Kritischer Journalismus ist Ungehorsam, ist Emanzipation, er bedeutet Mündigkeit. Erst einmal gelernt, den Mund aufzutun, wird Diktat durch Diskurs blamiert. Kritischer Journalismus ist der Tod von Dogmen und ihren Verwaltungen, die Devisen der Aufklärung “sapere aude” – “wage zu wissen” – und “de omnibus dubium est” – “es ist alles in Zweifel zu ziehen” – haben die Welt auf den Kopf gestellt. Indem aber kritischer Journalismus auf Veränderung, auf Öffnung für Neues zielt, erweist sich dieser Stand auch als eine Methode der Bewahrung des Bewährten. Bewährtes nämlich bewahren wir nur, wenn wir auch darauf achten, daß Bewahrtes sich bewährt. Tradition und Veränderung schließen sich nicht aus, sondern bedingen einander. Wenn etwas dasselbe bleiben will, muß es anders werden. Wenn das Frühere, das Einstige, das Vertraute verweigert, was das Künftige benötigt, dann ist “nicht das Getane zu tun, sondern das Zu-Tuende”. Kritische Journalisten prüfen, scheiden, sichten, trennen, wählen, klagen an und klagen ein, beurteilen und verurteilen. Was Wunder, daß jener Journalismus, dessen Funktion Kritik ist, immer schon als zumindest unbequem empfunden wurde. Ein kritischer Journalist ist ein Störenfried, ein Zwischenrufer, ist einer, der nicht zuläßt, daß Konflikte zueitern, sondern einer, der daran schabt und für eine sauber zuwachsende – sei es denn auch erst einmal wieder eine neue – Wunde zu sorgen versucht. Der Geist kritischer Journaille ist unheilbar, kritisches Denken ist, einmal in Gang gekommen, nicht aufzuhalten, schließt eine von manchen ersehnte Rückkehr in vorkritische Mentalität aus.
Sucht oder Flucht?
Der Tag, das Tägliche ist die Domäne des Journalisten, hier ist die Zwiespältigkeit seines Wirkens zu suchen. Was wird, tritt nicht ohne Verlust ein. Ohne Bereitschaft zur Trennung aber bleibt Entwicklung aus. “Der” Journalist hat eine Vorliebe für das Neue, das er mit detektivischer Witterung aufspürt. Soll, was er berichtet, Information heißen, dann darf es nicht bereits bekannt sein. Was aber wäre das: Das absolut Neue? Knüpft nicht Neues immer auch an Altes an? Wie ist die Beunruhigung, die Verunsicherung zu erklären, welche manche Information, also die Kundgabe einer Neuigkeit, wie ein Schatten zu begleiten pflegt? Das Neue: derweil sie bei einem eine Sucht bewirkt, schlägt sie andere in die Flucht.
In der Tat erreicht Information auch dunkle Schichten, ist sie doch Wissen, das auch auf Unbewußtes trifft. Sie ist Enthüllung, Aufdeckung, Offenbarung.
Und wir?
Rundschau, das bedeutet für uns Entlarvung, Enttarnung durch Information und Kommentar. Information ist kein harmloser Vorgang. Sie kann, wie die Geburt, mit Wehen verbunden sein. Sie bringt etwas an den Tag, Verstecktes oder Verkanntes, Ungewolltes oder Ungewohntes. Sie kann einen Vorhang zerreißen, rücksichtslos ein neues Kapitel aufschlagen, obgleich man doch noch am alten hing, und so einen heftigen Widerstand erzeugen. Ihre Wirkung ist bei jedem Empfänger verschieden. Jeder reagiert anders, mit einem unterschiedlichen Vorrat an Voreinstellungen. Information ist nicht gradlinig oder gar eindeutig, sie wird immer beeinflußt, umgeleitet, verbogen, überfremdet, gesteigert, ergänzt, verkürzt. Den Menschen, manchen Lesern, eignet eine merkwürdige Neigung zur Verschlossenheit und Verheimlichung. Sie schauen blinzelnd ins Licht der Welt und suchen gern Unterschlupf im Halbdunkel, im Dämmerschein, im Mutterschoß. Es ist wohl so, wie Bertrand Russel meinte: “Der Mensch fürchtet das Wissen viel mehr als das Nichtwissen”. Information – vom Kommentar zu schweigen – kann doch auch als eine Attacke auf unsere Bequemlichkeit einherkommen, als Hinweis auf unsere Beschränktheit, als Nötigung zur Auseinandersetzung. Lassen wir doch Information für etwas mehr Wissen, für etwas weniger Unwissen sorgen, lassen wir sie gegen den Hang protegieren, den Kopf in den Sand zu stecken, für eine Tendenz der Aufgeschlossenheit, der Transparenz, der Bloßlegung.
Wichtigmacher? Wichtigtuer?
