Symbolbild: Die Sehitlik-Moschee in Berlin – Foto: Zairon via Wikimedia Commons (CC BY-SA 4.0)

„Die Islamkonferenz ist für mich ein Fall für den Bundesrechnungshof!“, forderte jüngst der Politikwissenschaftler Hamed Abdel-Samad. Dieser wichtige Anstoß sollte Gehör finden. Eine Analyse der Islamkonferenz und der Steuergeldtransfers an den Politischen Islam. Am Ende stehen sechs Fragen an die Regierung, die von externen Finanzkontrolleuren aufgegriffen werden sollten.

Als Hamed Abdel-Samad am 10. November Abschied von der Islamkonferenz der Bundesregierung nahm, schrieb er in einem von hpd bis BILD verbreiteten Facebook-Eintrag:

„Der Staat biedert sich an die Vertreter des politischen Islam in dieser Konferenz an und ignoriert alle Warnungen und Vorschläge der kritischen Stimmen. … Ja, lieber Herr Innenminister, ich mache auch die Islamkonferenz für die politische Aufwertung von DITIB und dem Zentralrat der Muslime verantwortlich, und somit mitverantwortlich für den Aufbau von Erdoğan-Kult und für die Stärkung des politischen Islam! Und ich halte die Unterstützung dieser Vereine nicht nur für eine Veruntreuung von Staatsgeldern, sondern auch für eine Gefahr für die Innere Sicherheit.“

Abdel-Samad, seines Zeichens weltweit bekannter Aufklärer zum Islam, lehnt weitere Teilnahmen an der Deutschen Islamkonferenz ab, weil er nicht mehr als „Feigenblatt“ dienen wollte, mit dem die deutsche Regierung ihren Pakt mit dem Politischen Islam verdecken könnte. Ihm sei klargeworden, dass die Islamverbände nur Geld vom Staat wollten, und dass der Staat nicht einmal wisse, was er von den Islamverbänden wolle. Das wirft einen interessanten Punkt auf: wenn Behörden keine klar definierten Ziele beim Ausgeben von Steuergeldern haben, steht die Frage der Wirtschaftlichkeit und der Finanzkontrolle des Regierungshandelns im Raum. Wenig später schrieb der prominente Islamkritiker Abdel-Samad: „Die Islamkonferenz ist für mich ein Fall für den Bundesrechnungshof!“

Die Rolle der Rechnungshöfe

Nach Einschwenken der Leitung des Innenministeriums und der Regierungsfraktionen (CDU/CSU und SPD) auf Kernforderungen der Vertreter des Politischen Islam bleiben dem Staat nur noch wenige Kontrollorgane außer der Justiz, die für Korrektur sorgen könnten. Hamed Abdel-Samad liefert dazu einen wichtigen Gedankenanstoß. Zwar hat der Bundesrechnungshof keine politischen Entscheidungen zu beurteilen. Aber er kann den wirtschaftlichen und bestmöglichen Einsatz der Haushaltsmittel prüfen und Transparenz schaffen: über Ziele, eingesetzte Mittel und Ergebnisse. In der Regierungsantwort So verteidigt sich Seehofers Haus gegen Kritik von Abdel-Samad bestätigte das Innenministerium seine Kritik geradezu, macht seitdem aber ungerührt weiter. Wo immer Steuergelder in Maßnahmen des Staates fließen, ist es Aufgabe des Bundesrechnungshofes und der Landesrechnungshöfe, Kontrolle auszuüben, die Einhaltung von Wirtschaftlichkeitsvorgaben zu prüfen und darüber zu berichten.

