Kaum ein Mann (nicht nur) der russischen Geschichte war derart gefürchtet wie Josef Stalin. Doch am 1. März 1953 war der nahezu allmächtige Diktator der Sowjetunion vollkommen hilflos. Zusammengesunken auf dem Boden seiner Datscha entdeckten die Bodyguards den 74-jährigen, ein Schlaganfall hatte ihn ereilt. Was sollten sie tun? Diese Frage stellten sich die Angehörigen von Stalins Entourage, darunter sein späterer Nachfolger Nikita Chruschtschow und Geheimdienstchef Lawrenti Beria. In dem Klima der Angst, das Stalin erzeugt hatte, konnte sich jegliche Entscheidung schnell als verhängnisvoll erweisen.
Als verhängnisvoll erwies sich auch eine der letzten Schandtaten, die Stalin zum Ende seines Lebens ersonnen hatte: die sogenannte Ärzteverschwörung, nach der vor allem jüdische Mediziner Stalin angeblich nach dem Leben getrachtet hätten. Völliger Unsinn, aber mit Folgen für den Diktator selbst. Ein Großteil der Ärzte, die ihn nun hätten behandeln können, war weggesperrt.
„Eine Ironie der Geschichte – Stalin wurde so zu einem der letzten Opfer des von ihm selbst geschaffenen Stalinismus“, befindet der Historiker und Russlandexperte Stefan Creuzberger. Am 5. März 1953 starb der Diktator, der die Sowjetunion nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs auf den Höhepunkt ihrer Macht geführt hatte. Vom Pazifik bis an die Elbe reichte das sowjetische Imperium mitsamt der Moskau hörigen Satellitenstaaten wie etwa der DDR.

Dort sollte 1989 ein KGB-Offizier den Fall der Berliner Mauer und das Ende des Eisernen Vorhangs miterleben. Sein Name: Wladimir Putim. „Für Putin brach eine Welt zusammen“, sagt Stefan Creuzberger, der im vergangenen Jahr das Buch „Das deutsch-russische Jahrhundert. Geschichte einer besonderen Beziehung“ veröffentlicht hat. „Für ihn war die DDR eine Art Kriegstrophäe, die die Sowjetunion für das Opfer von rund 27 Millionen Toten im Zweiten Weltkrieg erworben hatte.“
Dies nun einfach aufzugeben zugunsten einer Wiedervereinigung der beiden deutschen Staaten? Für Putin ein Unding. Ebenso wie die Implosion der Sowjetunion 1991, für Russlands heutigen Präsidenten die „größte geopolitische Katastrophe“ des vergangenen Jahrhunderts. Eine „Katastrophe“, die Putin „korrigieren“ will.
Pakt mit dem Todfeind
In Bekundungen eifert der starke Mann im Kreml immer wieder den als „groß“ betitelten Herrscherpersönlichkeiten des Zarenreichs nach, wie Peter I. oder Katharina II. Doch auch Stalin, der die Sowjetunion ab 1927 für mehr als ein Vierteljahrhundert beherrschte, spielt dabei eine gewichtige Rolle. Denn Putin, seit mehr als 20 Jahren Herr im Kreml, denkt bei seinem Eroberungskrieg eher in den Dimensionen Stalins.
„Putin sieht sich durchaus in einer Tradition mit Stalin“, erklärt Stefan Creuzberger. „Dieser hat in der Tat aus der früheren Regionalmacht Sowjetunion zunächst eine Großmacht, dann nach Ende des Zweiten Weltkriegs gar eine Supermacht geformt.“
Um dieses Ziel zu erreichen, war Stalin nahezu jedes Mittel recht. Er paktierte 1939 mit dem Bolschewistenhasser Adolf Hitler, marschierte wie dieser noch im gleichen Jahr in Polen ein – und ließ im Frühjahr des Jahres 1940 Tausende gefangene polnische Offiziere beim Massaker von Katyn umbringen.
„Stalin setzte die Industrialisierung des Landes wie auch die Kollektivierung der Landwirtschaft ohne Rücksicht auf Menschenleben durch und fern jeder ökonomischen Rationalität“, sagt Stefan Creuzberger. Das gefürchtete Lagersystem Gulag diente neben der Disziplinierung der Bevölkerung auch der „Zurverfügungstellung“ von Arbeitskräften.