Ein Journalist ist ein Wichtigmacher. Das ist sein Beruf. Aber trotz unbestrittener Meriten unserer Publizistik scheint sie derzeit auch ein Nährboden für Wichtigtuer zu sein. Ein Trend der Bevorzugung, der Begünstigung der geläufigen, der gefälligen, der attraktiven oder sensationellen, eben der am besten zu verkaufenden Information ist zu beklagen. Information, von Haus aus im Dienst des Wahren, ist in die Nähe der Ware gerückt. Kommerzialisiertes Denken verleitet Journalisten ebenso wie Politiker, mit der Mehrheit zu liebäugeln, statt nach der Wahrheit Ausschau zu halten. Journalistik ist ihrer Natur nach ein Medium des Interessanten. Aber sie ist in höchster Gefahr, zu einem Instrument von Interessen zu verkommen. Wenn sie nicht mehr die “res publica” im Sinn hat, verkommt sie zu public relations, zum PR! Gewiß, Informationen lassen sich nicht mehr ganz leicht unterschlagen. Dafür sorgt – glücklicherweise – diese befruchtende Konkurrenz, die wir mit der nunmehr “Neuen” Rundschau – wenn auch nur einmal im Monat, so doch aber vehement und ungeschönt unter die Leute bringen – und keineswegs nur in dieser Kolumne als Wahrheit bis hin zur streitbar-scharfen Polemik. Wir meinen, dass provoziert werden müsse – und haben in Kauf zu nehmen, hin und wieder auch mal falsch verstanden zu werden. Mit den Mitteln aber der Dosierung und der Akzentuierung, der Zu- statt der Mitteilung kann man jedoch ihre Wirkungen fast unmerklich dirigieren. Und mit diesen Mitteln bekommt die geschönte, die schonende, die angenehme, die gern vernommene, die vertraute, rasch verdaute Information, so bekommen selbst Mord und Totschlag ebenso wie Liebe & Triebe einen Vorrang gegenüber der peinlichen, da provozierenden Information, die zu Selbstkritik und Selbstkorrektur, zu Um- und Ausbau unseres Weltbildes zur Entfaltung eines zukunftsgerechten Denkens einlädt. Unangepaßte Information mutet uns die Einsicht zu, daß wir nicht mehr in einer Konsens-, sondern in einer Konfliktwelt leben. Und die verlangt eben neue Umgangsformen.
Leitgedanken der Aufklärung
Zum Beispiel: Toleranz und Weltbürgertum – das sind zwei Leitgedanken der Aufklärung, die oft verpönt worden sind. Sie stimmen überein mit dem Effekt, der eintritt, wenn Informationen frank und frei ihren Lauf nehmen können. Durch – und erst recht durch unbequeme – Informationen werden Trennwände porös, und es kann eine Bereitschaft heranreifen, dem Anderen, dem Fremden, dem anormal erscheinenden, ja dem Gegner und allem, was sich jenseits der Trennwände abspielt, ein wenig gerecht zu werden, also dem Unverstandenen sein Recht zu geben. Vielleicht ist die vornehmste journalistische Aufgabe, Informationen so zum Adressaten gelangen zu lassen, daß er beginnen kann, das Andere, das Fremde, das anormal erscheinende, ja das Gegnerische von dessen eigenen Voraussetzungen her zu verstehen und sogar zu vertreten.
Zwischen Sprache und Wirklichkeit
Welche Aufgaben sollten denn nun eigentlich Zeitungen erfüllen? Karl Kraus schon nahm wie kein anderer den Vorgang wahr, wie vor seinen Augen das erste Massenmedium, die Tagespresse, sich zwischen Sprache und Wirklichkeit schob, wie das Surrogat sich als Dichtung und Wahrheit aufbläht. Kraus zieht aus dem Anspruch die Konsequenz: Er nimmt die Zeitung beim Wort und haut es ihr um die Ohren. Wenngleich heutzutage (da sind wir lieber altmodisch) polemische Feldzüge insofern schon unmöglich scheinen, als der Unterschied zwischen öffentlicher und privater Person nicht mehr gemacht wird, bleiben wir erst recht und dennoch dabei: Nur wer sich mit der zynischen Spießerweisheit zufrieden gibt, Politik werde von Schuften, Presse von Schmierfinken gemacht, bleibe zufrieden hinterm Ofen sitzen. Wenn aber auch nur einer bei diesen stillen Übereinkünften nicht mitmacht, es wasche doch eine Hand die andere, und wenn alle mitmachten, falle es keinem auf: Und die Zeitung, diesen anfälligen Treffpunkt von Phrase und Geschäft mit (das meinen wir doch!) raffinierter Naivität (ständig begleitende Grille des Pinocchio) am moralischen und sprachlichen Standard des bürgerlichen Kulturerbes mißt, dann wird es kritisch.
