|
Iwan Golunow auf einer Polizeistation. (Quelle: Dmitry Dzhulay meduza.io /AP/dpa) |
|
Guten Morgen, liebe Leserinnen und Leser, |
|
hier ist der kommentierte Überblick über die Themen des Tages: |
|
WAS WAR? |
Pressefreiheit ist ein großes Wort. Hierzulande können wir seinen Klang wertschätzen, aber seinen Gehalt oft nur erahnen. Journalisten merken, dass sie einen guten Job machen, wenn sie für ihre Recherchen neben Anerkennung auch Böswilligkeit ernten. Wenn sie wie in diesen Tagen beschimpft werden, weil sie menschenverachtende Tweets einer ehemaligen CDU-Abgeordneten ans Licht holen, oder wenn sie verleumdet werden, weil sie über einen Youtuber berichten, der die Regierungsparteien kritisiert. Aber nahezu alles, was Journalisten hierzulande an Schmähungen erleben, ist harmlos im Vergleich zu den Angriffen, denen sich Kollegen in vielen anderen Ländern ausgesetzt sehen. Dazu müssen wir gar nicht weit weg – Afrika, Asien oder Lateinamerika – blicken. Wir finden die Feinde der Pressefreiheit auch in Europa – und in besonderem Maße in Russland. |
|
|
|
Unter der Regentschaft von Präsident Putin hat sich das Land zu einem Hochrisikogebiet für Journalisten entwickelt, die sich weigern, als Herolde der Staatsmacht herzuhalten, die stattdessen investigativ recherchieren und Missstände aufdecken, kurz: ihren Job machen. Sie werden nicht nur diffamiert und verleumdet, sie werden auch verhaftet, geschlagen, ermordet. “Kritische Medien geraten regelmäßig unter Druck, Journalisten müssen mit Gewalt oder gezielten Anschlägen rechnen, die meist straffrei bleiben“, urteilt die Organisation Reporter ohne Grenzen, die Russland in der Rangliste der Pressefreiheit auf dem beschämenden Platz 149 von 180 einsortiert. |
|
Jüngstes Opfer der russischen Presseverfolgung ist Iwan Golunow.Der Reporter recherchierte Korruptionsfälle unter hochrangigen Moskauer Verwaltungsbeamten. Er enthüllte, wie die Beamten mit illegalen Geschäften im Beerdigungsgewerbe riesige Summen abschöpften. Daraufhin erhielt er Kollegen zufolge Morddrohungen. Ende vergangener Woche verhafteten Polizisten den 36-Jährigen und stellten ihn unter Hausarrest. Vorwurf: “Drogenhandel“. Golunow bestreitet die Anschuldigungen und sagt, er sei im Polizeigewahrsam gefoltert worden. Am Samstag wurde er in ein Moskauer Krankenhaus verlegt, wo Ärzte nach Angaben seines Anwalts gebrochene Rippen, Prellungen und eine Gehirnerschütterung feststellten. Die Polizei entschied sich, von “Kratzern auf dem Rücken“ und “einem geschwollenen Auge“ zu sprechen. Was man halt so sagt, wenn man weiß, dass man tun und lassen kann, was man will und keinerlei Konsequenzen fürchten muss. |
|
|
Solidarität für russischen Journalisten im Hausarrest. (Quelle: Ulf Mauder/dpa) |
|
|
Der Kreml reagiert nervös. Die Ermittlungen hätten “Fragen aufgeworfen“, schwurbelte ein Regierungssprecher ein Regierungssprechergeschwurbel. „Natürlich sind auch Fehler möglich. Überall arbeiten nur Menschen.“ Was man halt so sagt, wenn man keine Verantwortung übernehmen will und einen Sündenbock sucht. |
|
Ich möchte dazu auch noch etwas sagen. Einen Satz nur. Sein Urheber ist unbekannt, aber jeder Journalist kennt ihn – und wir sagen ihn gerne weiter: “Es gibt keine Freiheit ohne Pressefreiheit.“ Das gilt überall, auch in Russland, auch für Herrn Putin. Und für uns in Deutschland gilt, dass uns der Fall Golunow nicht egal sein kann, wenn wir unsere europäischen Ideale ernst nehmen. |
|