Wie die Notwendigkeit einer Rechnungshof-Prüfung der milliardenschweren Kirchensubventionen ausgeführt wurde, kann der Rechnungshof laut seiner Prüfungsordnung sogar Gesetzesänderungen empfehlen, wenn er über Erkenntnisse verfügt, dass bestehende Gesetze zu vom Gesetzgeber nicht gewünschten Auswirkungen führen oder führen können. Er kann Empfehlungen geben, wenn Ziele wirtschaftlicher erfüllt werden können oder bereits erfüllt sind. Analog dazu sind die Landesrechnungshöfe auf Länderebene in der Pflicht. Die staatliche Finanzierung von geistlichem und sonstigem Personal für Moscheegemeinden sind genauso im Mandat der Rechnungshöfe erfasst wie auch Steuervergünstigungen und jegliche Transfereinkommen aus öffentlichen Haushalten, zum Beispiel Finanzhilfen und zweckgebundene sowie zweckungebundene Zahlungen.

Abdel-Samad hatte bereits früher vorgeschlagen, dass nach über zehn Jahren Islamkonferenz eine Zwischenbilanz gezogen und geschaut werden sollte, „wo Fördergeld ausgegeben wurde und was uns das gebracht hat.“ Das Ergebnis: „Alle meine Vorschläge in der Islamkonferenz wurden nicht berücksichtigt.“

Die Islamkonferenz war seit ihrer Bildung immer mal wieder Thema im Bundestag. Aber sie wurde nie von den Angehörigen der jeweiligen Regierungsfraktionen auf den Prüfstand gestellt, und es wurde nie eine unabhängige Untersuchung angestrengt. Es gibt gleichwohl Stimmen in allen Parteien von der CDU über die SPD bis zu den Grünen wie auch in der Zivilgesellschaft vom Zentralrat der Ex-Muslime über die Bundesarbeitsgemeinschaft der Immigrantenverbände in Deutschland bis zu Terre des Femmes, die zwar Kritik an diesem Kooperationsformat und der Steuergeldvergabe äußern und vor dem Politischen Islam warnen, der Exekutiven aber nicht Einhalt gebieten können. Die Achse Kanzleramt-Innenministerium steht und strahlt negativ auf andere Ressorts und Landesregierungen aus. Kritische Wortmeldungen von Regierungspolitikern erfolgen eher im außerparlamentarischen Raum. So gaben der bayerische Justizminister a. D. Winfried Bausback (CSU) und der stellvertretende CDU-Fraktionsvorsitzende Carsten Linnemann erst letztes Jahr ein solides Buch gegen den Politischen Islam heraus, und stellten es als Programm zur Verteidigung der Freiheit vor. Bislang ohne erkennbare Folgen auf den Regierungskurs.

Angesichts der von Hamed Abdel-Samad und vielen anderen festgestellten Intransparenz und Beratungsresistenz der Spitze des Innenministeriums, von weiten Teilen der Bundesregierung und Landesregierungen in Sachen Politischer Islam, gehört der Rechnungshof zu den Staatsorganen, von denen noch ein klarer Blick und verantwortungsvolles Handeln erwartet werden kann. Als unabhängiges Organ der staatlichen Finanzkontrolle ist er nur dem Gesetz unterworfen, kein anderes Staatsorgan kann ihn mit einer Prüfung beauftragen oder abhalten. Soweit ersichtlich, sind weder der Bundesrechnungshof noch Landesrechnungshöfe aktiv geworden. Was sollten die Prüfer anschauen? Eine Prüfung externer Finanzkontrolleure setzt bei den Zielen an.

Definierte Ziele? Wirtschaftliche Umsetzung?

Als Ziel der seit dem Jahr 2006 bestehenden „Deutschen Islam Konferenz“ (DIK) gibt die Bundesregierung an, dass der „dauerhafte und regelmäßige gesamtstaatliche Dialog mit Muslimen“ erreicht werden solle. Es würde darum gehen, „einen in Deutschland verorteten Islam zu befördern“; ferner, den „gesellschaftlichen Zusammenhalt zu stärken – auch vor dem Hintergrund, dass das muslimische Leben durch die Zuwanderung der letzten Jahre vielfältiger geworden ist und sich im Zusammenleben von Nicht-Muslimen und Muslimen ebenso wie dem von Muslimen“ Herausforderungen stellten.