Presse und Freiheit
Es ist ein Teil der deutschen Tradition, ein Wort wie Freiheit nicht für sich allein stehen zu lassen. Ruft da einer “Freiheit!”, schon gesellt ein anderer “Ordnung!” dazu; wer da klug ist, redet gleich von “Freiheit und Verantwortung” oder preist die Freiheit, warnt jedoch im gleichen Atemzug vor ihrem Mißbrauch.
Diese Angst vor der Freiheit, der Verdacht, daß sie gar zu leicht zu Anarchie und Zügellosigkeit entarte, trifft merkwürdigerweise nur die friedsamen Anhänger des Rechtsstaates. Ihnen gilt die Obsorge unseres demokratischen Obrigkeitsstaates, der alles reglementiert, vom Autogurt über den Führerschein bis zum Ladenschluß, Freiheit in Festreden großzügig austeilt, in der Praxis aber allenfalls häppchenweise.
Ein besonderer Argwohn der machthabenden ordnungsamtrigen Beamten hat – was Wunder – schon immer der Pressefreiheit gegolten, weil sie deren Wahrnehmungen am stärksten zu fürchten haben. In den Anfangsjahren der Bundesrepublik hatte das Bundesverfassungsgericht einiges dazu getan, die Presse- und Informationsfreiheit zu sichern. Inzwischen nähern wir uns einem Zustand, in dem die Journalisten als Stand von steuerlichem Entgegenkommen bis hin zum Zeugnisverweigerungsrecht privilegiert werden, aber – nicht nur aber auch dafür steht etwa der “Lauschangriff” – außer Stand gesetzt werden könnten, ihrem kritischen Auftrag noch nachzugehen.
Ach, wie doch das beruhigt:
Eine Kontrolle der Presse (wie auch der anderen Informationsnetze: Fernsehen, Radio, Zeitung, Computer und Rotationsdruck) wird lückenhaft bleiben. Zur Erzeugung von Mißtrauen nämlich müssten Staat, Kirche und andere Institutionen das Prinzip der Begegnung selbst zu fassen bekommen, jenen Funken, der Achilles in Bewegung setzte, wo Patroklos nichts zu erwarten wagte. Dieser rasende Eros dann überrascht die, die er erfaßt und läßt etablierten Machthabern, Kirchenoberen und Oberlehrern keine Ruhe. Das hat, merkt Jürgen Gottschling fröhlichen Herzens an – einiges für sich. Dass nämlich – wann und wo auch immer nötig – gegen die “guten” Sitten verstoßen und für Ärger gesorgt werden darf. Und muß. Und daß die “Neue Rundschau” sich auch künftig als Hort der Subversion verstehen und behaupten wird, das garantieren wir.
01.Jun.2011, 16:36
Einfache Dinge zu komplizieren, sollte nicht das Ziel des Journalisten sein.
Mutig gesagt:
„Rundschau, das bedeutet für uns Entlarvung, Enttarnung durch Information und Kommentar. “
Aber wo? Jürgen, wo bleibt der Mut Deiner Jugend?
Auch die Rundschau hat damit noch nicht die Zurückhaltung erklärt, die sie, wie auch alle übrige deutsche Presse, in ein schlechtes Licht stellt.
Woher droht die Repression? Zensur besteht auch dann, wenn sich niemand traut, zu schreiben.
Wo ist die Aufklärung über die WISSENSCHAFTLICHEN ERGEBNISSE zu WTC7?
Habt Ihr nichts aus dem Faschismus Hitlers gelernt?
Wenn Ihr es nicht verhindert und VORAUSSAGT, wird es ein zweites 9/11 geben und Obama wird es den Pakistanis anschreiben.
Wann endlich lässt sich auch unser Jürgen Gottschling nicht mehr von seinen Herren oder von der „plumpen Masse“ erpresst fühlen und schreibt, wie’s wirklich im Ganzen um Deutschland und Europa steht?
Wer Politekeln die Hoheit über die Naturgesetze zugesteht, und nicht einmal hier widerspricht, nicht einmal sich hinter Galileo stellt, ist ein schlechter Demokrat und ein noch schlechterer Journalist.
Wir stehen am Rande der gefährlichsten faschistischen Diktatur der Geschichte, die sich in den Zielen in Nichts von denen Hitlers unterscheidet, nur dass als Mittel heute auch die Atombombe den Verbrechern zur Verfügung steht, und wer weiß, was schimmer ist, auch die globalen Finanzmärkte.
UNSER SCHWEIGEN IST VERBRECHEN !
Wer hält da Merkel noch für eine harmlose gutwillige Erscheinung? Sie nimmt verfassungswidrig an Sitzungen von Geheimorganisationen teil und küsst die Stiefel mächtiger Faschisten.
„Vertraue nicht einer Küchenschabe mit der Falschheit einer Schlange.“ .. sagte schon der chinesische Dichter.