Tödliche Allmacht: Sind Selbstmordattentäter Fanatiker, verblendet von der Verheißung, ins Paradies zu kommen und dort von mandeläugigen Jungfrauen
(Bild: „Mißbrauch“) erwartet zu werden? Barbie, die Plasticpuppe blondgelockter Weiblichkeit, trägt in der Installation des Londoner Künstlers Simon Tyszko einen Sprengstoffgürtel. Das «Cinnamon Girl» im neusten Video von Prince sprengt sich in einem Flughafen in die Luft.

Ein 42-Jähriger, den sein Hundesportverein und seine Freundin hinausgeworfen haben, lädt im Oktober 2017 seine zwei Hunde, Gaskartuschen und eine Propangasflasche in einen gemieteten Opel und rast ins Lokal des Hundesportvereins; er überlebt schwer verletzt.

Auf den Ameisenpfaden der Kunst

und der privaten Verzweiflung erreicht uns das unheimlichste Phänomen der letzten Jahre: der Selbstmordanschlag. Menschen, die töten und dabei selbst sterben wollen, die weder Amokläufer noch depressiv, noch wahnsinnig sind. Sondern ganz normal. Das Grauen kann einem überall begegnen: In Tunesien sprengte sich 2002 ein Attentäter vor einer Synagoge. Im Irak haben Selbstmordattacken in den letzten 15 Monaten über 1000 Opfer ge-fordert. In Israel, Tschetschenien, Pakistan, Marokko, Saudiara-bien, Indonesien sprengen sich Menschen im Krieg um ihr Land in die Luft. Andere reisen um die halbe Welt, wie die Attentäter des 11. September 2001, um fernab der Heimat Tausende unbeteiligter Zivilisten mit ins Inferno zu reißen. In Europa sind sie längst auch angekommen.

Das selbstzerstörerische Attentat ist derart gängig geworden, dass in den Tagesnachrichten oft gar nicht mehr gemeldet wird, ob allein ein Sprengsatz hochgegangen ist oder auch der Attentäter.

Die Geschichte dieser Gewalt

Der Wille eines Menschen, sich zu opfern, um andere mit in den Tod zu reissen, ist erschütternd und aufrüttelnd. Die Assassinensekte vor 1000 und die Kamikazepiloten vor 60 Jahren haben sich trotz ihrer militärischen Machtlosigkeit ins kulturelle Gedächtnis der Völker eingebrannt. Der biblische Samson, der die Säulen des Philisterpalasts auseinanderschiebt und seine feiernden Feinde mit sich begräbt, war ein Mythos – aber er drückte den frühen Wunsch aus nach einem letzten Moment tödlicher Allmacht im Tausch fürs Leben. Im 19. Jahrhundert erfand Alfred Nobel das Dynamit. Mit Dynamit verübten Russlands antizaristische Terroristen ihre Anschläge gegen Zar Alexander III. und andere. Sprengstoffe waren die Waffe für Terrorgruppen aller Couleurs. Das Auto wurde erfunden, schließlich das Flugzeug, und mit ihm ergab sich die Mög-lichkeit, allein kraft Opferbereitschaft, fliegerischen Könnens und einiger Teppichmesser vier Passagiermaschinen in Mordmaschinen gegen 3000 Menschen zu verwandeln.

