„Wozu Atomkraftwerke? Bei uns kommt der Strom aus der Steckdose!“ Das war ein beliebter Witz in den Achtzigern, wo man noch offen über Ökos lachen durfte und mit gespielter Naivität das eigene Verbraucherverhalten verhohnepipelte. Heute mutet der Witz wie ein Kassandra-Ruf an: Die deutsche Energiewende droht gleich nach dem Abbiegen an die Wand zu fahren. Aber kaum jemand ist sich der bedrohlichen Lage bewusst – der Strom fließt ja noch.
Dabei scheint die Havarie so evident wie gewollt zu sein: Die Energiepreise explodieren – wegen Rohstoff-Knappheit, Steuern und Aufschlägen durch das EEG, wegen CO2-Zertifikaten und symbolpolitischer Fehlentscheidungen.
Der Furor, mit dem die gesamte Flotte der Atomkraftwerke und Kohlekraftwerke versenkt wird, ohne die Versorgungslücken geplant und sicher schließen zu können, ist jeder Vernunft abhold und kommt einem wirtschaftlichen Amoklauf gleich. Die nun bevorstehenden Stilllegungen von Kraftwerken beseitigen die letzten Leistungsreserven, weshalb massive Versorgungsengpässe drohen und Kettenreaktionen im Wirtschaftskreislauf ausgelöst werden können. Energieintensiven Industriezweigen droht das Aus, einhergehend mit dem Kollaps einer auf lückenlose Energieversorgung angewiesenen Industrienation.
Grüne Gesinnungspolitik führt früher oder später zur Abschaffung der Vernunft. Weil ihr am Ende der moralische Anspruch immer wichtiger ist als das Ergebnis aufgeklärten Abwägens. Es ist nicht Naivität, sondern Ignoranz, mit der man die Energieversorgungskrise heraufbeschworen hat. Und es ist nicht so, dass man den Kollaps nicht hätte kommen sehen – er wird bewusst in Kauf genommen – sondern, dass man seine Folgen und Kollateralschäden unterschätzt und schamlos herunterspielt. Die Münchhausen-Version einer sozialverträglichen Transformation hat sich bereits selbst widerlegt; die Energiekosten richten sich schon heute massiv gegen alle, die knapp bei Kasse sind und kaum über die Runden kommen. Jürgen Trittin hatte 2004 noch versprochen: „Es bleibt dabei, dass die Förderung Erneuerbarer Energien einen durchschnittlichen Haushalt nur rund 1 € im Monat kostet – so viel wie eine Kugel Eis“. Schon 2019 bezahlte ein durchschnittlicher 3-Personen-Haushalts mit rund 4000 Kilowattstunden Stromverbrauch das 21-fache der Trittin’schen Münchhausen-Phantasie. Das Schlimme sind nicht nur die sozial unverträglichen Mehrkosten, sondern die enormen Fliehkräfte eines Energieexperiments, dessen „alternative“ Strukturen einfach nicht funktionieren und sozialen Sprengstoff enthalten.
Deutschland hat in Kürze keine energietechnischen Leistungsreserven mehr (Kraftwerke), der Markt für Gas und Kohle läuft gerade heiß, die Versorgung vieler Industriebetriebe ist nicht gesichert. Die steigenden Rohstoffpreise werden zwangsläufig zu enormen Produktverteuerungen führen. Energie wird immer mehr zum Luxusgut oder einer zweiten Miete für die Leute, die im Winter heizen und an Weihnachten kochen wollen. Neben der Rohstoffknappheit wird der Zusammenbruch von Lieferketten zum Dominoeffekt in den produzierenden Betrieben.
Die Rezession als Selbstläufer
Flächenabschaltungen als Vorboten einer sich verstetigenden Mangelwirtschaft. Die Lücken in der deutschen Energieversorgung und die hohen Kosten der Ersatzbeschaffung werden zu sozialen Benachteiligungen führen, für die das linksgrün-urbane Milieu an erster Stelle und die liberal-konservativen Duckmäuser als Abnicker dieser Irrwege an zweiter Stelle verantwortlich zeichnen.
Der Witz mit der Steckdose ist zur Farce verkommen. Wen verwundert’s? Über Jahrzehnte hat sich das Gros der Deutschen den Verheißungen der Nachhaltigkeits-Utopien hingegeben. Die vorhersehbaren Risiken waren irgendwie zu ignorieren, weil es uns in Deutschland so prächtig ging. Im Delirium des Wachstums hat sich aber ein teilnahmsloser Opportunismus in der Gesellschaft festgesetzt, der jeden Zweifel an den Tugendwächtern des Juste Milieus verunmöglichte, Widerspruch systematisch verdrängte und die Industrie zum Spielball der Politik machte. Dabei spielen die Medien eine entscheidende Rolle. Wir sind auf die Taschenspielertricks von Energiewende-Propheten reingefallen, weil sie von den Medien in Dauerschleife hofiert wurden. Das wird uns nun zum Verhängnis, wenn der Gesellschaftsfrieden plötzlich von einer Versorgungskrise existentiell bedroht wird und wir keine Handhabe dagegen parat halten können, weil die (technischen) Konzepte für eine mögliche Korrektur einst mit dem ideologischen Stahlbesen herausgekehrt worden sind. Alternativlose Politik erzeugt Einbahnstraßen.
