Zur Ostergeschichte scheint sowohl theologisch als auch von der historisch-kritischen Bibelwissenschaft alles gesagt zu sein. Mag sein, offenbar aber doch nicht von allen. Der Publizist und Bestsellerautor Franz Alt versucht sich in einem neuen Buch mit Breitenwirkungscharakter wieder an einer Frage: Was, wenn die Übersetzungen der Ostergeschichte unscharf wären und Jesus gar nicht am Kreuz starb? Alt argumentiert mit der aramäischen Variante der Evangelien – und fordert die Rückkehr der Kirche zu einer „jesuanischen“ Institution. Einmal mehr wird die Rolle von Paulus in der Auslegung der Geschehnisse nach Golgatha kritisiert.
Helfen würde laut Alt die Änderung des bisherigen Bildes von Jesus von Nazareth. Verkürzt: Er rät zur Verabschiedung vom Dogma der göttlichen Natur Jesu, was gelinde gesagt, die katholische wie reformierte Theologie auf den Kopf stellen würde. Bereits im 4. Jahrhundert, zum Konzil von Nicäa, als das Christentum unter Konstantin I. toleriert und auf den Weg Richtung Staatskirche geschickt wurde, hielt man die Gottesnatur von Jesus Christus als Dogma fest. Davon abfallende Glaubenslehren wie der Arianismus wurden unter Strafe gestellt.
Der spät zum Pfarrer berufene Schwarz ging in seiner Forschung vom Versuch einer Rückübersetzung aus, in dem er die griechische Bibel ins Aramäische rückübersetzte und missverständliche Stellen mit einer Art Nachinterpretation zu füllen suchte, um eine im Aramäischen stimmige Version herzustellen. Für den Quellenabgleich zog Schwarz etwa die Peschitta heran, die Bibel für die Kirchen in der syrischen Tradition, deren Wurzeln bis ins 1. Jahrhundert zurückreichen. Schwarz meinte, er habe dabei den Sprachduktus eines Propheten der damaligen Zeit rekonstruieren können, etwa indem er alle Aussagen Jesu in Versform setzte. Begründung dafür: Die Propheten der Zeit hätten damit ihren Äußerungen die Gestalt leichter merkbarer Thesen gegeben.
Abrechnung mit Paulus
Schwarz’ Erkenntnisse rechnet Alt nun auch in diesem Band stimmungsvoll hoch für eine Auseinandersetzung mit dem Amtskirchentum. Alle Leser, die sich freilich immer schon mit dem Konzept der Wandlung in der Liturgie schwertaten, werden bei der Lektüre von Alt jubilieren. Er tritt gegen die paulinische Losung (1. Kor. 1, 23) an, die die Auferstehung „zum Dreh- und Angelpunkt des Glaubens“ mache. Das verstelle den Blick auf die zentralen Botschaften Jesu, der wie alle Propheten seiner Zeit in einer Mode von Wiedergeburtsüberzeugungen unterwegs gewesen sei (eines der Fundamente der Annahmen auch bei den Übersetzungen von Schwarz).
Bücher zum Thema
- Franz Alt: Die größte Liebe aller Zeiten. Die wahre Geschichte von Jesus, Maria Magdalena und Judas. Herder, 320 Seiten, 24,70 Euro.
- Johannes Fried: Kein Tod auf Golgatha. Auf der Suche nach dem überlebenden Jesus, C.H. Beck, 195 Seiten, 20,60 Euro.
