Die Privathaftpflicht gilt als eine der wichtigsten Versicherungen, die jeder haben sollte. Doch ihre Tarife unterscheiden sich zum Teil deutlich.

Familien sollten prüfen, wie die Versicherung Schäden ihrer Kinder behandelt. Quelle: imago stock&people

Kaputte Scheibe

Familien sollten prüfen, wie die Versicherung Schäden ihrer Kinder behandelt.

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Endlich wieder draußen sein und die ersten warmen Frühlingstage genießen: Für viele Menschen gehört dazu, die Grillsaison einzuläuten. Doch die Freude über Stockbrot sowie Würstchen und Steaks vom Grill kann rasch getrübt werden. Wer zum Anzünden des Feuers etwa Brennspiritus benutzt und dabei andere durch eine Stichflamme verletzt, ist in der Regel allein dafür verantwortlich.

Das haben auch die Richter am Landgericht Dessau-Roßlau in einem aktuellen Urteil (AZ 2 O 147/18) so gesehen: Es sei ausschließlich Sache des Beklagten gewesen, eine derart gefährliche Handlung grundsätzlich zu unterlassen, heißt es darin. Eine Mitschuld der verletzten Person, die sich nicht weit genug vom Grill entfernte, sahen die Richter nicht. Der Verursacher muss der Klägerin also alle Schäden ersetzen – was je nach Verletzung schnell ins Geld gehen kann.

Das Beispiel ruft in Erinnerung, wie wichtig es ist, für solche alltäglichen Geschehnisse richtig abgesichert zu sein – mit einer privaten Haftpflichtversicherung, die auch für diesen Schaden aufkäme. Im Alltag kann immer wieder ein Missgeschick passieren, nicht nur beim Grillen. Nach dem Gesetz ist jeder Mensch, der einem Dritten einen Schaden zufügt, zu Schadensersatz verpflichtet.

Im Extremfall kann die private Haftpflichtversicherung verhindern, dass der Versicherte durch einen hohen Schaden vor dem finanziellen Ruin steht. Die Versicherung reguliert nicht nur den Schaden, sondern prüft auch, ob die Ansprüche des Geschädigten berechtigt sind, und wehrt sie gegebenenfalls ab. „Eine Privathaftpflichtversicherung gehört daher zu den existenziellen Versicherungen – alle sollten eine haben“, resümiert Bianca Boss vom Bund der Versicherten (BdV).

Für Verbraucher ist es unterdessen nicht ganz einfach, die richtige Police zu finden. Denn die Versicherungsbedingungen der verschiedenen Anbieter weichen sehr stark voneinander ab. „Ein Vergleich von Tarifen lohnt sich für Versicherungsnehmer in jedem Fall“, betont Brigitte Mayer, Versicherungsexpertin der Verbraucherzentrale Hessen. Verbraucher sollten darauf achten, dass alle wichtigen Risiken abgedeckt sind und die Summen für die einzelnen Arten von Schadensfällen ausreichend sind.

Das Verbrauchermagazin „Finanztest“ hat eine Liste mit 13 Merkmalen erarbeitet, die eine Police mindestens aufweisen sollte. Interessierte können diese unter dem Stichwort „Finanztest-Grundschutz“ nachlesen. Wichtigster Punkt: Der Versicherer soll mindestens bis zu zehn Millionen Euro Entschädigung pauschal für Personen- und Sachschäden bieten.

Hinzu kommt ein Katalog von Leistungen, der nach Ansicht der „Finanztest“-Experten für die Absicherung unerlässlich ist. So sollte die Versicherung beispielsweise Allmählichkeitsschäden – also Schäden, die sich erst mit der Zeit zeigen – und Schäden an einer Ferienwohnung im Ausland ebenfalls in Höhe von zehn Millionen Euro abdecken.

Paradebeispiel Schlüsselverlust

In vielen Fällen kann es sinnvoll sein, dass auch Schäden, die über diesen Grundschutz hinausgehen, versichert sind. In anderen Fällen ist aber genau das überflüssig. Versicherte zahlen dann für einen Schutz, den sie nicht benötigen. Verbraucherschützerin Mayer empfiehlt: „Verbraucher sollten sich fragen, was sie brauchen und was nicht.“ Paradefall für sie ist der Schlüsselverlust: Bei vielen besseren Tarifen sei dieser mitversichert, bei einfachen eher nicht.

