„Blutauto“ – so nannten „Wissende“ eine Recherche, in der es um die Nachhaltigkeit von Auto-Rohstoffen ging. Das Wort entstand in Anlehnung an sogenannte Blutdiamanten. Bei deren Förderung sterben oft Menschen. Auch finanziert der Diamantenhandel nicht selten Gewalt und Kriege. Wir dachten uns: Solche Blutdiamanten will sich doch eigentlich niemand umhängen – aber warum reden so wenige über den Blutzoll, der mit der Autoproduktion verbunden ist? Freude am Fahren – im Blutauto?
Die meisten Autokonzerne, die 2017 auf das Thema angesprochen wurden, reagierten damals recht planlos. Irgendwie wurde das Thema dort schon gesehen, aber eine tragfeste Strategie hatten die wenigsten Hersteller. Ein Unternehmen aber fiel positiv auf: Bei BMW gab es Verantwortliche, die wussten, wovon sie sprachen und die hatten eine ausgearbeitete Strategie für einen besseren Rohstoffeinkauf – noch nicht perfekt, nicht wirklich nachhaltig, aber mit vielen guten Schritten in diese Richtung.
BMW kann die Verantwortung nicht von sich weisen
Schon damals zeichnete sich ab, dass sich BMW nicht länger damit zufriedengeben wollte, dass Zwischenhändler eine einwandfreie Rohstoffherkunft bescheinigten. Denn oft waren diese Zusagen das Papier nicht wert, auf dem sie standen. BMW wollte deshalb mehr Rohstoffe direkt dort einkaufen, wo sie erzeugt werden. So kam es, dass BMW Lieferverträge mit Metallminen abschloss.
Das war gut gedacht, aber, wie wir jetzt wissen, nicht gut gemacht. Die Recherchen von NDR, WDR, SZ und französischen Medien deuten darauf hin, dass aus der marokkanischen Mine Bou Azzer, die auch BMW versorgt, große Mengen Arsen in die Umwelt gelangen. BMW kann die Verantwortung nicht von sich weisen, weil der Konzern das Kobalt direkt beim Minenbetreiber kauft und weil das Lieferkettengesetz BMW zur Einhaltung von Nachhaltigkeitskriterien beim Rohstoffeinkauf verpflichtet.
Das hat eine gewisse Tragik. Denn kaum ein Autobauer hat sich so ausgiebig mit Nachhaltigkeitsfragen im Bereich der Rohstoffe – vom Einkauf bis zu geschlossenen Stoffkreisläufen – befasst, wie BMW. Und während andere Hersteller noch hinter den Kulissen gegen das Lieferkettengesetz lobbyierten, setzte sich BMW öffentlich dafür ein. Aus Sicht der Münchner war das schlüssig, zwingt das Gesetz doch alle anderen Hersteller, die Anstrengungen zu unternehmen, die BMW zum Teil schon hinter sich hat.
Der Skandal in Marokko ist schmerzhaft für BMW, aber noch schmerzhafter für die betroffenen Minenarbeiter und Anwohner. BMW muss die Probleme schnell abstellen oder den Lieferanten wechseln. Der Skandal zeigt aber auch, wie nötig der genaue Blick der Unternehmen auf ihre Lieferkette ist. Wenn es ein solches Problem bei BMW gibt, möchte man gar nicht wissen, was bei anderen (weniger gründlichen oder nicht rechtstaatlich kontrollierten) Unternehmen so los ist.
Heute hat es ausgerechnet den Rohstoff-Streber BMW erwischt. Wettbewerbern, die darüber spotten, sei gesagt: Schaut lieber mal ganz schnell nach, ob nicht bei Euch hinter der nächsten Ecke etwas noch viel Schlimmeres lauert.