Bildet die Islamkonferenz diesen Hintergrund eines vielfältigeren muslimischen Lebens ab? Von der mangelnden Berücksichtigung muslimischer Stimmen jenseits des Funktionärs-Islams wird noch zu sprechen sein. An dieser Stelle mag der Hinweis ausreichen, dass im aktuellen Zustand der Islamkonferenz vermutlich kaum etwas ferner läge, als dass Vielfältigkeit im Sinne einer „Oriental Diversity“ (Amed Sherwan) oder eines auch von den beteiligten Islamverbänden anerkannten gleichberechtigten Zusammenlebens von Frauen und Männern oder von Islamgläubigen und Apostaten thematisiert würde. Ebenso wenig werden die innermuslimische Vielfältigkeit der Muslime homosexueller Ausrichtung und andere Punkte der Diversität angemessen auf der Islamkonferenz gewürdigt.

Bundeskanzlerin Angela Merkel behauptete im November 2020 bei einem Austausch mit EU-Partnern, dass „Deutschland bei dem Thema Terrorismusbekämpfung den Kontakt zu islamischen Organisationen suche, zum Beispiel in der Islamkonferenz„.

Wird die Bekämpfung islamistischen Terrors jedoch über die Islamkonferenz überhaupt verfolgt? Sind es nicht gerade die dort versammelten Vertreter des Politischen Islam, die alle Register der Öffentlichkeitsarbeit ziehen, um angesichts der erfolgreichen Rekrutierungswellen des Islamischen Staates mit hunderten Kombattant*innen aus Deutschland oder nach islamistischen Terrorattacken wie 2020 zuletzt in Paris, Nizza und Dresden Zusammenhänge zum Islam weit von sich zu weisen? Sind sie es nicht, die sogar ihren Einfluss auf den Unterricht an öffentlichen Schulen gegen pädagogisches Anschauungsmaterial wie Mohammed-Karikaturen geltend machen? Die sich als Opfer positionieren, um die weitere Einschränkung von Grundrechten der Gesamtgesellschaft wie der Meinungsfreiheit zu fordern, um ihre Agenda durchzusetzen? Wird das von Merkel angesprochene Thema des Terrorismus – oder grundlegender: Gewaltursachen – nicht gerade deshalb auf der Islamkonferenz ausgespart, um die Vertreter des Politischen Islams zu beschwichtigen, wie Kritiker immer wieder betonen? Wäre Terrorismusbekämpfung ein Ziel, das über die Islamkonferenz überhaupt sinnvoll erreicht werden kann? Oder anders gefragt: Welche Lösungen könnten auf der Islamkonferenz vereinbart und umgesetzt werden, für die es nicht andere, passendere Formate und Werkzeuge gibt?

Es war der CDU-Innenminister Thomas de Maizière, der die Themen „Extremismus und Sicherheit“ 2014 von der Tagesordnung genommen hatte, „um die festgefahrenen Gespräche wieder zu beleben“. Durch wen waren die Gespräche festgefahren? Nicht durch die Regierung oder liberale Muslime, sondern durch die Vertreter des Politischen Islam. So sperrten sich damals unter anderem deren Vertreter wie Aiman Mazyek, Vorsitzender des Zentralrats der Muslime in Deutschland (ZMD), und forderten, dass der „Extremismusvorbehalt“ enden müsse. Es war aber erst der CSU-Innenminister Horst Seehofer, unter dem die Regierung dann unter dem Eindruck von Rassismus-Debatten weitgehend auf die Forderungen des Politischen Islam eingeschwenkt ist und nun dessen Strukturen mit Steuergeldern verfestigt und ausbaut.