Wer als Mieter in einem Wohnturm mit einer Schließanlage wohnt, für den kann die Absicherung gegen Schlüsselverlust sinnvoll sein. Denn der Austausch einer solchen Schließanlage kann schnell teuer werden. In einem Wohnhaus mit wenigen Parteien brauchen Mieter diese Absicherung oft nicht. Manchmal ist auch der Schlüsselverlust am Arbeitsplatz versichert. Doch heute gibt es häufig Codekarten, die im Verlustfall einfach gesperrt werden. Dann sei eine Absicherung überflüssig, meint Mayer.

„Lange waren Schäden an geliehenen Sachen nur bei besonders hochwertigen Tarifen versicherbar. Das Bild hat sich grundlegend geändert“, sagt aber Verivox-Geschäftsführer Wolfgang Schütz. Laut einer Analyse des Vergleichsportals sind bei mittlerweile 77 Prozent der Policen Schäden an gemieteten, geliehenen und geleasten Sachen inbegriffen. Die meisten Tarife machen demnach aber Einschränkungen bei der Höchstsumme, häufig liegt diese nur bei bis zu 10.000 Euro.

Nicht jede Haftpflichtversicherung springt zudem bei Gefälligkeitsschäden ein. Wer jedoch häufiger Freunden beim Umzug hilft oder bei Nachbarn die Blumen gießt, sollte bei seiner Police prüfen, ob dann entstandene Schäden abgedeckt sind. Außer: Wenn mit den Bekannten konkret abgesprochen wird, dass man für Schäden bei den Freundschaftsdiensten nicht haften will, muss man hierfür im Schadensfall nicht zahlen. Dann muss auch die Versicherung nicht einspringen.

Familien sollten prüfen, wie die Versicherung Schäden ihrer Kinder behandelt. Grundsätzlich müssen Eltern zwar nicht für Schäden eines deliktunfähigen Kindes aufkommen, sofern sie ihre Aufsichtspflicht nicht verletzt haben. Prinzipiell können Eltern also nicht belangt werden, wenn ein Kind unter sieben Jahren einen Schaden verursacht. Im Straßenverkehr liegt die Altersgrenze sogar bei zehn Jahren.

Um den Streit mit dem Nachbarn zu vermeiden, wenn das Kind dessen Auto zerkratzt hat, zahlen viele Eltern trotzdem – und sind froh, wenn ihre Haftpflichtversicherung das übernimmt, was in vielen Familientarifen auch der Fall ist. Der BdV rät, dass Schäden von deliktunfähigen Kindern wenigstens mit 20.000 Euro abgedeckt sind.

Wer zudem fremde Kinder hütet, etwa als Tageseltern oder Babysitter, sollte sich gegen Schäden absichern, die dabei entstehen können. „Selbst wenn die Privathaftpflicht dies abdeckt, finden sich in vielen Versicherungsverträgen Einschränkungen – etwa, wie viele Kinder maximal betreut werden dürfen oder dass die Betreuung in den eigenen vier Wänden erfolgen muss“, erklärt Mayer.

Hilfreich klingt auch der Passus der Forderungsausfalldeckung: Diese besagt, dass die eigene Versicherung zahlt, wenn der Schadensverursacher nicht versichert ist und nicht selbst für den Schaden aufkommen kann. Doch hier gibt es ebenfalls Tücken: „Auch wenn die halbe Versicherungsbranche die Ausfalldeckung in den Verträgen anbietet, hilft es im Einzelfall oft nicht“, sagt Mayer.

Damit die Versicherung zahlt, müsse ein Versicherter den Schädiger erst erfolglos auf Schadensersatz verklagen, zudem muss ein Pfändungsversuch scheitern. Diese Kosten müssen sie vorstrecken. Vor allem bei Personenschäden mit hohem Streitwert könne das Verfahren so teuer werden, dass sich das kaum einer leisten kann. „Nur bei sehr wenigen Tarifen ist ein aktiver Rechtsschutz mitversichert, der diese Verfahrenskosten in jedem Fall übernimmt“, meint die Expertin.

