Mit gefälschten Jobangeboten locken Mafiabanden Menschen in Südostasien an und halten sie in kriminellen Callcentern gefangen. Dort müssen sie online Unschuldige erpressen. Hunderttausende sind betroffen. In die Falle gelockt: Er schildert fürchterliche Erinnerungen an einen Job, der zunächst so verheißungsvoll angepriesen wird. Im Nachbarland Kambodscha soll er für guten Lohn die Webseite eines Casinos betreuen. Auf Facebook hatte er das Jobangebot gelesen – die Aufgabe im Casino gibt es nicht. Eine Falle.
Er wird in ein kriminelles Callcenter gebracht. Und soll nun vorsätzlich Menschen betrügen. Scamming, das heißt, von Unschuldigen Geld erpressen. In einem großen Raum sitzt er mit anderen vor Computern, hat mehrere Handys. „Ich musste mich da am Telefon als Polizist ausgeben“, erklärt er die Betrugsmasche. „Ich hatte von den chinesischen Chefs eine Liste mit thailändischen Opfern erhalten, die ich dazu bringen musste, Geld zu überweisen.“
Das Opfer wird zum Täter gemacht
Er muss Menschen in Thailand zu Opfern machen und ist selbst ein Opfer. Kay zeigt die Narben an seinem Arm, die er davongetragen hat. Die seelischen Verletzungen kann man nur erahnen. „Ich musste 150 Opfer am Tag erpressen. Das ist sehr viel. Wenn ich das Geld nicht reingebracht habe, gab es Ärger“, so beschreibt Kay den Druck und die Brutalität in der Scam-Fabrik. „Dann wurde ein Übersetzer geholt, weil ich ja thailändisch gesprochen habe, aber die Bosse nur chinesisch. Und dann sind sie aufgestanden und haben mich mit Holzstöcken geschlagen.“
Vor den Augen der anderen wird er misshandelt. Und erlebt auch, wie andere bestraft werden, zum Beispiel durch Elektroschocks. Verlassen kann er das Gebäude nicht, es ist gesichert wie ein Gefängnis, mit Wachpersonal, Mauern und Zäunen. Mehrmals, so schildert er uns, wird er verkauft an andere Betreiber von Scam-Fabriken.
Syndikate vernetzen sich
Kambodscha und auch Länder wie Thailand, Myanmar und Laos, die zum sogenannten Goldenen Dreieck gehören, haben durch den Drogenhandel bereits etablierte kriminelle Strukturen. Meist chinesische Mafiabanden haben enge Kontakte zu lokalen Akteuren in Wirtschaft und Politik, erläutert Hofmann. So hätten sie während der Corona-Pandemie hinter den Fassaden von klassischen Kasinos illegale Online-Betrugszentren aufbauen können.
„Eine Sache ist dabei besonders beunruhigend“, erläutert Hofmann, „das ist die Vernetzung der Kriminellen aus unterschiedlichen Teilen der Welt. Und das Problem wird noch zunehmen in Zukunft“. Ihre Spuren führen längst auch in die USA und nach Europa.
Unter öffentlichem Druck kündigte Kambodscha im vergangenen Jahr ein hartes Durchgreifen an. Seitdem deckt die Polizei immer häufiger illegale Call-Center auf und führt dann öffentlich und medienwirksam ausländische Arbeiter ab.
Die Regierung in Phnom Penh möchte den schlechten Ruf loswerden, sie habe der Online-Mafia die Türen geöffnet und profitiere davon.
Nach eigenen Angaben haben die Behörden so mehr als zweitausend Menschen befreit und gerettet, illegale Unternehmen geschlossen.
Doch Menschenrechtsgruppen und Opfer berichten, dass die Schattenindustrie und auch der Menschenhandel weiter florieren.
Flucht mit Hilfsorganisation