Die Sauerstoffkonzentration in den oberen 1000 Metern der Weltmeere sinkt seit knapp 30 Jahren kontinuierlich. Das ist ein Trend, den man schon seit einer Weile erwartet, weil das Wasser in den Ozeanen langsam wärmer (und „vermüllter“) wird und deshalbn auch die Löslichkeit von Sauerstoff im Wasser sinkt. Für eine solche  Kontinuität gibt es in der Erdgeschichte allerdings bereits beunruhigende Beispiele – allerdings scheint dieser Temperatureffekt (noch) nur in den oberen Schichten oberhalb der Thermokline der bestimmende Faktor zu sein.

 

Je tiefer man ins Wasser schaut, desto stärker weicht die Sauerstoffkonzentration von der entsprechenden Vorhersage ab: Es muss also neben der steigenden Temperatur noch weitere Effekte geben, die den Sauerstoffgehalt tiefer Schichten sinken lassen.
Das ist freilich ein ziemlich unerfreulicher Trend, denn ohne Sauerstoff geht fast das komplette Meeresleben unterhalb der Oberflächenschicht zugrunde. Das ist gar nicht mal so unwahrscheinlich, in der Vergangenheit ist sowas schon ein paar mal passiert. Zum Beispiel vor 93,5 Millionen Jahren – da führte dies zu einem Massenaussterben von Meeresorganismen. Manche Fachleute vermuten auch, dass ein solches anoxisches Ereignis (hier: „Ozeanisches Atoxisches Ereignis“, OAE) beim größten Massenaussterben der Weltgeschichte vor 250 Millionen Jahren beteiligt war. Solche Phasen sind mit ein paar hunderttausend Jahren relativ kurz, wir verdanken ihnen aber bedeutende Erdölvorkommen, weil sich dadurch viel Organische Materie am Meeresboden ablagert.

Die interessante Frage ist nun, ob wir derzeit wieder auf einen sauerstofflosen Ozean zusteuern. Manche Fachleute nehmen an, dass die Ozeane mit Mineralien quasi überdüngt wurden und die organische Materie den Sauerstoff verbraucht hat. Eine Andere Vermutung ist, dass die Schichtung des Ozeans zu stabil wurde und deswegen unterhalb der obersten Schicht einfach kein Sauerstoff mehr neu dazu kam. Letzteres führt man darauf zurück, dass das Klima sehr warm war und das Wasser an der Oberfläche deshalb wie ein warmer, leichter Deckel auf dem Ozean lag. Tatsächlich deuten Isotopendaten darauf hin, dass anoxische Ereignisse mit Warmphasen in Zusammenhang stehen. Wie auch immer, momentan existiert beides: ein warmes Klima und ein überdüngter Ozean.

Lokal gibt es schon seit Jahrzehnten die sauerstoffarmen Todeszonen vor den Küsten. Wir können nur hoffen, dass für ein „Ozeanisches Anoxisches Ereignis“ spezielle geographische Bedingungen vorhersschen müssen, wie damals, im schmalen und schlecht durchlüfteten Atlantik der Kreidezeit – oder dem heute schon anoxischen Schwarzen Meer.

Wir wissen nicht, ob die heutigen Todeszonen schon davon zeugen, dass der Ozean durch menschlichen Einfluss umkippt, oder ob sie vom Mechanismus her nichts mit den OAEs zu tun haben. Und wir wissen auch nicht, ob das ein langsamer Prozess ist oder ob der Ozean plötzlich innerhalb von vier, fünf Jahrzehnten tot ist. Wir wissen aber, dass die Weltozeane schon häufiger tot waren, und es auch in Zukunft immer mal wieder sein werden …

Mai 2023 | Allgemein, Gesundheit, In vino veritas, Junge Rundschau, Sapere aude, Wissenschaft | Kommentieren