Das Holzbachtal liegt im tiefen Schwarzwald. In Wanderratgebern wird es als „romantisch“ beschrieben und ist beliebt bei Mountainbikern. Kein Supermarkt, kein Wirtshaus, keine Tankstelle, nur eine Straße, ein Bach und dichter Wald. Dort lag bis 2018 die Flüchtlingsunterkunft „Holzbachtal 8“, in der bis zu siebzig ausschließlich männliche Flüchtlinge untergebracht waren, die inmitten dieser von der Außenwelt so gut wie isolierten Waldeinsamkeit nichts zu tun hatten außer zu warten (nicht zuletzt auf ihren Asylbescheid), zu schlafen, zu kochen, fernzusehen und sich mit ihren Handys die Zeit zu vertreiben.
Die Unterkunft war spärlich eingerichtet, die Bewohner bauten sich mit der Zeit höhlenartige Behausungen, in die sich zurückziehen konnten und den Blicken der anderen entzogen waren.
„Nothing“ gäbe es hier zu tun, „nothing“, sagten die Flüchtlinge zu Fendt – weshalb das Buch konsequenter Weise „Holzbachtal, nothing, nothing“ heißt.
Fendt gelingt es mit ihren Fotos, jenes Vakuum spürbar zu machen, in dem die Männer ihr Dasein fristen, manchmal gefährlich nahe an einer existenziellen Erstarrung, die sie in ein Objekt verwandelt, das in einem Schließfach darauf wartet, abgeholt zu werden. Fendt ist den Männern nahe gekommen, ihnen eine Art Vertraute geworden – anders ist es nicht zu erklären, wie fragil und verloren sich die jungen Männer aus der Levante, dem Maghreb, West- und Zentralafrika dem Auge ihrer Kamera präsentieren.
Wer diese Gegenden einmal bereist hat, weiß, wie wichtig das gemeinsame Essen ist, zu dem Fendt immer wieder eingeladen wird, und dessen Zubereitung sie in stillebenartigen Bildern festhält, die nichtsdestotrotz davon künden, dass sich inmitten des Vakuums das Leben rührt, sich Düfte verbreiten, ein vorfreudiges Gelächter in der Luft liegt.
„Es gab kaum Anstrengungen, die Bewohner zu integrieren“, sagt Fendt. Die wechselnden Sozialarbeiter seien überfordert gewesen. „Jeder schob die Schuld dafür, dass der Ort so verwahrlost war und die Bewohner so vereinsamt waren, auf andere.“
Fendts Buch kreist in seinem unausgesprochenen Kern darüber, dass aufgrund internationaler, nicht von allen Unterzeichnern in gleicher Weise erfüllten Abkommen junge, arbeitswillige und überwiegend motivierte Menschen aufgenommen und dann abgestellt werden wie Regenschirme in einem Ständer – und das schlimmsten Falls für Jahre.
Unweigerlich muss man an die Geschichte jenes bayrischen Handwerksbetriebs denken, der drei Schwarzafrikaner einstellte, die sich nicht nur als überaus geschickt erwiesen, sondern trotz anfänglicher Skepsis bald bei allen beliebt waren – und die dann gegen den Widerstand der Einheimischen aufgrund des negativen Asylbescheids wieder nach Hause verfrachtet wurden.
Wo liegt darin der Sinn, fragen Fendts eindringliche Fotos, und fordern dazu auf, sich Gedanken darüber zu machen, wie es in Zukunft besser laufen kann.
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Sibylle Fendt
Holzbachtal, nothing, nothing.
168 Seiten, 20×24 cm, Hardcover. Kehrer Verlag, Heidelberg 2020,
38 Euro.
ISBN 978-3-96900-000-7
(Bild rechts: Cover)
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