Die Covidpandemie hat zu politischen und finanziellen Friktionen geführt. Der große Kreditgeber ist in vielen Ländern nicht mehr so willkommen wie noch vor wenigen Jahren:
Johnson Beach ist eine afrikanische Idylle wie aus dem Bilderbuch. In dem kleinen Fischerdorf an der Küste des einstigen westafrikanischen Bürgerkriegsstaates Sierra Leone scheint die Zeit stehen geblieben zu sein. Gleich hinter dem von Palmen gesäumten Strand erhebt sich malerisch eine kleine Hügelkette. Doch die Idylle ist bedroht: Schon bald soll hier ein 55 Millionen Dollar teurer, von China finanzierter Fischereihafen entstehen.
Der Hafen soll Teil der „Neuen Seidenstraße“ sein, durch die Chinas Staatschef Xi Jinping Südost- und Zentralasien mit Europa und Teilen von Afrika verbinden will. Allerdings ist das Vorhaben aus Umweltgründen heftig umstritten. Viele Einheimische befürchten, dass sich China ohne größere Rücksicht auf den Tourismus die reichen Ressourcen Sierra Leones einverleiben möchte. Schon die Ausbeutung der Fischgründe vor der Küste Sierra Leones durch China steht stark in der Kritik.
Die Stimmung mit Blick auf China ist gekippt in Sierra Leone. Hatten 2015 noch 55 Prozent der Menschen dort den chinesischen Einfluss als positiv beschrieben, waren es im vergangenen Jahr gerade noch 40 Prozent. Und das, obwohl China seit dem Ausbruch der Coronapandemie mit der Lieferung von Impfstoff und anderen Medikamenten versucht hat, das Verhältnis zu verbessern.
So wie in Sierra Leone hat sich das Verhältnis zu China in vielen afrikanischen Ländern abgekühlt. Nachdem die afrikanischen Regierungen den bislang betriebenen Tauschhandel von Rohstoffen für Infrastruktur ausdrücklich begrüßt haben, sind die dadurch entstandenen engen Beziehungen mittlerweile deutlich eingetrübt. Das hat politische und finanzielle Gründe: Je umfangreicher das chinesische Engagement in Afrika wurde, desto schwieriger wurde es für Peking, sein Prinzip der Nichteinmischung in die internen Angelegenheiten des Handelspartners aufrechtzuerhalten, etwa im chaotischen Südsudan oder dem diktatorisch regierten Simbabwe.
Rassistische Vertreibung afrikanischer Studenten
in der Coronapandemie
Einen besonders scharfen Bruch in den Beziehungen markierte im vergangenen Jahr das Vorgehen chinesischer Lokalbehörden in Guangzhou gegen die dort ansässige afrikanische Studenten-Diaspora, die man für eine zweite Corona-Infektionswelle verantwortlich machte.
Ein lange schwelender Rassismus brach sich Bahn, der in der Vertreibung Dutzender Afrikaner aus ihren Wohnungen gipfelte – und in Afrika für Empörung sorgte. Etwa ein Dutzend Regierungen des Kontinents bestellte die chinesischen Botschafter ein – ein bis dato nie praktizierter Schritt.
Bedeutsam war der Rauswurf der Afrikaner auch deshalb, weil China zuvor besonders stark in den Fokus afrikanischer Studenten gerückt war. Victoria Breeze und Nathan Moore von der Michigan State University schätzen, dass vor der Pandemie über 80.000 Afrikaner in China studierten – mehr als in den traditionellen Studienländern Amerika oder Großbritannien.
Ein weiterer Grund für die Enttäuschung auf afrikanischer Seite: Viele Länder haben festgestellt, dass bei den chinesischen Infrastrukturprojekten weit weniger Know-how transferiert wird als bei anderen internationalen Projekten, weil überwiegend chinesische Arbeiter eingesetzt werden.
China steht als Gläubiger in der Kritik
Als weiterer Reibungspunkt hat sich die zögerliche Haltung Chinas gegenüber einem Schuldenaufschub für Afrika entpuppt. China ist inzwischen der größte einzelstaatliche Gläubiger des mittlerweile wieder hochverschuldeten Kontinents. Bislang ist die Reaktion aus Peking auf den Hilferuf einzelner afrikanischer Staaten eher verhalten.
Anders als der Westen, der 2005 durch eine einseitige Schuldabschreibung die Auslandsverbindlichkeiten der afrikanischen Empfängerländer mit einem Schlag von 100 auf 40 Prozent ihres Bruttoinlandsprodukts (BIP) reduzierte, zeigt sich China weit weniger kulant. Das fällt in Zeiten der wirtschaftlichen Probleme im Zug der Covidkrise besonders auf, in denen Länder wie Kenia oder Sambia Probleme mit der Rückzahlung ihrer Kredite haben.
Erst im vergangenen Jahr hatten die G20-Länder, darunter auch China, beschlossen, den eigentlich fälligen Schuldendienst für 73 Länder auszusetzen, um deren Verbindlichkeiten neu zu strukturieren. Offenbar sind jedoch viele chinesische Kreditzusagen so angelegt, dass sie nicht unter die Übereinkunft fallen.
Viele Kreditverträge chinesischer Kreditgeber sind wenig transparent. Das Forschungszentrum Aiddata in Virginia (USA) hat weltweit über 13.000 Projekte untersucht, für die China in den vergangenen 18 Jahren rund 800 Milliarden Dollar zur Verfügung gestellt hat. Fast die Hälfte davon betrachtet Aiddata als „versteckte Schulden“. Seine Forscher zählten nicht weniger als 44 Länder, die China den Gegenwert von mindestens zehn Prozent ihres Bruttoinlandsprodukts schulden.
Daraus folgert Aiddata, dass die aus der chinesischen Kreditoffensive herrührenden Schulden „beträchtlich größer“ sind, als Ratingagenturen und andere zur Schuldüberwachung eingesetzte Gremien bislang vermutet hatten. Gerade erst hat Sambias hochverschuldete neue Regierung eingeräumt, fast doppelt so hohe Verbindlichkeiten gegenüber China zu haben wie zuvor gemeldet: 6,6 Milliarden Dollar statt 3,4 Milliarden.