Eine sogenannte Best-Leistungs-Garantie kann ebenfalls sinnvoll sein: Können Verbraucher nachweisen, dass eine andere Versicherung in einem bestimmten Fall zahlt, gelten die Leistungen des anderen Versicherers auch für den eigenen Vertrag. Allerdings gibt es eine Reihe von Einschränkungen.

Wichtig zu wissen: Grundsätzlich zahlt die Privathaftpflicht nicht bei Eigenschäden. Ansprüche zwischen Familienangehörigen und Personen, die über den gleichen Vertrag versichert sind, sind also ausgeschlossen. Auch bei vorsätzlich herbeigeführten Schäden springt die Versicherung nicht ein.

In manchen Fällen ist auch eine separate Versicherung notwendig: Fürs Auto ist die Spezialversicherung sogar Pflicht. Auch für Schäden, die der eigene Hund verursacht, ist je nach Bundesland eine Tierhalterhaftpflichtversicherung vorgeschrieben.

Viel Schutz für wenig Geld

Gute Privathaftpflichtversicherungen müssen unterdessen nicht teuer sein. „Umfassender Schutz für die ganze Familie ist schon für 50 Euro pro Jahr zu haben“, heißt es bei „Finanztest“. Bei der Auswahl des geeigneten Tarifs können neben den Testern auch die Verbraucherzentralen oder unabhängige Versicherungsberater helfen.

Zur Erstinformation eignen sich auch Online-Vergleichsportale wie Check 24 und Verivox – hier müssen Verbraucher jedoch beachten, dass diese nur Preise von Anbietern vergleichen, von denen sie Provisionen nehmen. „Finanztest“ empfiehlt zudem, spätestens nach fünf Jahren die Police zu wechseln. Der Grund: Privathaftpflichtversicherungen seien im Lauf der Jahre immer besser geworden.

Bei älteren Verträgen sei oft die Versicherungssumme zu gering. Auch Mayer von der Verbraucherzentrale Hessen findet Gründe für einen Wechsel: „In älteren Verträgen sind beispielsweise Schäden, die beim Fliegen einer Drohne entstehen, nicht abgesichert. In neueren Policen finden Versicherte dies meist unter dem Punkt ‚Modellflugzeuge‘ – die Leistungen bei einem Schaden unterscheiden sich aber meist deutlich.“

Hier kommt es darauf an: Wenn die Drohne besonders schwer ist oder viel kann, ist gegebenenfalls eine Spezialversicherung nötig. Schäden durch elektronische Daten ist ebenfalls ein Punkt, der nur in neueren Policen zu finden ist. Versicherte sind dann abgesichert, wenn sie beispielsweise eine E-Mail mit Virus versenden und dem Empfänger dadurch ein wirtschaftlicher Schaden entsteht.

„Verbraucher sollten hier aufpassen, dass nicht im Vertrag steht, dass die Internetzugänge immer auf dem aktuellsten Stand der Technik zu halten sind. Ein Privatmensch kann dies nur selten gewährleisten“, betont Mayer. Die Versicherung sollte also wie bei anderen Schäden immer dann einspringen, wenn diese nicht vorsätzlich herbeigeführt wurden.

Auch bei einer Schadensmeldung an den Versicherer gibt es für Verbraucher einiges zu bedenken: Bei kaum einer Versicherungsart wird so viel ‧getrickst wie bei der Haftpflicht. Ein Beispiel: Fällt einem‧ das Smartphone aus der Hand und das Display‧ bricht, wird das schnell mal dem guten Freund in die Schuhe geschoben, der es seiner Versicherung meldet – das ist Versicherungsbetrug.

Laut Branchenverband GDV weisen etwa zehn Prozent der Schadensmeldungen Ungereimtheiten auf, bei der Haftpflicht sind es sogar knapp 16 Prozent. Nicht nur deshalb laufen Kunden, die viele Kleinschäden melden, Gefahr, dass der Versicherer ihnen kündigt. Dann kann es unter Umständen schwer werden, eine‧ neue Versicherung zu finden.

Versicherungsexpertin Mayer rät Verbrauchern daher „einen Blick ins Kleingeldportemonnaie“: Solange sie die Schäden daraus bezahlen können, sollten sie sich überlegen, ob sie einen Schaden überhaupt melden. Denn letztendlich wird die Versicherung gebraucht, wenn die finanziellen Folgen beträchtlich sind.

Mai 2019 | €uropa | Kommentieren