Gaslighting ist die bewusste Manipulation eines anderen Menschen. Das Ziel: Den Selbstwert und die Wahrnehmung des „Opfers“ zu schwächen. Doch wer nutzt so eine perfide Taktik? Und wer lässt dies mit sich machen? Eine Psychologin erklärt, wie Betroffene sich wehren können: „Das bildest du dir nur ein“ oder „So etwas habe ich nie gesagt“ – genau solche Sätze nutzen manche Menschen, um ihre Partner oder Familienmitglieder zu verunsichern und Tatsachen zu verdrehen. Sie sind typisch für Gaslighting – die bewusste und beabsichtigte Manipulation anderer Menschen.
Gaslighting ist nicht harmlos – sondern eine Form von psychischer Gewalt. Wir erklären, an welchen Anzeichen man Gaslighting erkennt und welche Sätze typisch sind. Zudem gibt eine Psychologin Tipps, wie sich Betroffene dagegen zu wehren können.
Woher kommt der Begriff Gaslighting?
Der Begriff Gaslighting hat einen eher ungewöhnlichen Ursprung – er stammt von einem Theaterstück ab. Der Autor Patrick Hamilton hat im Jahr 1938 das Stück „Gas Light“ geschrieben, welches durch seine Verfilmungen „Gas Light“ 1940 und „Das Haus der Lady Alquist“ bekannt wurde.
Der Begriff ist passend gewählt, denn in dem Stück und den Filmen geht es genau darum, was Gaslighting heute ausmacht: Manipulation. Der Protagonist manipuliert seine Ehefrau so lange, bis diese an ihrer eignenen Wahrnehmung zweifelt und fast wahnsinnig wird. Das schafft er, indem er behauptet, Dinge nicht zu sehen, die sie wahrnimmt. Das alles macht er, um an ihr Erbe zu kommen.
.Was ist Gaslighting? Definition, Anzeichen und Beispiele:
Gaslighting ist die psychologische Manipulation einer Person – und das über einen längeren Zeitraum hinweg. Ziel des Täters ist, das Gegenüber extrem zu verunsichern. Der andere wird gezielt manipuliert und desorientiert – und dadurch schwach. Somit gewinnt der Täter Macht über sein „Opfer“. Bei Gaslighting handelt es sich um eine Form der psychischen Gewalt. Geschieht Gaslighting über längere Zeit, kann es laut Definition dazu kommen, dass Betroffene „die Gültigkeit der eigenen Gedanken, ihre Realitätswahrnehmung oder Erinnerungen in Frage“ stellen. Vereinfacht bedeutet das: Sie zweifeln an ihrer eigenen Wahrnehmung, obgleich das Bauchgefühl ihnen vermutlich sagt, dass hier etwas nicht stimmt und sie recht haben.
Doch wie sieht Gaslighting konkret im Alltag aus?
Welche Anzeichen gibt es? Hier ein Beispiel:
Harald und Marie sind seit zwei Jahren ein Paar. Anfangs war die Beziehung sehr schön, doch mittlerweile hat das Selbstbewusstsein von Marie extrem gelitten. Sie fühlt sich nicht wohl, ist eingeschüchtert und ruhiger geworden. Sie ist nicht mehr glücklich. Dabei ist für Marie nicht richtig zu fassen, was sich verändert hat. Sie hat ein schlechtes Bauchgefühl und fühlt sich von Harald schlecht behandelt. Wenn sie das anspricht, schiebt Harald die Vorwürfe von sich, sagt, Marie würde sich alles nur einbilden. Tatsächlich stimmt alles mit Maries Wahrnehmung. Denn Harald lügt Marie immer wieder glaubhaft an, stichelt, verdreht Tatsachen. Und macht Beleidigungen in Form von „Witzen“ auf Maries Kosten. Immer, wenn es Marie reicht, ist Harald plötzlich wieder nett und bemüht sich – damit Marie bei ihm bleibt.
Das Beispiel von Marie und Harald ist ein typischer Kreislauf psychischer Gewalt:
Psychische Misshandlungen welchseln sich häufig mit ruhigen und versöhnlichen Phasen ab.
„Beleidigungen werden in diesem Zusammenhang benutzt, um das Selbstbewusstsein des Opfers weiter zu schwächen, damit die Manipulation überhaupt möglich ist“, erklärt die Diplom-Psychologin Bärbel Wardetzki, die als Expertin im Bereich Narzissmus gilt.
Typische Sätze: Was sagen Gaslighter?
