allgemein, Buchempfehlungen, Feuilleton, Junge Rundschau, Politik, Senioren, Zeitgeschehen | Kommentieren

Deutschland erlebt dramatische politische Veränderungen. Nach einem Wahljahr mit zahlreichen Richtungswechseln wird die Parteienlandschaft durch die Bundestagswahl kräftig umgepflügt. Es gibt überraschende Aufstiege und schmerzhafte Abstürze. Aber es geht um weit mehr als um einzelne Karrieren. Die künftige Regierung steht vor immensen Herausforderungen – wegen des Klimawandels, der Pandemie, des gewaltigen Reformstaus, auch wegen des Auseinanderdriftens der Gesellschaft. Stephan Lamby untersucht das politische Leben in Deutschland seit einem Vierteljahrhundert.

Seine Langzeitbeobachtungen dauern monate-, manchmal jahrelang. Seit Dezember 2020 hat er sich auf die Spuren der drei Kanzlerkandidaten begeben.

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Bernhard Schlinks neuer Roman „Die Enkelin“ führt ins Milieu völkischer Siedler – Für einen kurzen Moment scheint alles möglich zu sein, damals im Mai 1964. Es sind heitere Frühlingstage beim Deutschlandtreffen der Jugend in Ost-Berlin, weil die Veranstaltung zwar gewohnt straff von der FDJ organisiert ist, aber eben doch einige Freiräume bietet, die man mit etwas Kreativität nutzen kann. Um Frieden und Völkerfreundschaft soll es gehen, um die Strahlkraft des Sozialismus, deshalb kommen auch viele junge Besucher aus dem Westen. Noch heute blickt man etwas ungläubig auf die Fotos, die an jenem Pfingstsonntag vor dem Berliner Café Warschau in der Karl-Marx-Allee oder auf dem Alexanderplatz entstanden – Bilder von Tänzern aus zwei deutschen Staaten, die einen gemeinsamen Rhythmus gefunden haben, von Musikern, die mit ihrer Gitarrenmusik den Beatles nacheifern, von Liebespaaren, die Grenzen und Barrieren überwinden wollen.

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In María José Ferradas Roman „Kramp“ muss sich M., die achtjährige Ich-Erzählerin, ihre eigene Welt zurechtzimmern: Ihre schöne Mutter ist in Traurigkeit versunken, ihr Vater ein Vertreter für Eisenwaren eben jener Marke Kramp, die Solidität verheißt: Ein Haus, das auf Kramp baut, sei erdbebensicher, lernt M., während sie mit ihrem Vater über die Dörfer tingelt, um Hämmer, Schrauben und Fuchsschwänze zu verkaufen.

D. ist auf seine Art ein freundlicher Vater, aber ein ungewöhnlicher Lehrmeister. Er lässt M. rauchen, in Cafés sitzen und die Schule schwänzen. Seine Ratschläge sollen fürs Leben taugen: Mit Entschlusskraft und dem richtigen Anzug ist alles möglich, erklärt er seiner Tochter, vielleicht gehöre auch noch ein bisschen Glück dazu. Geh immer ins beliebtestes Café.

 

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Jan. 2022 | Allgemein, Buchempfehlungen, Feuilleton, Junge Rundschau, Politik | Kommentieren

Der Journalist und Autor Thomas Moser setzt sich seit Jahren intensiv mit dem Anschlag auf den Berliner Weihnachtsmarkt am Breitscheidplatz auseinander.

Vor fünf Jahren am 19. Dezember soll der islamistische Terrorist Anis Amri einen LKW auf den Markt gesteuert haben. 12 Menschen sind bei dem Anschlag ums Leben gekommen, mindestens 67 wurden dabei verletzt, teilweise schwer.
In seinem brisanten Buch Der Amri-Komplex. Ein Terroranschlag, 12 Tote und die Verstrickung des Staates hat Moser akribisch dargelegt, wie groß die Unterschiede zwischen der staatsoffiziellen Erzählung im Hinblick auf den Anschlag sind und den Widersprüchen, die er aufgedeckt hat.

Im Interview beleuchtet Moser den Anschlag im Hinblick auf seine Recherchen und sagt unmissverständlich:
„Der Anschlag ist nicht aufgeklärt.“

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Dez. 2021 | Allgemein, Buchempfehlungen, In vino veritas, Junge Rundschau, Politik, Sapere aude, Senioren, Zeitgeschehen, Wo aber Gefahr ist, wächst / Das Rettende auch | Kommentieren

Zunächst einmal: was für eine gute Idee. Das Jahrzehnt von 1929 bis 1939 zu beschreiben in Vignetten, die alle um Liebe kreisen (oder das, was angesichts der Neuen Sachlichkeit davon übrig geblieben sein soll), ermöglicht Florian Illies einen kurzweiligen und doch elementaren Zugriff auf die Kulturgeschichte.
Der Beginn mit dem Jahr 1929 und eine prominente Rolle für Alfred Döblin lassen darauf schließen, dass vielleicht auch die Form des Buches von Döblin und seinem um 1929 spielenden Roman „Berlin Alexanderplatz“ inspiriert sein könnte, nämlich durch das Verfahren der Montage. Unvermittelt stehen bei Illies Schlaglichter nebeneinander, durch Sternchen getrennt. So springt man vom ersten Date zwischen Jean-Paul Sartre und Simone de Beauvoir in Paris zu dem von Sophie Scholl und Fritz Hartnagel, dazwischen fällt man mit Picasso, Brecht und Benn zwischen viele unglücklichen Frauen, mit Zelda und Scott Fitzgerald in eine Ehekrise und in die Ménage-à-trois auf Ibiza zwischen dem Dadaisten Raoul Hausmann, seiner Ehefrau Hedwig Mankiewitz und seiner „Muse“ Vera Broido. Es geht um die emanzipierte Liebe der „neuen Frau“ in Berlin, die Erich Kästner ratlos macht und ihn den Roman „Fabian“ schreiben lässt, es geht um homosexuelle Liebe bei Klaus Mann oder Christopher Isherwood, es geht um sadomasochistische Liebe zwischen dem Maler Rudolf Schlichter und seiner Frau Elfriede, genannt Speedy.

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Dez. 2021 | Allgemein, Buchempfehlungen, Feuilleton | Kommentieren

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