Maus hackt KatzeEs ist ein Teil guter deutscher Tradition, ein Wort wie (und wäre das „nur“ Presse-) Freiheit nicht für sich allein stehen zu lassen.

Ruft da wer „Freiheit“, egal was für eine solche gemeint ist, schon gesellt ein anderer „Ordnung!“ hinzu; und, wer da klug ist, redet gleich von „Freiheit und Verantwortung“ oder preist die Freiheit, warnt jedoch im gleichen Atemzug vor ihrem Missbrauch, wäre es auch nur, einen auf einen Anrufbeantworter draufgerotzten Text zu veröffentlichen.

Diese Angst vor der Freiheit, der Verdacht, dass sie gar zu leicht zu Anarchie und Zügellosigkeit entarte, trifft merkwürdigerweise meist die friedsamen Anhänger des Rechtsstaates. Ihnen gilt die alles reglementierende Obsorge unseres demokratischen Obrigkeitsstaates, der, vom Autogurt bis zum Ladenschluss und aller anderen geregelt sein müssenden Dinge, Freiheit in Festreden zwar großzügig austeilt, in der Praxis aber allenfalls häppchenweise.

Ein besonderer Argwohn der Machthaber hat – was Wunder – schon immer der Pressefreiheit gegolten, weil sie deren Wahrnehmungen am stärksten zu fürchten haben. In den Anfangsjahren der Bundesrepublik hatte das Bundesverfassungsgericht einiges dazu getan, die Presse- und Informationsfreiheit zu sichern. Inzwischen nähern wir uns einem Zustand, in dem die Journalisten als Stand von steuerlichem Entgegenkommen bis hin zum Zeugnisverweigerungsrecht privilegiert werden, aber – nicht nur aber auch dafür steht etwa der „Lauschangriff“ – außer Stand gesetzt werden könnten, ihrem kritischen Auftrag noch nachzugehen.

Gesetz gewährt – merkwürdig genug – Vertrauensvorschuss

Dass Kritik die Mächtigen stört, ist weder verwunderlich noch neu. Aus gutem Grund gibt es ein Recht auf Gegendarstellung, wird jemand durch eine Tatsachenbehauptung in seinen Rechten gekränkt, soll, muss er erwidern dürfen, ohne zuvor einen langwierig-umständlichen Prozess führen zu müssen. Es wird ihm deshalb ein Vertrauensvorschuss vom Gesetz gewährt; er braucht nur die Gegenbehauptung zu dem über ihn Veröffentlichten in bestimmter Form aufzustellen, und diese muss gedruckt werden.

Als Behelf eines Einzelnen gegen die Medien der öffentlichen Meinung ist die Gegendarstellung ein geeignetes, ja manchmal notwendiges Mittel. In der Praxis ist sie längst zum Einfallstor von Interessen geworden, die unendlich mächtiger sind, als die Presse selbst. So ist es schon fast üblich geworden, dass falsche Gegendarstellungen durchgesetzt werden – einfach im Vertrauen darauf, dass der nachfolgende Prozess sich hinziehe, bis der Augenblick der Gefahr vorüber, der Sachverhalt uninteressant geworden ist.

Es gibt freilich auch Politiker und Einflussinhaber, die ihr Privates entblößen, zum Blick hinter die Kulissen einladen, wenn sie sich Werbewirkung davon versprechen; mißlingt´s, ertönt ein Schrei von Ehrenschutz und Intimsphäre.

Neue Rechtspraxis?

Neuerdings treten Richter auf, die Berichte über beeidete Äußerungen verbieten wollen, wenn nicht das Presseorgan einen Wahrheitsbeweis für die Aussage antreten kann. Schon melden sich auch Rechtslehrer zu Wort, die die bloße Verwertung von Nachrichten untersagt wissen wollen, die „illegal“ zustande gekommen sind. Wenn dergleichen in diesem unserem Lande Rechtspraxis werden sollte, dann könnte in Deutschland nie ein Watergate enthüllt werden, dann hätte „Capital“ erst vor der IOS warnen dürfen, als Cornfeld bereits verhaftet war, und da hätten wir hier über einen OB-Kandidaten namens Fürniß erst schreiben dürfen, wenn dieser bereits wieder ganz nach Wiesloch zurückgekehrt sein würde.

In anderen Ländern hüten sich die Gerichte, der Presse in den Arm zu fallen. Hingegen verhängen sie drakonische Strafen oder bewilligen hohen Schadenersatz, wenn jemandem Unrecht geschehen ist. Das ist allemal besser, als eine Einschränkung der Pressefreiheit. Die nämlich ist uns, wie jede Freiheit, teuer. Und, so muß es deren Missbrauch auch sein dürfen.

Und der Datenschutz?

Wer heute über die Gefährdung der Privatsphäre – und auch das hat mit Pressefreiheit zu tun – durch Datenverarbeitung reden oder schreiben will, hat sich erst einmal zu entschuldigen. Er muss ein Bekenntnis nach etwa folgendem Muster ablegen: Ich bin gegen übertriebenen Datenschutz. Ich bin kein Maschinenstürmer. Ich will dem Fortschritt von Wissenschaft und Technik nicht im Wege stehen. Ich will den Staat nicht künstlich dumm machen und die Kriminalitätsbegrenzung nicht behindern. Ich erkläre deshalb, daß Datenschutz kein Täterschutz sein soll …

Erst nach solchen Verbeugungen nach allen Seiten darf man dann, ohne krumm angesehen zu werden, zu reden und zu schreiben beginnen.

Ach, wie doch das beruhigt:

Eine Kontrolle sowohl der Presse wie die die Informationsnetze erfassende Kommunikation Fernsehen, Radio, Zeitung, Computer und oder Rotationsdruck – , wird lückenhaft bleiben. Zur Erzeugung von Misstrauen nämlich müssten Staat, Kirche und andere Institutionen das Prinzip der Begegnung  selbst zu fassen bekommen, jenen Funken, der Achilles in Bewegung setzte, wo Patroklos nichts zu erwarten wagte. Dieser rasende Eros dann überrascht die, die er erfasst und lässt etablierten Machthabern, Kirchenoberen, Bundespräsidenten sowie Oberlehrern keine Ruhe. Das hat, merkt Jürgen Gottschling fröhlichen Herzens an – einiges für sich. Dass nämlich gegen die „guten“ Sitten verstoßen und – wenn es der Wahrheitsfindung dient – für Ärger gesorgt werden darf. Und muss. Und, dass wir und die Neue Rundschau uns auch künftig als Hort nie erlahmender Subversion müssen erweisen dürfen.

Ach ja, zu „Freiheit, die ich meine“ hat(te) auch – Freiheit am Ende aus Versehen und auf DDRisch und was Wunder – einer derer, welcher diese Mauer (eigentlich) – hat mit bauen lassen
„So ist das passiert“ – Günter Schabowski eine Meinung. Doll …

Nov. 2019 | Heidelberg, Allgemein, Essay, In vino veritas, Junge Rundschau, Kirche & Bodenpersonal, Politik, Senioren, Zeitgeschehen | Kommentieren