30 Jahre nach Verabschiedung der UN-Kinderrechtskonvention am 20. November 1989 hat sich die Situation der Kinder weltweit an vielen Stellen verbessert. Die Kindersterblichkeit ist deutlich zurückgegangen, die Zahl der Kinder, die nicht zur Schule gehen, hat sich seitdem von 120 Millionen auf jetzt 64 Millionen knapp halbiert.

Dennoch ist die Lebenssituation vieler Kinder alarmierend: 150 Millionen Kinder sind chronisch unterernährt und tragen deshalb schwere gesundheitliche Schäden davon. Über 152 Millionen Kinder müssen arbeiten, die Hälfte von ihnen unter katastrophalen Bedingungen in Steinbrüchen, Minen, Textilfabriken und Bordellen. Jedes vierte Kind wächst in einem Kriegs- oder Konfliktgebiet auf, über die Hälfte der weltweit 70 Millionen Flüchtlinge sind Kinder unter 18 Jahren. Die Auswirkungen des Klimawandels gefährden das Leben von Millionen Kindern.

„Ein Viertel der Weltbevölkerung ist heute jünger als 18 Jahre. Damit auch diese knapp zwei Milliarden Kinder die Chance haben, gesund und friedlich aufzuwachsen, brauchen wir jetzt einen entschlossenen Aufbruch für Kinderrechte. Es geht darum, Kinder und Jugendliche vor Gewalt und Ausbeutung zu schützen und ihre Zukunft zu sichern. terre des hommes ruft Regierungen, Verbände, Wirtschaft und Institutionen auf, jetzt entschieden zu handeln, damit die Kinderrechte endlich weltweit verwirklicht werden“, sagte Albert Recknagel, Vorstandssprecher von terre des hommes.

Von der Bundesregierung fordert terre des hommes, die Kinderrechte noch in dieser Legislaturperiode im Grundgesetz zu verankern und die Belange von Kindern in allen politischen Ressorts einzubeziehen. »Das betrifft Bildung, Familie und Soziales, aber auch Wirtschaft, Verkehr, Städtebau, Klima- und Umweltschutz sowie die Außen- und Entwicklungspolitik«, so Albert Recknagel. »Die Bundesregierung muss den Klima- und Umweltschutz deutlich engagierter angehen. Um Kinderarbeit und Armut in Entwicklungsländern zu bekämpfen, muss die Regierung Unternehmen gesetzlich verpflichten, Umwelt- und Sozialstandards einzuhalten.«

In Deutschland sollen Kinder und Jugendliche stärker gefragt und einbezogen werden. »Ob in der Familie, in Schulen und Vereinen, in Gemeinden, den Bundesländern oder auf nationaler Ebene: Kinder und Jugendliche müssen gehört und an den für sie wichtigen Themen wie Bildung oder Stadt- und Verkehrsplanung beteiligt werden«, so Albert Recknagel.

Es hat sich bereits vieles für Kinder gebessert.
Doch es liegt noch sehr viel auf der Strecke.

Das Grundgesetz

Das Grundgesetz regelt die Staatsorganisation, sichert individuelle Freiheiten und errichtet eine objektive Werteordnung.

Artikel 6 des Grundgesetzes enthält nur Aussagen über Kinder, nicht für Kinder:

 

  1. Ehe und Familie stehen unter dem besonderen Schutze der staatlichen Ordnung.
  2. Pflege und Erziehung der Kinder sind das natürliche Recht der Eltern und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht. Über ihre Betätigung wacht die staatliche Gemeinschaft.
  3. Gegen den Willen der Erziehungsberechtigten dürfen Kinder nur auf Grund eines Gesetzes von der Familie ge­trennt werden, wenn die Erziehungsberechtigten versagen oder wenn die Kinder aus anderen Gründen zu ver­wahr­lo­sen drohen.
  4. Jede Mutter hat Anspruch auf den Schutz und die Fürsorge der Gemeinschaft.
  5. Den unehelichen Kindern sind durch die Gesetzgebung die gleichen Bedingungen für ihre leibliche und seelische Entwicklung und ihre Stellung in der Gesellschaft zu schaffen wie den ehelichen Kindern.

Spezielle Kinderrechte werden im Grundgesetz nicht erwähnt.
Das Bundesverfassungsgericht sagt aber: Pflege und Erziehung muss sich am Kindeswohl orientieren!

Die Landesverfassungen

Bedingt durch den föderalen Aufbau der Bundesrepublik Deutschland stellen die Bundesländer eigene Staaten mit eigener Staatsgewalt, eigenen Parlamenten, Regierungen und Verfassungsgerichten dar. Die jeweiligen Landesverfassungen müssen den Grundsätzen des republikanischen, demokratischen und sozialen Rechtsstaates entsprechen. Innerhalb dieses Rahmens dürfen sie jedoch von den Bestimmungen des Grundgesetzes abweichen.

