Ohne Geldwäsche ließe sich aus Straftaten nur schwer Profit ziehen. Steuerhinterziehung, Betrug, Menschenhandel, Drogen-geschäfte oder das Schmuggeln geschützter Tierarten sind für Straftäter vor allem dann lukrativ, wenn sie schmutziges Geld unbehelligt „waschen“ können. Vor diesem Hintergrund hat die
Europäische Union im Jahr 2021 einen Reformprozess zur Bekämpfung von Geldwäsche und Terrorfinanzierung eingeleitet.
Was dies für Deutschland bedeutet und weshalb es sich lohnt, den Weg zu neuen EU-Gesetzen wissenschaftlich zu begleiten, erklärt der Spezialist für Strafrecht, Strafprozessrecht und Wirtschaftsrecht Kilian Wegner von der Europa-Universität Viadrina im Gespräch.
? : Herr Wegner, weshalb befassen Sie sich mit dem Thema Geldwäsche? Ist das in Deutschland tatsächlich ein so großes Problem?
Wegner: Ja, das würde ich sagen. Früher wurde Deutschland oft sogar als „Geldwäscherparadies“ bezeichnet. Und obwohl in den letzten Jahren kleinere Fortschritte bei der Bekämpfung von Geldwäsche erzielt wurden, gibt es nach wie vor erhebliche Schwachstellen. Die Financial Action Task Force (FATF) hat dies in ihrem kürzlich erschienenen Deutschland-Bericht noch einmal minutiös aufgeführt und für viele Bereiche Reformen angemahnt. Bei der FATF handelt es sich um eine internationale Institution, die zu Geldwäsche und Finanzierung von Terrorismus und der Verbreitung von Massenvernichtungswaffen forscht und weltweit Standards auf den Weg bringt; über 200 Staatenund Jurisdiktionen haben sich zur Einhaltung dieser Standards verpflichtet. Aber auch bei der Forschung hapert es: Wir wissen tatsächlich nicht viel über das Ausmaß von Geldwäsche, obwohl es ein zentrales Kriminalitätsthema ist. Alle profitorientierten Straftaten von Steuerhinterziehung und Betrug über Menschenhandel oder Drogengeschäfte bis hin zu Rohstoffgewinnung durch Sklaverei und Schmuggeln bedrohter Tierarten wären ohne Geldwäsche weniger lukrativ.
? : Wo liegen die Schwachstellen in unserem System?
Wegner: Das ist eine lange Liste. Ein großes Problem ist die fehlende Gesamtstrategie zur Bekämpfung von Geldwäsche durch die stark zersplitterten Behörden, die noch dazu personell unterbesetzt sind. Die Statistiken zeigen, dass bundesweit fast nur „kleinere Fische“ erwischt werden, etwa wenn Geldbeträge von 10.000 Euro über private Konten
sogenannter „Finanzagenturen“ laufen. Komplexe kriminelle Strukturen werden meist nicht vom Staat, sondern – wenn überhaupt – über sogenannte Whistleblower, investigative Journalisten oder Nicht- Regierungs-Organisationen aufgedeckt. Dazu kommt, dass unsere
Ermittlungsbehörden und die über 300 Aufsichtsbehörden bundesweit kaum digitalisiert und vernetzt sind, sodass notwendige Daten zur
Geldwäschebekämpfung nur schlecht miteinander abgeglichen werden können.
? : Das Unternehmen Wirecard mit seinen Finanzskandalen ist ein
berühmtes Beispiel, das wohl vielen im Gedächtnis bleiben wird.
Wegner: Auch hier gab es keine Behörde, die sich klar zuständig sah. Erst Journalisten haben den Fall ins Rollen gebracht. Andere Geldwäsche- delikte in Deutschland, beispielsweise über Briefkastenfirmen, wurden durch Leaks wie die Pandora- oder Panama-Papers aufgedeckt.
Stiftung: Sie sagen, dass die Bekämpfung der Geldwäsche in Deutsch-
land lange nur unzureichend verfolgt wurde. Was ändert sich jetzt?
