Der Kaffee ist in Italien mitunter eine flotte Angelegenheit. 25 Sekunden brauchen die neusten Maschinen für einen Espresso.
Und, das bedeutet, dass man ungefähr 40 Sekunden nach der Bestellung in einer italienischen Bar – mehr oder weniger sofort – eine Tasse vor sich stehen hat. „Caffè al banco“ nennt sich ein Espresso, den man – schnell schnell! – im Stehen an der Theke trinkt.
Für die immense Bedeutung, die dieses Ritual hat, ist es erstaunlich kurz. Für die immense Bedeutung, die dieses Ritual hat, ist es erstaunlich kurz – und, es ist kaum vorstellbar, dass es irgendwo einen italienischen Ort – und sei er auch noch so klein – ohne Bar gibt.
Die können untereinander verschieden sein, doch ihre Geräusche sind immer gleich:
Das Zischen der Espressomaschine, das Klappern der Untertassen auf dem Tresen. Ich könnte Stunden in diesen Bars verbringen: Das Geschick bewundern, mit dem jeder Zuruf in Windeseile bearbeitet wird. Den Gästen dabei zusehen, wie sie sich grüßen, miteinander plauschen – oder in Ruhe gelassen werden wollen. Oft, besonders am Morgen und nach dem Mittagessen, wenn jeder einen Kaffee braucht, ist ein Barbesuch ein Spektakel.
Ein soziales Ritual
Sprechen Deutsche über Kaffee in Italien, geht es oft darum, dass er billig ist. Ein Cappuccino für nur einen Euro! Das stimmt natürlich – und es ist großartig. Doch die Kosten sind nicht der entscheidende Punkt. Man sollte den Kaffee nicht an der Bar trinken, weil er dort günstiger ist als am Tisch. Sondern weil es ein anderes Erlebnis ist. Ein soziales Ritual, bei dem die unterschiedlichsten Menschen auf engstem Raum aufeinandertreffen. Es muss also billig sein, damit es allen (am besten mehrmals am Tag) zugänglich ist. Deshalb gibt es in Neapel den sogenannten „caffè sospeso“. Wer ein paar Euro mehr dabei hat, kann einen Kaffee für denjenigen zahlen, dessen Geldbeutel leer ist. Man lässt einfach eine Münze mehr da – und wird nie erfahren, wer einmal davon profitiert.
Gerne wird sich über hippe Cafés lustig gemacht, bei denen man fünf verschiedene Entscheidungen treffen muss, um an eine Tasse Kaffee zu kommen (den Protagonisten in Jan-Ole Gersters Film „Oh Boy“ treibt das fast in die Verzweiflung.) Doch auch bei der Bestellung eines scheinbar simplen Espressos kann man seiner Schrulligkeit mitunter freien Lauf lassen: Da gibt es zum Beispiel diejenigen, die ihren Kurzen partout nicht aus der Tasse, sondern „al vetro“, im Glas, trinken wollen, weil das geschmacklich angeblich einen immensen Unterschied macht. Und überhaupt bietet eine sehr kleine Tasse mehr Varianten als man denkt: Macchiato caldo (mit einem Schuss heißer Milch), macchiato freddo (mit einem Schuss kalter), decaf (ohne Koffein) und im Sommer, im Süden, caffè in ghiaccio (auf Eis) – am besten mit Mandelmilch.
Heiß muss er sein!
Der Klassiker, der Espresso, genannt „caffè“, ist hingegen einfach. Im Grunde hat er nur zwei entscheidende Eigenschaften: Er muss heiß und „corto“ sein, das heißt stärker und mit weniger Flüssigkeit als bei uns. Eine Italienerin, die schon lange in Deutschland lebt, sagte mir einmal, die deutsche Antwort auf ihre Bitte, den Espresso „sehr heiß“ zu servieren, stelle sie nie zufrieden: Er sei eben so heiß, „wie die Maschine ihn macht“, bekomme sie immer wieder zu hören. Dabei sei sie überzeugt, dass der Kaffee in Italien heißer ist.
Einmal bestellte ein Freund und ich in Rom einen Espresso. Mein Freund ging auf die Toilette. Während ihrer Abwesenheit hatte der Barmann ihren Kaffee wutschnaubend weggeschüttet und knallte ihr, als sie wieder da war, kommentarlos einen neuen vor die Nase. Eine solche Kulturlosigkeit, den Kaffee auch nur eine Minute abkühlen zu lassen, konnte er nicht ertragen. Auch das ist ein Grund, den caffè „al banco“ zu trinken: Man stelle sich den Temperatursturz vor, bis der Espresso am Tisch angekommen ist!
Die Bar, dieser magische Ort
Italienische Bars sind anders als Lokale, die man hierzulande kennt, weil sie alles auf einmal sind – und sein können: Es gibt Kaffee und Drinks, man kann frühstücken und einen Aperitif einnehmen, ja sogar oft sehr anständig zu Mittag essen. Die Bar ist immer geöffnet, von früh morgens bis spät abends. Und einen Caffè al banco kann man zu jeder Zeit trinken. Niemals würde es vorkommen, dass, wie in manch deutschem Lokal, der Satz fällt: „Nach neun Uhr keine Heißgetränke.“ Denn in der Bar dreht sich vieles um dieses eine Getränk, den caffè.