stuhl.jpgEin wenig erinnert uns Würzners Jerusalem Geschichte an eine andere, an nämlich die, daß (eingräumt: weit hergeholt) Sokrates nicht auf Lateinisch sprach „scio, ut nesciam“, was zu übersetzen wäre nicht etwa „ich weiß, daß ich nichts weiß“, sondern „ich weiß, daß ich nicht weiß. Oder, positiv: „Ich weiß nicht, ob und was ich weiß“; vielmehr sprach Sokrates – Griechisch.

Würzner, so scheint es, weiß. Stellte er doch einfach, nachdem er selber einen (seinen alten) Stuhl breiter gebastelt und sich dann wieder draufgesetzt hat, einen anderen alten, wenn auch ein klein wenig mehr als gar nicht anders „gestilten“ Stuhl derweise zur Verfügung, daß einen solcherweise eingefärbten Stuhl die GAL gar nicht anders konnte, als ihn nicht abzulehnen …

Und, erst einmal zu guter Letzt, mußte mithin, einen Stuhl zu ergattern, nicht weil einer gefehlt hätte, mit großem Hin-und Her- Geschnatter, Gerenne und Geflenne darum gestritten werden, wer denn nun zu guter Letzt doch keinen hätte bekommen sollen.

esel.jpg So aber waren mit einem quasi neuen Stuhl allsogleich alle sowohl befriedet, wie auch befriedigt; zwei Frieden auf einen Streich, soviel Friede gleich zu Beginn der Würznerschen Amtszeit? Als – naja, OB, daß er das jetzt ist, das weiß ja jeder. Aber: Reinhold Zundel hieß rathausintern „der Kurfürst“, dem Beate Weber eins draufsetzte als „die Kaiserin“; bitte, was bleibt denn da dem Neuen, dem jungen OB noch als Steigerung? Sollte er gar alle, die ihn vor der Wahl als Bürgerknecht bezeichneten, halbwegs Recht behalten lassen? Und er bliebe einer zum Anfassen, bleibt „bürgerlich“ und bediente sich gar nicht einer Herrschaftsprache? Bürger Bürgermeister?
Fragen über Fragen, schaun wir mal – fürs Erste jedenfalls gelungen!

Daß – vorzeiten – die Grünen etwas in Gärung versetzende Fermente gewesen wären, diese Zeit ökoölogischer Expressivität ist ebenso vorbei, wie die Zeit, als das Darstellen von Inhalten alleine schon als Politik gelten durfte. Die Akteure von damals sind schon lange nicht mehr die Aktivisten jener „Gründerzeit“. Grüne Politik darf ihre Interessen heute anders vertreten, als damals. Ihr Sprachrohr sein zu wollen, das ist – was Wunder – heute zu wenig ambitioniert. Dieweil die GAL aber nach der von (auch) Caja Thimm eingefahrenen Ernüchterung trotz Vielerlei, genossenschaftlicher Unterstützung und Alledem auch in Heidelberg eine Teilrealisierung ihrer (welche immer das h e u t e sein mögen) Interessen erleben wollen, muß sich die GAL zugleich und eben drum vom Reinheitsgebot entbinden. Erscheint doch die Lehre pur längst auch dem eigenen Lager immer mehr als Zeichen mangelnden Durchsetzungswillens; und ihre politische Unschuld haben die GALlier ja nun wahrlich auch seit geraumer Zeit verloren.

Und, da dem so ist, dürfen die Grünen ihrer Anhängerschaft zumuten, Diskrepanzen auszuhalten, Zielkonflikte zu akzeptiernen, Niederlagen nicht als Verrat zu werten – und was der klugtaktischen Kokolorien mehr sind. Und wenn all das die Genossen Gemeinderäte nun um der Sache, um der Bürger und um der Stadt Bestes nun zu akzeptieren auch schafften, dann dürfte sich Heidelberg auf rosig am Horizent aufziehende Zeiten freuen. Schaun wir mal – und zwar künftig genau hin …

Jürgen Gottschling

Jan. 2007 | Heidelberg, Allgemein | Kommentieren