- „Das hast du falsch verstanden.“
- „So etwas würde ich nie sagen.“
- „Damals hast du dem zugestimmt, erinnerst du nicht?“
- „Das war ganz anders.“
- „Da stimmt etwas mit deiner Erinnerung nicht.“
- „Sei nicht so empfindlich.“
- „Du bist ja paranoid.“
- „Das war doch nur ein Witz, verstehst du keinen Spaß mehr?“
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Perfiderweise betreiben Menschen Gaslighting, die ihren „Opfern“ besonders nahe stehen. Also der Partner oder die Partnerin, die Mutter, der Vater, oder Geschwister. Wer sich über Gaslighting informiert, liest häufig, dass Gaslighting von Narzissten als Methode benutzt wird. Auch Psycholgen haben dies in Interviews immer wieder betont.
Wissenschaftlich erwiesen ist, dass krankhafte Narzissten andere Menschen abwerten, um sich selbst „größer“ zu fühlen. Grund hierfür ist, dass sie trotz ihrer großen Taten, die sie nach Außen zur Schau stellen, eigentlich ein geringes Selbstwertgefühl haben. Indem Narzissten andere Menschen kleinmachen, fühlen sie sich besser.
Die Aussage, Narzissten würden Gaslighting betreiben, sieht zumindest Bärbel Wardetzki eher kritisch. Narzissten gehe es eigentlich mehr um Anerkennung. „Viel zu viele Menschen werden derzeit als Narzissten bezeichnet“, sagt die Diplom-Psychologin. Dabei hätten nur ein bis drei Prozent der Bevölkerung eine narzisstische Persönlichkeitsstörung. Auch solch populäre Worte wie Gaslighting fände sie schwierig, sagt Wardetki. „Obwohl solche Begriffe für Betroffene eine Hilfe sind, zu begreifen, was mit ihnen geschieht – und wie sie sich wehren können.“
Wer ist anfällig für Gaslighting?
„Um Opfer von Gaslighting zu werden, muss man überhaupt erst zulassen, dass ein anderer Mensch solch eine Macht über einen bekommt“, erklärt Bärbel Wardetzki. Ein Beispiel aus dem Bereich Narzissmus: Jeder Mensch kann sich in einen Narzissten verlieben. Die Frage ist: Wer bleibt bei ihm, wenn er schlecht behandelt wird?
Nur Menschen, die selbst Defizite haben, bleiben in einem (psychischen) Missbrauchsverhältnis. „Das sind häufig Menschen, die sich innerlich unsicher fühlen. Sie lassen sich von anderen Menschen so stark beeinflussen, weil sie selbst Orientierung suchen.“
Psychologe gibt Tipps: So wehren Sie sich gegen die Manipulation
Sie haben das Gefühl, dass Sie in Ihrer Beziehung selbst Opfer von Gaslighting sind? Dann ist es wichtig, dass Sie ab sofort klare Grenzen setzen und sich gegen die Manipulation wehren. Die Psychologin hat für Betroffene einige Tipps.
„Um aus der Teufelsspirale herauszukommen, sollte man dringend mit anderen Menschen in Kontakt gehen“, rät Wardetzki. Häufig seien Betroffene mittlerweile weitestgehend von Freunden und Familie isoliert. Hilfe können man auch bei einer telefonischen Seelsorge bekommen. Wichtig sei ist, andere Menschen zu fragen, wie diese die Situation einschätzen würden. Das könne ein guter Freund, ein Coach oder ein Therapeut sein.
Ganz wichtig: „Man sollte bereit sein, die Beziehung infrage zu stellen – mit allen Konsequenzen.“ Das Problem sei, dass viele ihre Beziehung idealisieren würden. „Sie setzen sich unter Druck, denken: Mit diesem Menschen muss es endlich klappen“, sagt Wardetski. „Doch solche Gedanken hindern einen daran, zu sehen, wie elend die Situation wirklich ist.“ Das alles erfordere Mut und die ehrliche Erkenntnis: Es ist gar nicht so schön, wie ich es mir einrede.
Ein nächster Schritt ist, in einem Gespräch anzusprechen, was in der Beziehung falsch läuft. Diese könne sich nur verbessern, wenn der andere wirklich bereit sei, Fehler einzugestehen und sich zu bessern, sagt Wardetski. Bei dem Gespräch sollte man darauf gefasst sein, dass der der anderen einen wieder manipulieren könnte. Den richtigen Zeitpunkt für so ein Gespräch gäbe es nicht. „Wenn der andere gute Laune hat, kann es hilfreich sein.“
In einem Fall von schwerem psychischen oder sogar körperlichem Missbrauch und bei keiner Aussicht auf Besserung rät die Psychologin dazu, den inneren Ablösungsprozess alleine zu vollziehen und sich „davonzuschleichen“. Man sollte sich – mit Unterstützung von Freunden – eine Wohnung und einen Job suchen. Wichtig: „Keine neue Adresse und keine Telefonnummer herausgeben, um sein Leben zu erneuen.“ Um so einen Ablösungsprozess vollziehen zu können, sollte man sich therapeutische Hilfe holen. Damit der oder die Betroffene überhaupt erst die Stärke bekommt, um sich endgültig zu trennen.