So finden sich in vielen Landesverfassungen Elemente direkter Demokratie, die auf Bundesebene unbekannt sind. In den Landesverfassungen der ostdeutschen Länder wurden oftmals soziale Grundrechte aufgenommen, die jedoch nicht einklagbar sind. In 14 von 16 Landesverfassungen sind inzwischen Kinderrechte verankert. In Hessen und Hamburg sind keine Kinderrechte in den Landesverfassungen zu finden.

Kommunale Ebene

In den verschiedenen Bundesländern gibt es auf kommunaler Ebene unterschiedliche Regelungen hinsichtlich der Beteiligungsrechte von Kindern und Jugendlichen: es gibt Soll-, Muss- und Kann- Formulierungen in den Gemeindeordnungen oder Kommunalverfassungen. Gar keine Regelungen dazu gibt es in Bayern, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen.

Ob Kinder und Jugendliche sich beteiligen können, hängt also vom Zufall ihres Geburtsortes ab. Daher fordert das Deutsche Kinderhilfswerk klare gesetzliche Regelungen und gemeinsame, überprüfbare Qualitätsstandards für die Beteiligung, die einer objektiven Nachprüfung standhalten müssen. Ein geeigneter Ort dies zu regeln, sind die Gemeindeordnungen oder Kommunalverfassungen der Bundesländer.

Die Beteiligung in den Kommunen bedarf einer verpflichtenden gesetzlichen Verankerung. Sie ergibt sich aus der UN-Kinderrechtskonvention und den Forderungen des Nationalen Aktionsplans „Für ein kindergerechtes Deutschland 2005-2010“, in denen die Berücksichtigung des Kinderwillens ein zentrales Grundrecht darstellt. Schleswig-Holstein und Hamburg haben in diesem Zusammenhang eine Vorbildfunktion, da sie als einzige Bundesländer die Beteiligung von Kindern und Jugendlichen rechtlich verbindlich geregelt haben.

Verpflichtung zur Berichterstattung

Die Bundesrepublik Deutschland muss, wie alle anderen Vertragsstaaten der UN-Kinderrechtskonvention auch, Berichte über die Kinderrechte im eigenen Land vorlegen, die Aufschluss über die Umsetzung ihrer Verpflichtungen zum Schutz der Kinder geben. Die Berichte gehen an den UN-Ausschuss für die Rechte des Kindes in Genf (Kinderrechtsausschuss).

Der erste Rechenschaftsbericht wurde zwei Jahre nach Inkrafttreten der UN-Kinderrechtskonvention (UN-KRK) fällig. Danach sind die Berichte im Fünfjahresturnus abzugeben (Art. 44 UN-KRK). Mit jedem Bericht gibt die Bundesregierung Auskunft darüber, inwieweit die Kinderrechte bei ihr garantiert sind und welche Fortschritte es seit dem letzten Bericht gibt. Zusätzliche Informationen verlangt der Kinderrechtsausschuss, wenn ihm der Bericht nicht ausreichend oder nicht glaubwürdig erscheint. Außerdem kann der Ausschuss Empfehlungen aussprechen. Bei der Überprüfung der vorgelegten Berichte wird der Ausschuss von UNICEF beraten.

Verspätet – versäumt – verspätet…

Im Jahr 1994 musste Deutschland den ersten Staatenbericht vorlegen, der 1995 vom UN-Ausschuss behandelt wurde. Der zweite Bericht wurde 2004 mit Verspätung vorgelegt. Den Termin für den dritten Staatenbericht hat die Bundesregierung versäumt. Der dritte und vierte Staatenbericht wurden zusammengelegt und mit erheblicher Verspätung 2010 vorgelegt. Der nächste Staatenbericht muss als zusammenhängender 5. und 6. Bericht im April 2019 vorgelegt werden.

Zur Umsetzung der Kinderrechtskonvention sieht die UN in jedem Land eine unabhängige Monitoring-Stelle vor, die die Umsetzung beobachten und überwachen soll. Seit 1992 wurde das Fehlen einer zentralen Monitoring-Stelle in Deutschland mehrfach vom UN-Kinderrechtsausschuss kritisiert und im Februar 2014 empfohlen, eine solche Stelle in Deutschland zu schaffen. Dieser Empfehlung ist das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend schließlich nachgekommen, sodass seit August 2015 eine Monitoring-Stelle UN-Kinderrechtskonvention beim unabhängigen Deutschen Institut für Menschenrechte eingerichtet wurde.

Nov. 2019 | Allgemein, Essay, Junge Rundschau, Politik, Senioren, Zeitgeschehen | Kommentieren