Chinesischer Außenminister bei Münchner Sicherheitskonferenz

Ein Signal aus dem Bayerischen Hof könnte Putin überrascht haben: In bemerkenswerter Klarheit sprach sich der chinesische Außenminister Wang Yi gegen eine militärische Intervention in der Ukraine aus.

Als Putin kürzlich zur Eröffnung der Olympischen Winterspiele in Peking war, sah es noch so aus, als seien die beiden autoritären Großmächte ein Herz und eine Seele. Staats- und Parteichef Xi Jinping unterzeichnete ein gemeinsames Dokument gegen die NATO-Erweiterung. Das wirkte so, als erteile Peking dem russischen Präsidenten in seiner Konfrontation mit dem Westen eine weitreichende Prokura.

 

Putin schwächt die eigene Ostflanke

Die Haltung zur NATO behielt Wang auf der Sicherheitskonferenz bei, aber ansonsten zog er Putin eine Linie: Sein Hinweis, dass auch für die Ukraine die Grundsätze von Souveränität, Unabhängigkeit und territorialer Integrität gälten, zeigt die Grenzen der russisch-chinesischen Allianz auf. Der chinesischen Führung, die diese Prinzipien gegenüber Taiwan oder den Anrainern des Südchinesischen Meers selbst in Frage stellt, dürfte bewusst sein, dass ein russischer Überfall unabsehbare, potentiell destabilisierende Folgen für die gesamte Weltpolitik haben dürfte.

Für Putin, der in der Beziehung zu Peking der schwächere Partner ist, ist die chinesische Haltung zumindest ein diplomatischer Rückschlag. Mit seinem Hochrisikospiel in Osteuropa schwächt er nun die eigene Ostflanke, und das nicht nur politisch. Dass vor kurzem ein amerikanisches U-Boot in russische Gewässer vor den Kurilen eingedrungen sein soll, kann eine russische Falschmeldung gewesen sein, ein Zufall – oder ein subtiler Fingerzeig Washingtons, dass Russland sich in Asien verwundbar macht.

Weniger überrascht kann Putin vom transatlantischen Schulterschluss sein, der die Münchner Zusammenkunft prägte. Seit Wochen zeigen NATO, EU und das erweiterte westliche Lager große Geschlossenheit im Konflikt mit Russland. Es ist eine alte Erfahrung, dass äußere Bedrohungen in der Weltpolitik zusammenschweißen, selbst wenn sie nur indirekt sind.

Der anklagende und emotionale Auftritt des ukrainischen Präsidenten erinnerte die versammelten Transatlantiker daran, dass sie letztlich aus einer komfortablen Situation heraus reden und handeln, denn kämpfen wollen sie für die Ukraine erklärtermaßen nicht. Und dass der Westen den Grundsatz der freien Bündniswahl hochhält, die Ukraine auf absehbare Zeit aber nicht in die NATO lassen wird (noch nicht einmal in die EU), ist in der Tat ein Widerspruch, auch wenn er strategisch gut begründbar ist.

Auffällig war, dass Wolodymyr Selenskyj sich der amerikanischen Darstellung, dass Putin die Entscheidung zum Angriff schon getroffen habe, in München nicht anschließen wollte. Sein Argument, dass Panik seinem Land nur schade, insbesondere der Wirtschaft, ist leider richtig. Auch im Informationskrieg, der zwischen dem Westen und Russland geführt wird, zahlt die Ukraine derzeit den höchsten Preis.

Feb. 2022 | Allgemein, In vino veritas, Politik, Sapere aude | Kommentieren