Wegner: Geldwäsche wird in Deutschland zwar schon seit den 1990er-
Jahren bekämpft, allerdings nicht nachdrücklich genug. Spätestens seit
dem russischen Krieg in der Ukraine hat das Thema jedoch eine erheb-
liche Aufwertung erfahren, weil Geldwäsche jetzt auch als Risiko für
die innere und äußere Sicherheit wahrgenommen wird. Fälle von Sank-
tionsumgehungen durch Angehörige der Russischen Föderation haben
deutlich gemacht, wie wehrlos Deutschland eigentlich ist.
?: Wie sieht es mit Geldwäsche und Terrorfinanzierung in ande-
ren europäischen Staaten aus?
Wegner: Grundsätzlich haben alle europäischen Staaten ein ernsthaf-
tes Problem mit Geldwäsche. Manche sind bei der Aufstellung ihrer
Behördenlandschaft weiter als Deutschland, hier kann man zum Bei-
spiel Italien mit seiner „Guardia di Finanza“ nennen. In dieser Behörde
sind viele Kompetenzen gebündelt, die für eine effektive Geldwäsche-
bekämpfung nötig sind; sie hat Zugriff auf wichtige Datenquellen und ist
personell hervorragend ausgestattet. Bei manchen Staaten muss man lei-
der auch feststellen, dass sie so stark von Kriminellen als Finanzstandort
genutzt werden, dass hinter der Toleranz der zuständigen Behörden eine
bewusste volkswirtschaftliche Strategie zu vermuten ist. Das betrifft
insbesondere Zypern und Malta. Aber auch das Vereinigte Königreich,
Luxemburg, Liechtenstein und die Schweiz sind Staaten, die – aller
gegenteiligen Beteuerungen zum Trotz – auch heute noch in fast jedem
aufgedeckten Fall komplexer Geldwäsche eine zentrale Rolle spielen.
? : Vor zwei Jahren hat die EU-Kommission ein umfangreiches
Regulierungsvorhaben zur Geldwäschebekämpfung vorgestellt. Was
bedeutet das und wann soll das konkret umgesetzt werden?
Wegner: Herzstück des neuen europäischen Geldwäscherechts soll ein
einheitliches und unmittelbar in allen EU-Mitgliedstaaten geltendes
Gesetz sein, das die nationalen Vorschriften zur Geldwäscheprävention
weitgehend ersetzt. Darin werden vor allem die Präventionspflichten
für Unternehmen geregelt, die bisher das deutsche Geldwäschegesetz
bestimmt. Zu dem von der EU-Kommission vorgeschlagenen Reform-
paket gehören außerdem eine Richtlinie, die den Mitgliedstaaten Vor-
gaben für Mindeststandards für ihre behördliche Geldwäscheabwehr-
struktur macht, und eine Verordnung, die die Geldwäscheprävention
beim Transfer von Kryptowerten, zum Beispiel Bitcoin, regelt. Außer-
dem soll eine neue EU-Behörde zur Bekämpfung von Geldwäsche und
Terrorfinanzierung ins Leben gerufen werden. Der gesamte Prozess ist
schon weit gediehen, sodass vielleicht Ende des Jahres mit einer Eini-
gung zwischen den Akteuren auf EU-Ebene zu rechnen ist.
? : Ihr Ziel ist es, dieses europäische Gesetzgebungsvorhaben
wissenschaftlich zu begleiten. Wie kann man sich das vorstellen?
Wegner: Unser Anliegen ist es, eine informierte Debatte zu ermöglichen.
Alle beteiligten Akteure in Deutschland – insbesondere Politik, Verwal-
tung, Wirtschaft und Medien – sollen verstehen, was genau in Planung
ist. Deswegen führen wir Fachgespräche, halten Vorträge und erstellen
zum Beispiel für Mitglieder des Bundestags, des Europäischen Parla-
ments oder Journalisten Informationsmaterial zum laufenden EU-
Gesetzgebungsverfahren. Betroffene Unternehmen müssen rechtzeitig
wissen, was an neuen Regelungen auf sie zukommt. Und wo sich auf-
grund nationaler Besonderheiten in Deutschland Probleme wegen der
zu erwartenden neuen Regelungen abzeichnen, können diese von Poli-
tikern bereits jetzt in Brüssel und Luxemburg vorgebracht und idealer-
weise im EU-Prozess berücksichtigt werden.
?: Sie arbeiten auch mit deutschen Behörden zusammen. Wie gehen Sie hier vor?
