Fun und Job – ist das alles?
Respekt vor der Freude an der Sache, Freiheit vom Zweckhaften und Absichtsvollem Kindern etwas beibringen zu wollen, das heißt erst einmal, daß man Kinder mögen muß, und, um das tun zu können, sollte man zuvor über den großen Büchern der Menschheit oder dem großen Buch der Natur gesessen haben, um etwas herauszubekommen. Zugleich jedoch „muß“ das niemand, es ist ganz und gar unselbstverständlich, es kostet Zeit und Mühe und steht in eigentlich aussichtsloser Konkurrenz zu viel leichteren Wegen, Spaß zu haben, oder Geld zu verdienen.
Man braucht das ansteckende Vorbild, um sich darauf einzulassen, den Lehrer, in dem die Faszination für sein Fach noch nicht erloschen ist, den Freund, dem seine Doktorarbeit auch wichtiger ist als die schnelle Karriere, und um einen herum brauchts das Land und die Leute, wo Erkenntnis etwas gilt und Ignoranz keine Zier ist.
Wer keinen Ehrgeiz und keine Hochschätzung für das Lesen, Grübeln, Ausprobieren und Nachts-Wachbleiben zu inspirieren vermag, die am Grund der Forschung liegen – der wird mit Innovationsbüros und Modernisierungsgipfeln schwerlich Spitzenleistungen herbeizaubern. Es mag sinnvoll sein, für die deutschen Schulen und Universitäten mehr Geld zu verlangen oder ihnen eine andere Organisation zu verpassen. Doch woran sie eigentlich kranken, ist die Mißachtung der Gesellschaft für das, was in ihnen vorgeht und die Selbstverachtung, die daraus entspringt, eine Mentalität, der Fun, Job oder eben auch die regierungsamtlich geforderte „Erschließung von Zukunftsmärkten“ wichtiger sind als das komplizierte und empfindliche Eigenleben des Geistes. Es fehlt vielfach, banal und pathetisch gesagt, die Freude an der Sache. Die kann die Politik nicht erzeugen. Aber Respekt kann sie zeigen und wecken. Es ist lange her, daß ein Bundeskanzler, wie Helmut Schmidt, sich stolz als Kant-Schüler bekannt hat oder daß man sich, wie die SPD 1979 bei Carl Friedrich von Weizsäcker, um einen großen Gelehrten für die Präsidentschaftskandidatur bemüht hätte.
Die Bildungspolitiker haben neuerdings, in ihrer Rhetorik wenigstens, die Freiheit entdeckt: mehr Autonomie für Schulen und Hochschulen, mehr Wettbewerb. Das ist gut und richtig. Doch die Freiheit, auf die es hier letztlich ankommt, ist die Freiheit vom Zweckhaften und Absichtsvollen, auch von den vermeintlich guten Absichten. Bildungspolitik ist keine Sozialpolitik, so wenig wie sie Wirtschaftspolitik ist; wenn sie etwas für eine gerechte Gesellschaft oder den Standort Deutschland zu leisten vermag, dann allenfalls nebenbei, hinter ihrem Rücken. Da ist es wie mit dem sozialen Nutzen der Religion: Daß eine Gesellschaft besser funktionierte, wenn in ihr der Glaube stark ist, mag stimmen, aber von dieser Einsicht wird man noch nicht fromm. Man wird sogar zum Heuchler, wenn man mit solchen Hintergedanken Gott und Kirche propagiert. So verkommt auch eine Schule, Universität oder Wissenschaftslandschaft, die sich nach den Relevanzdiktaten des Tages ausrichten soll – gestern Emanzipation und Egalität, heute (wieder) exportstarkes „Made in Germany“. Leute dagegen, die nach freier Wahl harte Nüsse knacken, werden ihr Land schon voranbringen, ganz gleich, welche Nuß sie sich ausgesucht haben. got