„Ziele – des Opfers würdig …“

Doch was bringt einen Menschen dazu, eine auf den ersten Blick vollkommen widersinnige Tat zu begehen? Eine Tat, von der er nichts hat? Sind die Täter, bis auf wenige Ausnahmen allesamt Muslime, einfach Verrückte, verblendet von den Paradiesverheißungen für Dumme?
«Das tiefste Glück des Menschen besteht darin, daß er geopfert wird», hat einer der literarischen Apologeten des Märtyrertums geschrieben, «und die höchste Befehlskunst darin, Ziele zu zeigen, die des Opfers würdig sind.» Wer sich für die Sache der Reinheit opfere, sei «nach dem Tod lebendiger denn je», weil er «als Gestalt der Ewigkeit angehört». Die Botschaft könnte von Usama bin Ladin sein, hingegen stammt sie von Ernst Jünger, dem von Helmut Kohl und François Mitterrand hochgeschätzten, 1998 verstorbenen Schriftsteller. Jünger, 1895 geboren, war neben vielen Freiwilligen begeistert in den Ersten Weltkrieg gezogen.In seinen Aufzeichnungen („Stahlgewitter“) pries er die jungen Freiwilligen, die sich in der Schlacht in die Maschinengewehrsalven ihrer Gegner stürzten. Was heute wie ein Irrsinn klingen mag, ist historisch betrachtet die periodisch wiederkehrende Vorstellung vom Triumph des Willens nicht bloß über den Feind, sondern auch über sich selbst.

Im Namen Gottes?

Dennoch verschwand mit den letzten Kamikazepiloten, die nicht allzu freiwillig und schon gar nicht aus eigenem Antrieb ihre Flugzeuge in US-Schiffe steuerten, diese Form des mörderischen Opfertods für Jahrzehnte – fast – völlig. Erst Anfang der 80er Jahre tauchte er wieder auf, als Zehntausende iranischer Jugendlicher im Krieg gegen den Irak mit Schlüsseln fürs Paradies um den Hals in die gegnerischen Maschinengewehrstellungen liefen, im Namen Gottes, im Namen Khomeinys. Als ob der charismatische iranische Revolutionsführer ein lange stillliegendes Instrument wieder zum Klingen gebracht hätte, mobilisierte er die fundamentalen Opfermythen des schiitischen Islam: jener rebellischen Spielart des Glaubens, die 1300 Jahre zuvor entstanden war als Revolte gegen die sunnitischen Kalifen.
1980 griff Saddam Hussein Iran an – wieder ein sunnitischer Herrscher -, und Khomeiny gelang es, die Idee des Selbstopfers wiederzuerwecken als Waffe im Krieg.

Glaubensschulen & Machtspiele

Im Rückblick scheint es widersinnig, daß diese Idee, die Abertausende das Leben kostete, ohne damit auch nur den geringste „Kriegsgewinn“ erzielt zu haben, zum erfolgreichen Exportprodukt werden konnte: Iranische Revolutionsgardisten brachten sie nach Libanon und halfen den libanesischen Schiiten beim Aufbau der Hizbullah, der «Partei Gottes».
Hatten die Iraner die Selbstopferung wieder etabliert, so hat die Hizbullah sie als Anschlag perfektioniert: Geschult im winzigen Vielvölkerstaat, im härtesten Wettbewerb der Ideologien, Glaubensschulen und Machtspiele, schufen die libanesischen Schiiten mit der «Partei Gottes» erst einen perfekten Markenartikel – und dann die «Märtyreroperation». Seit den ersten fünf Suizidattacken der Hizbullah 1982/83 auf das US-Marinekorps in Libanon wissen die Guerrilla- und Terrortruppen dieser Welt: Es genügen fünf Menschen, die bereit sind, sich zu opfern, fünf Lieferwagen, fünf Tonnen Sprengstoff, eine umsichtige Vorbereitung – und eine kleine Bewegung kann selbst einer Supermacht die Stirn bieten. Zynisch und nüchtern gesehen handelte es sich, in der Sprache des Marketings, das die Hizbullah so virtuos beherrscht, um eine erfolgreiche Markeneinführung.

Mythen und Heldenpop

Doch nicht allein die Tat zählte. Entscheidend war, dass sie eingebettet wurde in ein Geflecht aus uralten Mythen, Heldenpop und Sammelbildchen, Filmmusik, Videoclips. Von Libanon aus verbreitete sich das Selbstmordattentat in die Welt. Konfessionelle und ethnische Grenzen wurden übersprungen. 1987 ereignete sich der erste Anschlag dieser Art in Sri Lanka, 1993 in Israel, später in der Türkei und in Tschetschenien. Aber immer noch blieb diese Form des Attentats der allerletzte Ausweg erbitterte Krieger gegen einheimische Herrscher oder ausländische Besatzer. Zitate alter Mythen belegen den Weg: So feiern etwa sunnitische Palästinenser den Tod eines Selbstmordbombers wie seine Hochzeit – ein schiitischer Brauch, der vorher unter Palästinensern völlig unbekannt war.