Auch wenn Alt in der Frage, ob Jesus am Karfreitag gestorben sei oder nicht, nicht klar Stellung beziehen will, so sagt er, dass an keiner Stelle der Evangelien der Tod Jesu festgehalten sei. Alt verweist auf die Einheitsübersetzungen der Evangelien von Matthäus, Markus, Lukas und Johannes, in denen sich überall die Metapher des „ausgehauchten“ oder „aufgegebenen Geistes“ finde. Er möchte, wie er selbst sagt, in der Ostergeschichte nach den „Fakten“ suchen, „und nicht nach den christologischen Ideen, die zu bestimmten Lehren der Kirche passen“. Muss er nicht, er ist Publizist und nicht Theologe. Nur werden ihm die Theologen kaum folgen können, etwa wenn er mit Verweis auf ein Zitat aus der Schwarz’schen Rückübersetzung zur Begegnung von Jesus mit Maria von Magdala am Ostermorgen zitiert: „Berühre mich! Denn ich bin gar nicht gestorben.“ (Joh, 20, 17 RÜ)
Neuausrichtung des Kirchenbildes
Alt würde ein bisschen mehr Bescheidenheit guttun, meinten Kritiker seines Ansatzes, hielten ihm aber zugute, dass er sich für eine positive Betonung der Botschaften Jesu und für eine optimistisch-empathische Kirche einsetze. Dass man freilich aus der bemüht projektiven Lesart einer Rückübersetzung nicht über die Quellenproblematik zur Bibel hinauskommt, liegt auf der Hand.
„Tatsache ist, dass außer einigen außerhalb des Neuen Testaments überlieferten Worten alles, was Jesus gesagt hat (haben soll), nur in den vier griechisch geschriebenen Evangelien überliefert ist“, erinnert etwa der Theologe und Sozialphilosoph Franz Magnis-Suseno an die Ausgangslage zur Beurteilung der Bibel. Mit dem bei Alt gerne verwendeten Wort „Fälschung“ solle man allerdings – dies zumal und gerade dann – wenn man selbst nur Projektionen zur Hand habe, bescheidener umgehen.
Wer schon kann das: Ein wahres Jesus-Bild behaupten?
Wäre das Christentum allerdings tatsächlich nur einer Fälschung aufgesessen, dann wäre „der wirkliche Jesus tatsächlich seit 2.000 Jahren sehr tot“ – und zudem ohne jede Folgewirkung geblieben; so jedenfalls wäre die Kritik von Magnis-Suseno zu deuten.
Alt wiederum – was ehrenwert ist – möchte Jesus als „Eingeborenen des Nahen Ostens seiner Zeit“ verstanden wissen. Das ermögliche, von den dogmatisierten und ideologisierten Jesus-Bildern des Abendlandes wegzukommen. Der Boden für seinen Ansatz bleibt jedoch dünn und letztlich ebenso eine Glaubens- wie Überzeugungsfrage.
Fehlende Belege für die Auferstehungsthese
Die These vom Tod Jesu wird aber auch von geschichtswissenschaftlicher Seite und ohne Rückgriff auf aramäische Spitzfindigkeiten zumindest mit einem großen Fragezeichen versehen. Neben zahllosen Scheintod-Debatten-Strängen äußerte zuletzt der Historiker Johannes Fried in seinen Büchern, etwa „Kein Tod auf Golgatha“, Zweifel an der These vom Ableben Jesu auf Golgatha.
Oder, anders: Fried sieht fehlende Belege für eine Auferstehungsthese. „Die Darstellung und der Sprachgebrauch bei Paulus und in den Evangelien liefern keinerlei Beweis für die ‚Auferstehung‘, sondern nur für die Bereitschaft, an eine solche zu glauben“, so Fried. Als die erste von Paulus bezeugte Glaubensformel entstanden sei, habe das griechische Wort egeirein im situativen Kontext nur „aufgewacht“ bedeutet und habe erst durch christlichen Einfluss die Bedeutungsebene von „auferwecken“ bekommen. „Jesus ist gestorben und auferstanden“ (1 Thess., 4,14, 1 Kor. 15,3-4) beziehe sich auf das griechische Verb anhistánai (KFG), das im zeitgenössischen Griechisch bloß „aufstehen“ oder „sich aufrichten“ meinte. Die Interpretation des Paulus setze also einen „schon elaborierten Glauben“ voraus.
Dass Gott Jesus von den Toten auferweckt habe, lasse sich nicht vor Paulus datieren, betont Fried: „Erst die Evangelisten formulierten und propagierten die endgültige, die ultimative Geschichte.“
An ein leeres Grab zu erinnern, so Fried, habe sich bei Paulus erübrigt: „Er verschmolz das wunderbare Handeln Gottes an Jesus mit seiner eigenen Christusschau.“