Das Innenministerium nennt ferner das Ziel, die Abhängigkeiten der islamischen Gemeinden vom Ausland zu reduzieren und einen „in Deutschland verorteten Islam zu befördern“. Dieses Ziel ließe sich mit kostengünstigeren Alternativen erreichen. Vermutlich lässt es sich sogar nur mit Alternativen erreichen. Wie integriert man den großen Anteil der fünf Millionen Menschen in Deutschland, die einen Migrationshintergrund aus islamischen Mehrheitsgesellschaften haben, jedoch nicht durch die Islamverbände vertreten sind und nicht deren Moscheen aufsuchen? „Muslime sollten nicht über den Islam integriert werden, sondern über Arbeit, Kultur, Freiheit, die Begeisterung für die Aufklärung und für die Werte der deutschen Gesellschaft“, sagt Abdel-Samad. Diese klare Aussage liegt ganz auf dem Stand der Integrationsforschung, aber nicht auf der Linie der Islamkonferenz des Jahres 2020.

Zugewanderte freiheitlich orientierte Menschen, konkret: Apostaten, wie sie sich in neuen Bewegungen wie der Säkularen Flüchtlingshilfe zusammenschließen, könnten dahingegen mit vergleichsweise sehr geringem Mitteleinsatz in den staatlichen Dialog mit Islamverbänden und Imamen eingebunden werden. Sie haben erstklassige Kenntnisse des real existierenden Islamismus in den Ländern, aus denen sie vor Islamisten fliehen mussten. Sie sind authentische Mahner vor den menschen- und freiheitsfeindlichen Strömungen in der islamischen Welt von Pakistan über Iran, Saudi-Arabien, Türkei und Ägypten bis Mauretanien. Sie können mithelfen, dass diese Strömungen nicht auch in Deutschland Schule machen.

Die Deutsch-Türkin Necla Kelek, die früher mit anderen Säkularen Mitglied der Islamkonferenz war, schreibt in „Emma“, dass die aktuelle Änderung darin bestehe, die Imamausbildung nun vom Steuerzahler bezahlen zu lassen. Es würde nicht hinterfragt, ob diese Förderung dem Grundsatz der „Neutralität des Staates“ in religiösen Angelegenheiten entspricht. Es wäre zudem für den Steuerzahler kostengünstiger gewesen, „wenn die Regierung sich auf Kontrolle beschränkt oder Voraussetzungen formuliert hätte, die ein Geistlicher erfüllen muss, wenn er in einer Moschee in Deutschland predigen will“. Das sind durchaus relevante Punkte für den Prüfungskatalog der externen staatlichen Finanzkontrolle.

Opake Mittel

An dieser Stelle wird davon abgesehen, eine Zahl zur Summe der Steuergelder zu nennen, die für die Durchführung der Islamkonferenz und in Projektförderungen verausgabt und eingeplant worden sind. Diese Ansätze sind Prüfern über den Haushalt (Einzelplan 06) in der erforderlichen Detailtiefe zugänglich. Auch sie geben jedoch nicht das angemessene Bild wieder. In verschachtelter Weise umfasst die über die Islamkonferenz begleitete Förderung andere Einzelpläne, deren Umsetzung aus öffentlichen Quellen nicht nachvollziehbar ist. Insbesondere scheint das Programm „Demokratie leben!“ Relevanz zu haben.

Abgeordnete und zivilgesellschaftliche Organisationen haben im Ringen um die Offenlegung der staatlichen Förderung von Islamic Relief die Erfahrung gemacht, dass die Regierungsstellen bei ihren Auskünften – um es positiv auszudrücken – über die Höhe der Fördersumme durcheinander kommen oder vergessen, dass es überhaupt eine Förderung gab. Verschiedene Antworten der Regierung standen im offenen Widerspruch zueinander. Aktuell sind Steuertransfers der letzten Jahre an Islamic Relief von über 16 Millionen Euro bekannt. Erst das Zusammenspiel mit dem Bundesrechnungshof brachte (teilweise) etwas Licht ins Dunkel der Finanzen. Hierzu gehört auch, das Geflecht an Dachverbänden, Mitgliedsvereinen, Moscheegemeinden, Wirtschaftsbetrieben und begünstigen Personen zu durchdringen. Allein schon deshalb wäre die Einrichtung einer „Dokumentationsstelle Politischer Islam“ in Deutschland hilfreich.