Al-Kaida

Mitte der 90er Jahre schließlich trat al-Kaida auf den Plan und schaffte opferwillige Täter. Von beliebiger muslimischer Herkunft galt es, Menschen zu finden, die bereit zum Mordanschlag an beliebigen Opfern waren. Beliebiger Terror, so scheint es, der erklärbarer wird, wenn man die Genese der Gruppierung betrachtet. Al-Kaida war ein Kunstprodukt: eine mit amerikanischer, pakistanischer, saudischer Hilfe in Afghanistan organisierte sunnitische Internationale der Mujahedin, die seinerzeit noch als «Freiheitskämpfer» gegen die sowjetischen Besatzer gepriesen wurden. Die Mujahedin wurden nach dem Abzug der Sowjets arbeitslos und überflüssig und suchten sich eine neue Mission: nach dem Kampf gegen die Ungläubigen im Osten nun den gegen jene im Westen.

Wer aber sind die Täter?

Vor allem nach dem 11. September 2001 haben Journalisten, Politiker, Psychologen und Stammtische Bilder von Dämonen entworfen: Selbstmordattentäter, hieß es, seien Fanatiker, Verrückte. Sie würden daran glauben, himmelwärts ins Paradies zu fahren, denn dort warteten in ihrer Vorstellung ja bereits auf jeden mandeläugige und wohlgeformte Jungfrauen. Doch selbst wenn diese Erklärung zuträfe: Warum tauchen diese Verrückten gerade jetzt auf? Terroristen gab es bereits in den 60er und 70er Jahren, doch die wollten überleben. Warum haben Hamas und Hizbullah Selbstmordbomber eingesetzt, aber die IRA in Irland nicht, ebenso wenig die PLO oder die muslimischen Kämpfer in Bosnien und im Kosovo? Und wenn muslimische Attentäter sich in die Luft sprengen, um der Paradiesjungfrauen teilhaftig zu werden, warum tun es dann auch Frauen, Säkulare und Sexualphobiker?

Logik der Macht gilt nichts …

Die wenigen Experten, die sich eingehender mit den Tätern beschäftigt haben, vor allem israelische und palästinensische Psychologen, haben eine andere Erklärung: Der Selbstmordattentäter erlebt die ultimative Verwandlung von Ohnmacht, ob am eigenen Leib erfahren oder eingebildet, in einen letzten Moment der Allmacht. Uns raubt das Selbstmordattentat den Boden unter den Füssen. Denn nichts ist auszurichten gegen Täter, die nicht nur entschlossen sind zu töten, sondern selbst dabei sterben wollen. Alle Logik der Macht setzen sie außer Kraft, denn wer nicht überleben will, ist mit nichts zu bedrohen. Auf der stillen Übereinkunft, dass ein Täter leben will, ruht unsere Vorstellung von Sicherheit, unsere zivilisatorische Ordnung insgesamt. Nehmen wir, im Kleinen, die Sicherheitsüberprüfung am Flughafen: Bisher genügte es sicherzustellen, dass kein Gepäckstück an Bord gelangte, das nicht einem Passagier gehörte, denn niemand würde – durfte bislang gedacht werden – sich schließlich selbst in die Luft sprengen. Gegen Selbstmordattentäter sind solche Kontrollen wirkungslos. Auch die Reaktorhüllen von Atomkraftwerken würden zwar dem Absturz eines Kleinflugzeugs standhalten, kaum aber dem eines vollgetankten Passagierjets. Das hat bis vor kurzem kein Katastrophenszenario einkalkuliert.

Fürchtet Euch !

