Aber: Nicht nur Benzin – auch Kuhmilch wird subventioniert

Zum Tankrabatt würde es jedoch sinnvolle Alternativen geben, von denen auch Geringverdiener profitieren. Stattdessen wird derzeit in Deutschland hitzig über den sogenannten Tankrabatt diskutiert. Dabei wird meist vergessen: Eigentlich werden Autofahrer beständig unterstützt, auch ohne Tankrabatt oder Pendlerpauschale: weil sie die gesellschaftlichen Kosten, die sie verursachen, nicht in Gänze übernehmen. Kein Verkehrsmittel wird so stark subventioniert wie das Auto. Die Kosten für Infrastruktur und Folgekosten zum Beispiel durch Emissionen und Flächenverbrauch sind viel höher als die Einnahmen.

Trotz dieser starken Subventionierung bleibt ein Auto auch für den Besitzer teuer – deutlich teurer, als den meisten Menschen bewusst ist. Wer 50 Jahre lang Auto fährt, wird dabei – je nach Modell – etwas weniger oder etwas mehr als eine halbe Million Euro los. Den Rest – etwa 40 Prozent der Gesamtkosten – trägt die Allgemeinheit. Und damit auch die vielen Steuerzahler, die gar kein Auto besitzen.

Eigentlich sollte der Staat nur fördern, was für die Allgemeinheit wünschenswert und von Nutzen ist, von Bildung über Gesundheitsvorsorge bis zu sauberer Luft, einem stabilen Klima und dem Erhalt der Artenvielfalt. Fossile Energienutzung oder mehr Autoverkehr gehören im 21. Jahrhundert definitiv nicht mehr dazu. Wer einen fossilen SUV fahren möchte, sollte das gern tun – aber bitte die Folgekosten nach dem Verursacherprinzip voll selbst tragen und nicht etwa Subventionen dafür erwarten.

Das meistens vorgebrachte Gegenargument gegen solche ehrlichen Preise geht so: Geringverdiener könnten sich dann den teuren Sprit nicht mehr leisten, etwa die auf dem Land lebende Krankenschwester, die mit dem Auto 30 Kilometer zur Arbeit pendeln muss. Dieses Problem ist real und wichtig, und diese sprichwörtliche Krankenschwester sollten wir unterstützen. Nur ist die Lösung nicht subventioniertes Benzin, sondern mehr Geld für die Krankenschwester.

Erstens profitieren von billigem Benzin und Heizöl meist die Falschen: die mit den durstigsten Autos und den größten Häusern , die Ölkonzerne und Putin, weniger aber die Menschen mit geringem Einkommen. Zweitens entsteht durch künstlich billigen Sprit der falsche Anreiz, mehr zu verbrauchen und nicht weniger. Und drittens ist es bevormundend: Gibt man der Krankenschwester mehr Geld, dann hat sie die Freiheit, selbst zu entscheiden, was sie damit machen möchte: weiter mit dem Diesel pendeln oder ein E-Auto anschaffen oder eine teurere Wohnung nah an ihrem Arbeitsplatz mieten. Wer ihr nur billiges Benzin anbietet, nimmt ihr diese Wahlfreiheit.

Warum einigen sich die Ampelparteien, die sich soziale Gerechtigkeit, Klimaschutz und Freiheit auf die Fahne geschrieben haben, nicht auf andere Lösungen? Detailliert durchgerechnete Vorschläge für ein Klimageld, von dem Klima und Geringverdiener gleichermaßen profitieren, liegen auf dem Tisch, zum Beispiel vom Ariadne-Projekt .

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Der Tankrabatt ist ein deutscher Selbstbetrug

Doch was für die Autofahrer in Deutschland gilt, gilt leider auch weltweit für die fatale fossile Energienutzung: Sie wird massiv subventioniert. Zwar versprachen die G7-Staaten Ende Mai (wenige Tage bevor der Tankrabatt der Bundesregierung in Kraft trat), die direkte öffentliche Finanzierung fossiler Energieträger bis Ende 2022 einzustellen und »ineffiziente« fossile Subventionen bis 2025 zu beenden. Doch die G7 (damals noch G8) versprechen schon seit 2009 immer wieder, ineffiziente fossile Subventionen zu beenden – und seit 2016 wird dafür das Enddatum 2025 genannt. Liest man damalige Medienberichte dazu, kann man sie leicht mit einem aktuellen Bericht verwechseln . Auch die G20 versprechen seit 2009 ein Ende der fossilen Subventionen . Doch wenig ist seither passiert, um sie tatsächlich abzubauen.

Schon die Frage, was mit fossilen Subventionen gemeint ist und was „ineffiziente“ fossile Subventionen genau sind, bleibt umstritten, da es verschiedene Berechnungsmethoden gibt . Man unterscheidet Subventionen für Erzeuger oder Verbraucher – wobei beim deutschen Tankrabatt unklar ist, wer hier hauptsächlich subventioniert wird .

Noch wichtiger ist aber, den Unterschied zwischen offenen und versteckten Subventionen zu verstehen. Nur die Summe von beiden zeigt das volle Ausmaß der öffentlichen Förderung fossiler Energien. Diese berechnet seit 2015 der internationale Währungsfonds (IWF) – eine grünem Wunschdenken gänzlich unverdächtige Organisation von 189 Nationen. Dabei wird vom Verursacherprinzip ausgegangen: verursacht ein Produkt Kosten für die Allgemeinheit, etwa durch Luftverschmutzung, sollte der Verursacher diese auch bezahlen, indem eine entsprechende Steuer auf das Produkt erhoben wird. Eine implizite (oder Nachsteuer-)Subvention existiert dann, wenn die Steuer zu niedrig ist, sodass die Allgemeinheit auf einem Teil der verursachten Kosten sitzen bleibt.

In einer Studie vor dem Pariser Klimagipfel 2015 schätzte der IWF die weltweiten offenen und versteckten fossilen Subventionen auf atemberaubende 5300 Milliarden US-Dollar im Jahr. Richtig: 5.300.000.000.000 Dollar! Ein IWF-Update vom September 2021 ergab 5900 Milliarden US-Dollar , entsprechend 6,8 Prozent der weltweiten Wirtschaftsleistung. Die Subventionen steigen demnach immer weiter, statt abgebaut zu werden. 29 Prozent davon sind Klimaschäden, die nicht vom Verursacher, sondern von uns allen bezahlt werden.

Dabei sind diese vom IWF noch konservativ angesetzt, nämlich mit einem angenommenen CO₂-Preis von 60 Dollar pro Tonne. Das Umweltbundesamt rechnet bereits mit Klimakosten von 200 Euro pro Tonne CO₂ .

Der IWF argumentiert völlig zu Recht, dass eine volkswirtschaftlich effiziente Bepreisung von Benzin, Erdgas und Kohle die Schadenskosten abdecken sollte – nur so entsteht der richtige Preisanreiz, um die gesellschaftlichen Schäden zu minimieren und Investitionen, wo immer sinnvoll, in klimafreundlichere Alternativen umzulenken. Würde die G7-Ansage, ineffiziente fossile Subventionen bis 2025 zu beseitigen, im Sinne des IWF umgesetzt, wäre dies ein sensationeller Fortschritt beim Klimaschutz. Leider wird eine derart vernunftgeleitete Politik wohl vorerst ein frommer Wunsch bleiben.

Sep. 2022 | Allgemein, Essay, In vino veritas, Politik, Zeitgeschehen | Kommentieren