Um welche Summen geht es noch? Die Bildungsministerin Anja Karliczek (CDU) kündigte an, dass in den nächsten Jahren die Imamausbildung mit 44 Millionen Euro gefördert werden soll. Ein zentraler Mittelempfänger ist ein privater Verein in Osnabrück. Bei dem staatsfinanzierten Islamkolleg Deutschland e. V. ist einer der Trägervereine der Zentralrat der Muslime mit seinen verfassungsfeindlichen Mitgliedsorganisationen, dessen Vorsitzender Aiman Mazyek ein klares Bekenntnis zu den individuellen Menschenrechten (anstelle eines ZMD-„Kernbestandes“ unter Scharia-Vorbehalt) scheut und für den die Unterordnung von Rechtsnormen aus Koran, Sunna und den Scharia-Regelungen unter das Grundgesetz sehr schwierig und bislang unmöglich ist.

Im Ergebnis: während im Haushalt des BMI bestimmte Planungssummen noch nachvollzogen werden können, sind die Mittel und Wege, mit denen der Staat die Ziele des Politischen Islam von ZMD, DITIB, Ahmadiyya bis hin zum Islamischen Zentrum Hamburgs (IZH) und anderen Organisationen fördert, zu vielfältig und verschlungen. Es gibt diverse Ansatzpunkte für die Rechnungshöfe in den Haushaltsplänen der Bundes- und Landesressorts sowie der Kommunen.

Exekutive Schleichwege der Islamfinanzierung
des Staatssekretärs

Warum betreibt die Regierung das Ganze? Unter dem früheren Innenminister und heutigen Bundestagspräsidenten Wolfgang Schäuble (CDU) wurde die Islamkonferenz aufgegleist, um analog zum Staat-Kirche-Verhältnis die Moscheegemeinden den christlichen Kirchen gleichzustellen und ihnen das überkommene Staatskirchenrecht angedeihen zu lassen. So soll auf die Bildung von staatskirchenförmigen Islamkörperschaften hingewirkt werden. Hier wie dort geht es um staatliche Kooperation, rechtliche Sonderstellung und Steuergelder. Als kundigen Beobachter bewegte Abdel-Samad diese Interessenübereinkunft der Regierung und der Kirchen zu der Aussage, dass Regierung und Kirchen dafür verantwortlich seien, dass das „Erdoğan-Modell auch in Deutschland Schule machen kann“.

Staatssekretär Markus Kerber ist seit 2006 – mit mehrjähriger Unterbrechung – im Bundesinnenministerium zuständig für die Islamkonferenz. In seiner ministeriellen Personendarstellung schreibt er: „Konzeption und Leitung der Deutschen Islamkonferenz„. Welchen Kurs verfolgt er und auf welchen Wegen? In der Islamischen Zeitung kann man ein Interview des Staatssekretärs von Anfang 2020 lesen. Darin äußert er sich zu den „Impulsen“ der Islamkonferenz in den Bereichen Religionspolitik, Integrations- und Gesellschaftspolitik. Im Wesentlichen geht es aber um Geld. So analysiert er, dass die Einführung einer „Moscheesteuer“ für die Stärkung des Verbands-Islam in Deutschland nicht viel bringen würde, „so lange die Verbände so wenig eingetragene Mitglieder“ hätten. Folgert er daraus, dass der Staat diese Religionsverbände nicht politisch künstlich aufpäppeln und nicht als islamkörperschaftliche Scheinriesen aufwerten wird? Keineswegs. Man könne zwar als Staat die Moscheegemeinden bei der Bezahlung ihres Personals „nicht direkt unterstützen“, so der Staatsekretär. Denkbar sei es jedoch, „dass wir zum Beispiel bei der Integrationsarbeit unter die Arme greifen und so mehr Mittel für die Bezahlung des Personals bleibt.“

Kann der Leser der Islamischen Zeitung dies anders verstehen als eine mit Augenzwinkern vorgetragene Bereitschaft des Regierungsmitglieds zur Quersubventionierung von Moscheepersonal und Imamen über „Integrationsarbeit“?

