Die Grünen-Politikerin Renate Künast unterlag vor dem Berliner Landgericht, nachdem sie auf Facebook öffentlich übel beschimpft worden war – wogegen sie juristisch vorgehen wollte.
Insgesamt 22 Kommentare wertete sie als beleidigend,
was das Gericht jedoch anders sah und diese als „legitime Meinungsäußerungen“ wertete. Alle Kommentare entstanden als Reaktion auf den Post eines Rechtspopulisten, der eine Aussage der Politikerin aus dem Jahr 1986 hernahm.
Hier zehn der richterlichen Erklärungen im Wortlaut
Zu: „Drecks Fotze“
„Der Kommentar ‘Drecks Fotze’ bewegt sich haarscharf an der Grenze des von der Antragstellerin noch Hinnehmbaren. Weil das Thema, mit dem sie vor vielen Jahren durch ihren Zwischenruf an die Öffentlichkeit gegangen ist, sich ebenfalls im sexuellen Bereich befindet und die damals von ihr durch den Zwischenruf aus der Sicht der Öffentlichkeit zumindest nicht kritisierte Forderung nach Entpönalisierung (das meint Entkriminalisierung) des gewaltfreien Geschlechtsverkehrs mit Kindern erhebliches Empörungspotenzial in der Gesellschaft hat, ist die Kammer jedoch der Ansicht, dass die Antragsstellerin als Politikerin sich auch sehr weit überzogene Kritik gefallen lassen muss. Dass mit der Aussage allein eine Diffamierung der Antragstellerin beabsichtigt ist, ohne Sachbezug zu der im kommentierten Post wiedergegebenen Äußerung, ist nicht feststellbar.“
Zu: „Ferck du Drecksau“
„Der Kommentar ‘Ferck du Drecksau’ steht in unmittelbarem Zusammenhang zu dem Post und nimmt Bezug auf den dort wiedergegebenen Zwischenruf der Antragstellerin. In diesem Zusammenhang stellt die Äußerung ‘Ferck du Drecksau’ keine Beleidigung dar, wobei der unbefangene Durchschnittsleser nicht erkennen kann, was der Verfasser mit ‘Ferck’ hat schreiben wollen. Es kann ’verrecke’ sein, wie dies die Antragstellerin meint, zwingend ist dies aber nicht, es kann ebenso gut auch ‘Ferckel’ sein.“
Zu: “… als Kind ein wenig zu viel gef…“
„Die Äußerung ‘Wurde diese ,Dame’ vielleicht als Kind ein wenig viel gef… und hat dabei etwas von ihren Verstand eingebüßt. …“ stellt wiederum eine polemische und überspitzte, aber nicht unzulässige Kritik dar. Denn wie sich aus dem nachfolgenden Satz ergibt, geht es um eine auf die Äußerung der Antragstellerin bezogene Kritik. Dass die Äußerung sexualisiert ist, ist das Spiegelbild der Sexualisiertheit des Themas. Eine Diffamierung und damit eine Beleidigung nach § 185 StGB der Antragsstellerin lässt sich hieraus nicht ableiten.“
Zu: „Knatter sie doch mal so richtig durch …“
„Die in ein Bild von Star Wars eingefügte Äußerung ‘Knatter sie doch mal einer so richtig durch, bis sie wieder normal wird!’ ist eine sicherlich geschmacklose Kritik, die mit dem Stilmittel der Polemik sachliche Kritik übt. Es geht dem Äußernden erkennbar nicht darum, die Antragstellerin als Person zu diffamieren, sondern an der von ihr getätigten Äußerung Kritik zu üben. Es liegt daher keine Beleidigung nach § 185 StGB vor. Die Antragstellerin wird nicht, wie sie dies meint, zum Gegenstand sexueller Fantasien gemacht.“
Zu: „Stück Scheisse“ und „Geisteskranke“
„Soweit die Antragstellerin geltend macht, es liege mit ‘Stück Scheisse’ und ‘Geisteskranke’ eine Formalbeleidigung vor, steht dem entgegen, dass, wie sich aus dem zweiten Satz ergibt, eine Auseinandersetzung in der Sache erfolgte, so dass eine Formalbeleidigung ausscheidet (vgl. LG Hamburg, Beschluss vom 11. Mai 2017 […]).“
Zu: „… die Fresse polieren“
„Wie aus den Worten ’bei solchen Aussagen’ deutlich wird, handelt es sich bei der Aussage ‘Ich könnte bei solchen Aussagen diese Personen die Fresse polieren’ um eine auf die im Post bezogene Äußerung bezogene und damit sachbezogene Kritik. Eine Beleidigung nach § 185 StGB liegt damit nicht vor.“
Zu: „hohle Nuss“ und „Sondermüll“
„Die Bezeichnung der Antragstellerin als ‘hohle Nuss’, die ’entsorgt’ gehört und als ’Sondermüll’ stellt sich als überspitzte Kritik dar. Da sich der Kommentar erkennbar auf die im Post wiedergegebene Äußerung bezieht und damit Sachbezug hat, stellt er sich nicht als diffamierend dar. Eine Beleidigung nach § 185 StGB ist nicht gegeben.“
Zu: „Schlampe“
„Auch in dem Kommentar ’Schlampe’ kann eine von der Äußerung im kommentierten Post losgelöste, primär auf eine Diffamierung der Person der Antragstellerin und nicht auf eine Auseinandersetzung in der Sache abzielende Äußerung nicht gesehen werden. Vielmehr ist auch dieser Kommentar ein Beitrag in einer Sachauseinandersetzung.“
Zu: „Schlamper“
„Der Kommentar „Schlamper“ stellt keine Beleidigung dar. Auf die Ausführungen unter (13) und (14) wird verwiesen. (13: „Schlampe“ und 14: „Gehirn Amputiert“)
Auf einen Kommentar als Beitrag in
dieser Sachauseinandersetzung
verzichten wir hier.
Ausdrücklich.
Aber ungern.
Und, haben uns dazu durchgerungen einzuräumen, in der Tat nicht zu allem einen Kommentar abgeben zu müssen, wovon wir nun wirklich keine Ahnung haben. netzpolitik.org hat Mitarbeiter, die sich in diesem schwierigen Gefilde juristisch auskennen und in der Lage sind, fachkundig sowohl zu berichten, als auch zu kommentieren.
Wir geben also an diesbezüglich kompetentere Kommentatoren ab.