Jede falsche rhetorische Wendung, jeder Fehltritt kann existenzielle Folgen haben und zur Ausgrenzung führen. Seit jeher gilt der Nahostkonflikt als hochkomplex und als eine der kompliziertesten Krisen der Welt. Seit dem barbarischen Angriff der Hamas auf Israel am 7. Oktober hat sich die Lage verschärft.
Wie wir über den Krieg reden, ihn einordnen und bewerten, hängt auch von den Bildern ab, die er produziert.

Gut zu erkennen war das, nachdem am Dienstagabend ein Krankenhaus aus Gaza ins Zentrum der Weltöffentlichkeit geraten war. Eine Explosion, Hunderte Tote und gegenseitige Schuldzuweisungen: eine undurchsichtige, eine grauenvolle Situation – wie so oft im Krieg. Blitzschnell kursieren Bilder in den sozialen Medien und dazu die passenden Narrative.

Eines davon: Israel ist schuld am Tod vieler unschuldiger Zivilisten. So rasant wie sich diese Erzählung in der Welt verbreitete, konnte kein Journalist das vorhandene Material verifizieren, erst recht keine unabhängige Kommission die Vorwürfe aufklären. Dabei stellte sich schon sehr bald heraus, dass die Beweislage brüchig war – und dass es gute Gründe gibt, an der Schuldzuweisung in Richtung Israel zu zweifeln.

Doch da entzündete sich mit den Bildern vom Ahli-Arab-Krankenhaus aus dem Zentrum von Gaza-Stadt schon längst ein Furor des Zorns.Es brodelte in der muslimischen Welt, in vielen Städten quer über den Globus verteilt wurden israelische Botschaften oder Synagogen zum Ziel der Wut. Brennende Israelfahnen, Molotowcocktails auf jüdische Einrichtungen, „Free Palästina“-Parolen.

Womit wir wieder beim Reizwort der Stunde wären. Im Namen Palästinas findet sekündlich Propaganda statt. Gesteuert von den Terroristen der Hamas, die keine Regeln der Menschlichkeit kennen, sich wie skrupellose Schlächter verhalten und mit ihrem Überfall auf Israel eine unverzeihliche Spur der Verwüstung hinterlassen haben – physisch wie seelisch. Man darf die extremistische Ideologie dieses Terrorkommandos nicht aus den Augen verlieren, ihre Ruchlosigkeit und ihren Hass auf westliche Werte wie Freiheit, Gleichheit und die Demokratie.

Deshalb ist es wichtig, der Hamas nicht auf den Leim zu gehen und genau hinzuschauen. Auf der einen Seite befindet sich eine Demokratie, ein Rechtsstaat: Israel. Auf der anderen Seite eine Gruppe von Islamisten, die in ihrer offiziellen Charta zum gewaltsamen Dschihad gegen alle Juden aufruft und den Staat Israel vollständig zerstören will. Und zwischen diesen Fronten: unschuldige Zivilisten, Menschen, die mit der Hamas nichts zu tun haben wollen. Die von ebendieser als Schutzschilde und zum Instrument perfider Propaganda missbraucht werden.

Deshalb ist es so heikel, dieser Tage über Palästina zu sprechen.Denn dazu gehört nicht nur der Gazastreifen, sondern auch das Westjordanland. Die insgesamt 5,2 Millionen Menschen in diesen Gebieten sind nicht automatisch Terroristen. Dennoch durchleben sie Schmerz und Qualen durch Tod und Zerstörung – und teilen damit das Schicksal ihrer jüdischen Leidensgenossen nur wenige Kilometer entfernt, die in Frieden leben wollen.

Allzu schnell wird der Vorwurf erhoben, man relativiere die Gräueltaten der Terroristen, wenn man auf die humanitäre Lage im Gazastreifen hinweist. „Palästina“ wirkt dabei wie ein Signalwort. Derjenige, der das Leid der Palästinenser thematisiert, sieht sich schnell selbst in der Kritik. Dabei gilt für den Krieg: Es muss ganz genau hingeschaut werden. Es wäre paradox, mit unschuldigen, israelischen Babys mitzufühlen, aber die Augen vor palästinensischen Kinderleichen zu verschließen.Nicht jede Äußerung über das Leid der Palästinenser ist eine Relativierung des israelischen Leids vom 7. Oktober.

Es ist wichtig, diese Verhältnisse klar zu benennen. So wie es US-Präsident Joe Biden getan hat, als er sagte: „Wir dürfen nicht aus dem Blick verlieren, dass die überwältigende Mehrheit der palästinensischen Bevölkerung nichts mit der Hamas zu tun hat, und nun leiden auch diese Menschen in Gaza.“ Das sagt der Staatschef von Israels finanzieller und militärischer Schutzmacht, der amerikanische Präsident. Denn ja, es ist beides zugleich möglich: Israels Kampf gegen Terroristen zu unterstützen und das Leid im Gazastreifen unerträglich zu finden.

Es wird der nächste Tag kommen, der mit leidvollen Bildern den eigenen moralischen Kompass auf die Probe stellt. Wenn bei der israelischen Bodenoffensive Unschuldige sterben, weil die Hamas Raketenwerfer in Schulen versteckt, ihre Waffenlager unter Krankenhäusern deponiert. Diese Terroristen wissen um die Macht der Bilder. Sie beherrschen das Spiel der Aufmerksamkeitsökonomie, bei dem es darum geht, möglichst emotionale, erschütternde Geschichten in Umlauf zu bringen und sich damit die Unterstützung der Mitfühlenden zu ergaunern und sei es durch noch so arglistige Täuschungen.

Dann kippt plötzlich die Stimmung. Schnell kann aus den Bilderfluten des Grauens eine Welle des Hasses werden. Israel wäre umringt von Feinden, die sich den Narrativen der Islamisten gerne und schnell anschließen.

Deshalb darf uns das Leid nicht spalten, müssen wir Reflexen widerstehen und unsere Stimme für das Völkerrecht erheben. Unsere westlichen Demokratien dürfen nicht zu Orten verkommen, an denen nicht über mehrere Seiten des Krieges gesprochen werden kann. Ob in sozialen Medien, auf der Straße, in der Schule, auf der Frankfurter Buchmesse, in einem ZDF-Podcast oder sonst wo: Es muss immer klar sein, dass das mörderische Gemetzel der Hamas diesen Krieg entfacht hat, dass Israel ein Recht auf Selbstverteidigung hat – und es muss zugleich über humanitäre Lösungen für die Millionen Unschuldigen gesprochen werden, die darunter leiden.

Denn eine Ohnmacht der Worte wäre eine Kapitulation vor den Mechanismen des Terrors. Egal wie explosiv die Lage auch sein mag: Populismus und Schnellschussreaktionen, Antisemitismus und Hetze sind keine Gegenmittel. Stattdessen braucht es Besonnenheit und Diplomatie, um Lösungen wie Sicherheitszonen für Zivilisten und Flüchtlingskorridore Richtung Ägypten zu ermöglichen. Das verhindert am Ende einen „Flächenbrand in Nahost“, wie Experten in der Region ihn befürchten.

Unsere Empathie sollte allen Jenen
gelten die um ihre Heimat bangen.

 

 

Dez. 2023 | Allgemein, Essay, Feuilleton, Junge Rundschau, Kirche & Bodenpersonal, Politik | Kommentieren