Integrationsarbeit, die nach dem Ansinnen des Staatsekretärs derart üppig über Moscheegemeinden und Islamverbände ausgeschüttet wird, und vom Staat derart wenig im Hinblick auf Wirtschaftlichkeit kontrolliert wird, dass mit den Überschüssen die Gehälter von Imamen oder anderem Moscheepersonal bezahlt werden können. Daraus folgt: der Applaus der Islamfunktionäre ist dem Staatssekretär und seinem Innenminister sicher auch in Zukunft gewiss, aber der Steuerzahler hat das Nachsehen und die Rechnungshöfe mögen sich auch das vom Staatssekretär in diesem Zusammenhang erwähnte Programm „Moscheen für Integration – Öffnung, Vernetzung, Kooperation“ mal genauer anschauen.

Bedarfsanalyse?

Welchen Bedarf will der Staat bei der Imamausbildung überhaupt decken? Von der Geschäftsstelle der Islamkonferenz, die im dem Innenministerium zugehörigen Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) angesiedelt ist, wurde am 10. November 2020 eine „Bestandserhebung zur Ausbildung religiösen Personals islamischer Gemeinden“ veröffentlicht. Das Dokument bietet: Viel Text, wenig Zahlen und eine oberflächliche Bedarfsanalyse. Diese „Bedarfsanalyse“ liest sich so:

„Der ZMD teilt ferner mit, dass in den meisten Moscheen ein Imam in Vollzeit fest angestellt ist; in mehreren Dutzend Moscheen trifft dies sogar auf mehr als einen Imam zu. Ein anderer Teil der Moscheen beschäftigt Imame in Teilzeit oder aber ehrenamtlich. Zudem leiten in einigen Moscheen Laien die Gebete an und predigen. Zukünftig wird laut Einschätzung des ZMD ein großer Bedarf an Neueinstellungen vorhanden sein.“

Der größte Betreiber von Moscheegemeinden in Deutschland, DITIB, ist außen vor und will erklärtermaßen nur die von ihm ausgebildeten, „eigenen“ Imame in den Moscheen einsetzen. Hierfür hat der Verband eine eigene Imamausbildungsstätte in Dahlem (Eifel, NRW) eingerichtet. Über die Zuwendungen an den Islamkolleg e.V. erreicht der Staat also beispielsweise nicht diejenigen DITIB-Moscheen, in denen Kinder in Rollenspielen den Märtyrertod einüben. Dennoch ist DITIB als Partner weiterhin am Tisch der Regierung, während die Regierung liberale Stimmen verliert.

Die liberale Imamin Seyran Ateş, die sich offenbar als einzige in Deutschland traut, auch LGBT-Muslime und Muslima in ihrer Ibn-Rushd-Goethe-Moschee Religionsfreiheit und Schutz zu gewähren, durfte im November offenbar auf Druck der Islamkonferenz-Lobbyisten nicht sprechen. Ateş wurde in einem symbolischen Akt, der die Bundesregierung eigentlich zur Einkehr und zum Umdenken bewegen müsste, zeitgleich zur Islamkonferenz von der französischen Botschafterin in Berlin empfangen. Derlei symbolische Akte werden in der Diplomatie durchgeführt, um in schwierigen Situationen die Zivilgesellschaft zu stärken und Zeichen gegen die Gastregierung zu setzen. Warum setzt der Staat nicht auf die Integrationsleistung von Ateş‘ Moschee? Was der Staat dem Islamkolleg Deutschland e.V., der DITIB e.V. und dem ZMD e.V. an Kooperation und Finanzierung gewährt, darf der Staat anderen eingetragenen Vereinen oder Organisationen wie der Ibn-Rushd-Goethe-Moschee gGmbH nicht vorenthalten. Letztere Einrichtung wurde in der Bedarfsanalyse des Innenministeriums zwischen den Darstellungen von DITIB und ZMD noch nicht einmal genannt.