Wegner: Einmal im Jahr veranstalten wir einen Gesprächskreis
„Geldwäschebekämpfung“. Es handelt sich um praktische Workshops
mit Vertretern maßgeblicher Behörden: Landeskriminalämter, Staats-
anwaltschaften, Aufsichtsbehörden, Zoll, Financial Intelligence Unit,
Finanz- und Justizministerium. Sie sind schließlich diejenigen, die sich
in ihrem Berufsalltag mit konkreten Geldwäschesachverhalten befassen.
Außerdem treffe ich mich regelmäßig mit Behördenvertretern zum
fachlichen Austausch. Es gibt auf allen Ebenen einen großen Willen zur
Veränderung.
?: Sie gehören zum Stipendienprogramm für Juniorprofessoren
der Daimler und Benz Stiftung. Inwieweit ist die Förderung für Ihre
Forschung hilfreich?
Wegner: Mit den Fördermitteln der Stiftung finanziere ich Workshops
und die Arbeit an einer von mir herausgegebenen Zeitschrift mit geld-
wäscherechtlichem Fokus, in der regelmäßig Beiträge zum aktuellen
EU-Reformprozess erscheinen. Zudem arbeiten wir an einer Bibliografie,
die Spezialliteratur zum Geldwäscherecht in ganz Europa erfasst – so
etwas gibt es bislang noch nicht. Bei all diesen Vorhaben werde ich durch studentische und wissenschaftliche Hilfskräfte unterstützt, die
ich dank der Förderung der Stiftung einstellen konnte.
?: Was wünschen Sie sich mit Blick auf die Wirkung Ihrer
Forschung für die Zukunft?
Wegner: Ich hoffe, dass wir in Deutschland anlässlich des europäischen
Reformprozesses bei der Bekämpfung der Geldwäsche deutlich voran-
kommen. Für unsere Sicherheit, unseren Rechtsstaat und letztlich für
unsere Demokratie ist das enorm wichtig.
Prof. Dr. Kilian Wegner forscht zum aktuellen EU-Reformprozess zur
Bekämpfung von Geldwäsche, damit in Deutschland effizienter gegen
Straftaten vorgegangen werden kann. Dazu bindet er Politik, Wirtschaft
und Behörden aktiv ein. Sein Forschungsprojekt wird im Rahmen
des Stipendienprogramms für Postdoktoranden der Daimler und Benz
Stiftung gefördert.
Stipendienprogramm für Postdoktoranden und Juniorprofessoren
Die Daimler und Benz Stiftung vergibt jedes Jahr zwölf Stipendien an
ausgewählte Postdoktoranden mit Leitungsfunktion und Juniorprofesso-
ren. Ziel ist, die Autonomie und Kreativität der nächsten Wissenschaftler-
generation zu stärken und den engagierten Forschern den Berufsweg
während der produktiven Phase nach ihrer Promotion zu ebnen. Die
Fördersumme in Höhe von 40.000 Euro pro Stipendium steht für die
Dauer von zwei Jahren bereit und kann zur Finanzierung wissenschaft-
licher Hilfskräfte, technischer Ausrüstung, Forschungsreisen oder zur
Teilnahme an Tagungen frei und flexibel verwendet werden. Durch
regelmäßige Treffen der jungen Wissenschaftler dieses stetig wach-
senden Stipendiatennetzwerks fördert die Daimler und Benz Stiftung
zugleich den interdisziplinären Gedankenaustausch.
Die Daimler und Benz Stiftung
Die Daimler und Benz Stiftung fördert Wissenschaft und Forschung.
Dazu richtet sie innovative und interdisziplinäre Forschungsformate ein.
Ein besonderes Augenmerk legt die Stiftung durch ein Stipendienpro-
gramm für Postdoktoranden sowie die Vergabe des Bertha-Benz-Preises
auf die Förderung junger Wissenschaftler. Mehrere Vortragsreihen
sollen die öffentliche Sichtbarkeit von Wissenschaft stärken und deren
Bedeutung für unsere Gesellschaft betonen.
Prof. Dr. Kilian Wegner ist Stipendiat
der Stiftung und Juniorprofessor für
Strafrecht, Strafprozessrecht und Wirtschaftsstrafrecht
an der Europa-Universität Viadrina