Unsere labilen Versorgungssysteme befinden sich in einer Einbahnstraße
Sie benötigten nur noch einen letzten Schubser um einzuknicken. Zuerst der ruinöse Lockdown mit „Maßnahmen“ zur kollektiv-suggestiven Massenentfremdung, dann die wochenlange Stilllegung der Wirtschaft und die Unterbrechung von Lieferketten. Was sich als Hygiene-Regime tarnte, erscheint im Rückblick wie der letzte Akt einer Staatsermächtigung über die zivile Willensbildung und die volkswirtschaftlichen Prozesse. Nun stehen reale, hausgemachte Energie-Versorgungsengpässe vor der Tür, an denen nicht die Erderwärmung schuld ist, sondern die dünne Luft im Regierungsviertel. Passend dazu wird unsere Leichtgläubigkeit gegenüber dieser Politik zum Brandbeschleuniger des kommenden Abschwungs.
Die Deutschen haben den Einflüsterungen von Ideologen nichts entgegenzusetzen. Sie sind zu Bittstellern gegenüber einem bevormundenden Staat geworden, der wie ein Heilsbringer auftritt. Das verschreckte Volk wird in der Not nach ihm rufen, wenn die Heizung kalt wird und der Herd keinen Strom oder Gas bekommt. Mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit: Umsonst. Der Staat nämlich wird nicht kommen und trösten. Er wird sagen: „Jetzt ist er nun mal da, der Blackout. Wir können euch nicht davor schützen. Ihr müsst das jeden Tag neu mit euren Mitbürgern aushandeln.“
09.Okt.2021, 08:03
Was wäre dem noch hinzuzufügen? Zu einer „Koalition der Vernünftigen“ sollte man die Redaktion der Neuen Rundschau auf jeden Fall mit einladen — hoffen wir mal, dass dies geschehen wird.
09.Okt.2021, 08:15
Da kann ich nur sagen „Sapere Aude“! Bravo, zu dieser scharfsinnigen Analyse, die die Misere der deutschen Energiepolitik auf den Punkt bringt. Man sollte im Übrigen aber auch nicht vergessen, wer den hysterisch-übereilten Ausstieg Deutschlands aus der Kernenergie zu verantworten hat: unsere scheidende Bundeskanzlerin.
09.Okt.2021, 11:55
Fällt Anfang des kommenden Jahres die Erzeugung von 30 TWh Strom aus drei Kernkraftblöcken praktisch ersatzlos weg, werden die Strompreise Höhen erklimmen, von denen heute noch niemand zu sprechen wagt.
Verknappung des Angebots treibt die Preise. Hinzu kommt der notwendigerweise steigende CO2-Ausstoß. Damit wird die Energiewende praktisch insofern konterkariert, als dann
Deutschland wegen faktisch unbezahlbarer Energiepreise ein wirtschaftliches und in der Folge gesellschaftlich-politisches Desaster erlebt. Neben den normalen Stromkunden werden vor allem Gewerbe, Industrie und Landwirtschaft die Leidtragenden sein, die ihre Produktion herunterfahren und womöglich einstellen müssen. Was zur Verknappung dringend benötigter Güter führen wird. Der Exodus in Länder mit niedrigen Energiepreisen wird beschleunigt werden. Dann werden auch die letzten Klimaideologen begreifen, dass man Staatsknete nicht essen kann.
Deshalb müssen vor allem die restlichen Kernkraftwerke unbedingt weiterbetrieben werden. Der Bundestag sollte sofort eine provisorische Genehmigung per Gesetz erteilen.Ein Energiewende-Moratorium wäre eine gute und sinnvolle erste Entscheidung des neu gewählten Parlaments.
Manuel Nussbaum
09.Okt.2021, 13:30
Und wohin mit dem Müll, ihr Schlauberger? In Eure Schrebergärten versenken? Da kann ich nur sagen: die NIMBY (not in my backyard) Mentalität ist leider auch bei den Atomkraftbefürwortern zu weit verbreitet.
09.Okt.2021, 13:31
Bitte nur nicht auf den Mars bringen. Denn: „Mars bringt verbrauchte Energie sofort zurück“ (das verstehen aber leider jetzt nur die Altvorderen von uns) :-))