Der liberale Universitätsprofessor Mouhanad Khorchide (Autor des Buches „Scharia – der missverstandene Gott. Der Weg zu einer modernen islamischen Ethik“) durfte auf der Islamkonferenz noch reden. Dringend erforderliche Themen wurden jedoch ausgespart. So hätte er als Leiter des wissenschaftlichen Beirats der österreichischen Dokumentationsstelle Politischer Islam in der Runde der Deutschen Islamkonferenz gutes Gehör und einhellige Unterstützung finden müssen, warum eine solche Stelle auch in Deutschland wichtig wäre.

Der Präsident der Bundesarbeitsgemeinschaft der Immigrantenverbände, Ali Ertan Toprak, warnt seit längerem in aller Deutlichkeit davor, dass der Politische Islam unter dem Deckmantel der Religionsfreiheit agiere und die Umformung des Rechtsstaats in einen islamischen Staat anstrebe. Der Politische Islam bereite den Boden für den extremistischen Dschihadismus.

Khorchide erklärte kürzlich in einem auch für Laien verständlichen Artikel in Die Presse, dass es sich bei dem Begriff „Politischer Islam“ um einen Fachbegriff handele (der daher mit einem großen „P“ geschrieben werden sollte). In aller Klarheit betonte er: Der Politische Islam richtet sich gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung (FDGO) und gegen die Gültigkeit der Menschenrechte. Die Aufklärung zum Politischen Islam und Maßnahmen gegen diese Herrschaftsideologie haben nichts mit Rassismus zu tun und – entgegen landläufiger Behauptungen – spricht der Begriff des Politischen Islam keinem Muslim das legitime Recht zu politisch-gesellschaftlichem Engagement ab.

Stattdessen wird heute unter Beteiligung maßgeblicher Politiker schon allein der Begriff „Politischer Islam“ von den wortführenden Islamverbänden und ihren politischen Partnern verwässert, aufgelöst und diskreditiert. Und nicht nur das: auch Rassismus wird in die Abwehr der Islamkritik eingewoben. Es war der Innenminister, der im März 2020 in seiner eigenen Pressemitteilung zur Einrichtung eines ministeriellen Expertenkreises die Differenzierung von Islamfeindlichkeit (Ideologie) und Muslimfeindlichkeit (Menschen) vertauschte und damit auflöste – ganz im Sinne der Islamisten.

Über Begriffe wie „Islamophobie“, „antimuslimischer Rassismus“ und der Gleichsetzung von Islamkritik mit Muslimfeindlichkeit hat der Politische Islam heutzutage wesentlichen Einfluss auf die öffentliche Debattenführung. Über Staatsverträge und Gremienmitgliedschaften hat er erstrangigen Zugriff auf Förderprogramme und den Transfer von Steuergeldern. In der Willensbildung der wichtigsten Parteien und in der Bundesregierung und einigen Landesregierungen ist die Rolle seiner Vertreter akzeptiert.

Es wäre eine Bedarfsanalyse der Bundesregierung wert, wie groß der Bedarf zur Aufklärung zum Politischen Islam ist und wie diesen verfassungsfeindlichen Bestrebungen strategisch begegnet werden kann.

Rechnungshof kann Regierungsverantwortung fördern –
aber nicht einfordern

Der Rechnungshof kann Missstände nicht selbst beheben. Entscheidend ist die Reaktion der geprüften Behörde auf die Hinweise der Finanzkontrolleure und die Transparenz gegenüber Parlament und Öffentlichkeit. Die Regierung steht in der Verantwortung.

Ein Beispiel: Die Bundesregierung hat Islamic Relief in den letzten Jahren mit rund 16 Millionen Euro gefördert – obgleich die Bundesregierung, wie sie feststellte, die „Kenntnis“ hatte, dass sowohl Islamic Relief Worldwide (IRW) als auch Islamic Relief Deutschland (IRD) über signifikante personelle Verbindungen zur Muslimbruderschaft verfügen. Der Bundesrechnungshof entschloss sich zu einer Prüfung, die Anfang 2020 abgeschlossen wurde. Sie wurde komplett zur Verschlusssache erklärt und die beteiligten Bundesressorts schweigen trotz Initiativen der Opposition im Bundestag und trotz Anfragen nach dem Informationsfreiheitsgesetz bis heute – aus Gründen des „Staatswohls“.

