Viele Menschen haben in Verbindung mit der Corona-Pandemie gemerkt, dass sie eigentlich an jedem Ort der Welt arbeiten können. Gleichzeitig sorgen Fehlentscheidungen für ein sinkendes Vertrauen der Bürger in Regierungen und Institutionen.

Und dezentrale Technik macht gerade völlig neue Formen menschlicher Kooperation möglich. Hat – wie wir ihn kennen – der Staat bald ausgedient? Wir gehen auf Spurensuche – und stoßen immer wieder auf ein beinahe hellsichtiges Buch aus den 1990ern.

Warum umgeben wir uns nicht häufiger mit Leuten, deren Interessen und Leidenschaften wir teilen? Warum arbeiten wir nicht da, wo wir am produktivsten sind, zum Beispiel in den Bergen, am Meer oder irgendwo auf dem Land? Und warum gehen wir die Herausforderungen unserer Zeit – vom Klimawandel bis zur Massentierhaltung – eigentlich nicht alle gemeinsam an und warten lieber auf Entscheidungen aus der Politik? Utopisch? Sicher. Aber für den Spanier Luis Cuende durchaus machbar. Seine Lösung fängt mit Software an.

„Ich habe 2011 begonnen, mich in Bitcoin hineinzufuchsen, als Spanien gerade tief in einer Wirtschaftskrise steckte“, erinnert er sich im Gespräch. „Damals erlebte ich aus erster Hand, wie Regierungen das Leben von Millionen von Menschen in den Sand setzten, um die Banken zu retten. Und ich merkte, dass etwas völlig falsch lief. Bitcoin war für mich ein Ausweg aus diesem unfairen System und gleichzeitig eine grüne Wiese, auf der man etwas Neues aufbauen konnte.“

Das Neue, von dem Cuende spricht, nennt sich heute Aragon – benannt nach einer weitgehend autonom lebenden Gemeinde im Nordosten Spaniens nahe der Pyrenäen. Aragon ist eine Softwarebibliothek, mit der man sogenannte DAOs baut. Das Kürzel steht für Dezentralisierte Autonome Organisationen. Es geht also um digitale Organisationen, die im Fall von Aragon auf der Ethereum-Blockchain laufen.

Im Grunde besteht Aragon aus einer Sammlung an Apps, die die einzelnen Bereiche eines klassischen Unternehmens abbilden, erweitern und sich wie bei einem Baukasten miteinander verbinden lassen. Mit einem großen Unterschied: Eine Unternehmenszentrale fehlt, alle Module von der Mitgliederverwaltung über die Buchhaltung bis zum Projektmanagement und dem Fundraising werden dezentral verwaltet. Dabei anfallende Entscheidungen werden von den Netzwerkteilnehmern „bottom up“ getroffen – mit Hilfe von „Smart Contracts“ und digitalen Tokens zur Stimmabgabe, die an die Mitglieder ausgegeben werden könne

Aber wie selbstbestimmt kann und will der Mensch sein, Luis Cuende? „Ich glaube, es ist alles eine Frage der Bildung“, antwortet der Aragon-Günder. „Die meisten Menschen wissen heute nicht einmal, was Inflation ist, und das ist einfach nicht gut. Aber noch mehr als Wissen über Finanzen und andere wichtige Themen brauchen wir Menschen mit eigenem Urteilsvermögen – nicht Schafe, die tun, was ihnen gesagt wird. Ich warne schon seit Dezember 2019 vor COVID und bin im Frühjahr 2020 mit einer riesigen Maske geflogen. Die Leute haben mich angeschaut, als wäre ich verrückt. Das war zu der Zeit, als die WHO noch von Masken abriet. Die Frage ist hier nicht, warum die WHO es vermasselt hat – die WHO ist nur ein weiteres Beispiel für eine veraltete Institution. Die Frage ist, warum Menschen blindes Vertrauen in diese Institutionen setzen. Wir sind Menschen, weil wir souveräne Denker sind. Wenn das nicht wir sind, was bitte bleibt uns dann noch?“

Apr. 2021 | In Arbeit | Kommentieren