Ein Mann wurde in Texas schuldig gesprochen, weil er einen Anti-Rassismus-Demonstranten erschossen hatte. Keine 24 Stunden später springt der republikanische Gouverneur dem Verurteilten bei – und schrieb gegen den »progressiven Staatsanwalt«. Derzeit diskutieren im US-Bundesstaat Texas Politiker und die Bevölkerung über die mögliche Begnadigung eines gerade verurteilten Mörders. Der Mann war gerade des Mordes an einem Demonstranten bei einem Black-Lives-Matter-Protest für schuldig befunden worden – keine 24 Stunden später setzte sich der republikanische Gouverneur Greg Abbott für seine Begnadigung ein.
Abbott erklärte gerade auf Twitter, er habe den Begnadigungsausschuss des Bundesstaats dazu aufgerufen, eine Empfehlung für die Begnadigung von Daniel P. auszusprechen. Nach dieser Empfehlung freue er sich darauf, sie zu genehmigen, schrieb Abbott weiter.
Der verurteilte P., ein Feldwebel und Teilzeitfahrer beim Fahrdienstleister Uber, war gerade wegen der Tötung eines 28-Jährigen schuldig gesprochen worden. Die Verkündung des Strafmaßes steht noch aus.
Das Opfer hatte an einer Demonstration der Anti-Rassismus-Bewegung Black Lives Matter gegen Polizeibrutalität in Austin teilgenommen. P. hatte angegeben, er sei am Tatabend durch Austin gefahren und in eine Straße voller Demonstrierender eingebogen. Nach Angaben der Polizei hupte P. in Richtung der Protestteilnehmer und fuhr in die Menge, um sich einen Weg durch die Demonstration zu bahnen. In einem Video aus der Nacht ist ein Auto zu sehen, zu dessen linker Seite viele und zu dessen rechter Seite vereinzelt Menschen stehen und gehen, kurz darauf sind mehrere Schüsse zu hören.
Der erschossene weiße 28-jährige Demonstrant trug legal ein AK-47-Gewehr bei sich. Das Geschworenengericht im Prozess gegen den ebenfalls weißen P. hörte widersprüchliche Aussagen zur Frage, ob der 28-Jährige das Gewehr auf P. gerichtet hatte. Aber P. gab an, er habe um sein Leben gefürchtet und deshalb das Feuer mit einer Waffe eröffnet, die er ebenfalls legal mit sich führte.
Abbott ätzt gegen Jury und Staatsanwalt, die Partnerin des Opfers bezeichnet den Vorstoß als »widerlich«
Die Staatsanwaltschaft argumentierte, dass P. den Ort mit seinem Auto hätte verlassen können, bevor er seinen Revolver abfeuerte. Zeugen sagten auch aus, dass P. vor der tödlichen Schießerei in Nachrichten an Freunde damit gedroht hatte, Demonstranten zu töten. P.s Anwälte argumentierten dagegen, ein als »Stand Your Ground« bekanntes Gesetz des Bundesstaats rechtfertige dessen Handlung. In 27 US-Bundesstaaten räumen solche Gesetze ein sehr weitreichendes Recht zur Selbstverteidigung ein.
Gouverneur Abbott stimmte den Anwälten von P. zu. »Texas hat eines der stärksten ›Stand Your Ground‹-Gesetze zur Selbstverteidigung«, schrieb er auf Twitter und ätzte, dieses können »nicht von einer Jury oder einem progressiven Staatsanwalt aufgehoben werden«. Die schwarze langjährige Partnerin des Opfers bezeichnete den Begnadigungsvorstoß Abbotts auf Instagram dagegen als »extrem falsch und widerlich«.
Umstrittener Moderator forderte Abbott zur Begnadigung P.s auf
Bevor sich Abbott für die Begnadigung von P. einsetzte, hatte der umstrittene Fox-News-Moderator Tucker Carlson den Fall in einer Sendung aufgegriffen und Abbott unter Druck gesetzt. Man habe eine Einladung an Abbott ausgesprochen und ihn eingeladen, in der Sendung darüber zu sprechen, ob er eine Begnadigung für P. erwäge, sagte Carlson. Abbott habe aber abgesagt. Carlson kommentierte, es gebe in Texas »kein Recht auf Selbstverteidigung« mehr. Ob das letztlich zu Abbotts Entscheidung beitrug, ist nicht bekannt.
Die texanischen Republikaner lobten nun die Entscheidung des Gouverneurs. Dagegen kritisierte die demokratische Abgeordnete Sarah Eckhardt die Entscheidung als »verblüffende und gefährliche Aufhebung der Rechtsstaatlichkeit, die zu weiteren bewaffneten Auseinandersetzungen und unvermeidlichen Tragödien führen wird«.
Seit mehreren Jahren demonstrieren Menschen besonders in den USA immer wieder gegen Polizeigewalt und für die Rechte schwarzer Menschen. So führte die Ermordung des Afroamerikaners George Floyd durch den weißen Polizisten Derek Chauvin im Mai 2020 zu landesweiten Demonstrationen und teils gewaltsamen Ausschreitungen.
In schwarzen Familien in den USA ist es oft üblich, dass Eltern ihren Kindern besondere Verhaltensregeln beibringen, um deren Überlebenschancen bei einer Konfrontation mit der Polizei zu erhöhen.