Islamic Relief wurde seit Jahren vor allem von Politikern der Union, SPD und Grünen protegiert – bis hoch zur Person des heutigen Bundespräsidenten Frank-Walter Steinmeier. Heute ist die öffentliche Rechenschaftslegung der Regierung zu diesen Vorgängen offenkundig unerwünscht und wurde von der Exekutive weitgehend ausgehebelt. „Es ist ein Skandal, dass deutsche Steuergelder an Islamisten gehen“, erklärte der FDP-Abgeordnete Oliver Luksic. Mehr als dieser Ausdruck der Empörung ist allerdings ohne Mitwirkung der Regierung nicht möglich.

Für den Erfolg der Arbeit des Rechnungshofes bedarf es bei einem Ausfall des regierungsamtlichen Spitzenpersonals und des Parlamentes im Sinne der Res Publica daher immer auch des gemeinsamen Resonanzraumes von Verwaltung, Parteienstaat und medialer Öffentlichkeit. Und letztlich der Änderung durch die souveränen Entscheidungen des Volkes. Der Resonanzraum kann gestärkt werden, indem vom Staat immer auch die liberalen Muslime und Ex-Muslime sichtbar und hörbar um ihre Meinung gebeten werden. Indem sie nicht als „Feigenblatt“ missbraucht werden. Indem sich die Bundeskanzlerin und der Innenminister nach islamistischen Gewalttaten gegen die freiheitliche Ordnung nicht auf Pressefotos bei den Vertretern des Politischen Islams unterhaken, sondern bei denen, die angegriffen wurden. Indem der säkulare Staat zur Gewährleistung der Religionsfreiheit weitgehend indifferent zu religiösen Normen und Glaubensüberzeugungen steht und als neutraler „Schiedsrichter“ die islamistische Gruppenidentitätsbildung nicht mitmacht und nicht mit Steuergeldern fördert. Indem die Begutachtung von Fördermaßnahmen auf den Gebieten der Anti-Terrorpolitik, Integrationspolitik und Bildungspolitik kenntnisreich, sachgerecht und zielbezogen erfolgt.

Für den Fragenkatalog des Rechnungshofes

Vergegenwärtigt man sich die Entwicklung der Islamkonferenz von 2006 bis 2020 – unter den verschiedenen Innenministern von Merkel I bis IV – so lässt sich pointiert feststellen: Die Bundesregierung hat ausgewählte Islamfunktionäre mit politischer Aufwertung und Steuergeld konditioniert und wurde im Gegenzug selber als Steigbügelhalter der Ziele des Politischen Islam konditioniert. Die Politischen Islamfunktionäre haben gelernt, dass es für sie am erfolgversprechendsten ist, sich als wesentlicher Teil des Problempotentials zu positionieren, zu dessen Lösung sie sich dann dem deutschen Staat gegen Entgelt anbieten.

Nicht nur bei der Förderung der Islamkonferenz, sondern auch bei der Förderung der Imamausbildung am Islamkolleg und vielen weiteren staatlichen Fördermaßnahmen sind die folgenden Fragen zu prüfen:

  1. Ist das Ziel hinreichend klar definiert?
  2. Ist das Ziel aus einer gesamtgesellschaftlichen Perspektive gerechtfertigt?
  3. Ist die Maßnahme effektiv, das heißt erreicht sie ihre Ziele?
  4. Ist die Maßnahme die geeignete Intervention zur Zielerreichung oder gibt es bessere Alternativen?
  5. Ist die Maßnahme effizient ausgestaltet?
  6. Welche Kosten sind damit verbunden?

Jan 2021 | Allgemein, Essay, Gesundheit, In vino veritas, Kirche & Bodenpersonal, Politik, Sapere aude, Zeitgeschehen, Wo aber Gefahr ist, wächst / Das Rettende auch | Kommentieren