Märtyrer sind überdies von unschätzbarem Propagandawert. Denn sie zeigen den Ihren: Folgt unserem Beispiel. Die Sache ist wichtiger als unser Leben und also auch als euer Leben. Und sie zeigen den anderen: Fürchtet euch! Denn wir fürchten die Unterwerfung mehr als den Tod, und also fürchten wir euch nicht. So wichtig wie das Töten ist das Sterben dabei. Was jener 28-jährige Palästinenser zeigte, der am 12. August 2001 das «Wallstreet Café» in einem Vorort von Haifa betrat. Er trug genügend Sprengstoff um den Bauch, um ein Blutbad anzurichten, als er zur Kellnerin an den Tresen trat. Aber dann zog er sein T-Shirt hoch und fragte, ob sie wisse, was das sei. Und wartete, als alle schreiend ins Freie stürzten. Dann sprengte er sich in der Einsamkeit des leeren Cafés zu einem zerfetzten Torso, der Kopf kam auf einen Tisch zu liegen. Was aussah wie sein Scheitern, war ein auf die Spitze getriebener Hintersinn. Seht her, lautete die Botschaft, ihr habt Angst. Furchtbare Angst. Aber dann zog er sein T-Shirt hoch und fragte, ob sie wisse, was das sei. Und wartete, als alle schreiend ins Freie stürzten. Dann sprengte er sich in der Einsamkeit des leeren Cafés zu einem zerfetzten Torso, der Kopf kam auf einen Tisch zu liegen.

Epochen der Aussichtslosigkeit

Was wir in den vergangenen Jahren erlebt haben, ist die Auferstehung der vergessenen historischen Figur des Märtyrers. Eine Figur aus den Epochen der Aussichtslosigkeit, als es nicht zwei polare Supermächte gab, wo man mit einer im Rücken der jeweils anderen Paroli bieten konnte, sondern als man antrat gegen allmächtige Gegner. Die frühen Jahrhunderte des Christentums wimmelten von Märtyrern, ebenso der frühe Islam. Noch heute heißen die wichtigsten Plätze etwa in Beirut oder Damaskus «Platz der Märtyrer». Mit der Asymmetrie unserer Welt, die nur noch Supermächte kennt, ist die vollkommene Unterlegenheit zurückgekehrt. In einer Zeit, in der Kriege für den zum Selbstmordkommando werden, dessen Gegner mit den USA verbündet ist, erhält der alte Mythos vom Märtyrer wieder Bedeutung. Nur verfügt er heute über Mittel und Methoden, die es früher nicht gab. Aus dem Märtyrer ist der «Sich-selbst-Märtyrernde» geworden, für den es im Arabischen sogar ein Wort gibt: Istischhadi Der islamische Glaube ist nicht der Grund, sondern die nachträglich konstruierte Legitimation für die Tat. Er spendet Trost, hebt den Tod auf in der Vorstellung vom Paradies. Doch um ihre Taten zu rechtfertigen, müssen die muslimischen Märtyrer erst einmal ihre eigene Religion auf den Kopf stellen: Denn der Islam verbietet den Selbstmord ebenso wie das Christentum, und es bedurfte erheblicher theologischer Dehnungsanstrengungen, die Attentate zu legitimieren. So wird etwa argumentiert, dass der Selbstmordattentäter ja eigentlich gar nicht sterben wolle und auch letztlich gar nicht sterbe, sondern im Paradies fortlebe. Traditionell ist daran höchstens, dass der Islam mit seinen widersprüchlichen Überlieferungen seit je als Steinbruch wechselnder Ideologien gedient hat. Noch immer glauben die meisten westlichen Journalisten, Politiker oder Militärs den Slogans der Attentäter von Gottes Wohlgefallen an ihren Taten, oder sie glauben an ihre selbstgestrickten Mythen, die wenig mit Analyse zu tun haben: Zuerst in Israel kam die Mär auf, die Selbstmordbomber sprengten sich in die Luft, weil sie die im Koran versprochenen Jungfrauen kriegen wollten.

Keine Belege im Koran

Im Koran sind dafür jedoch keine Belege zu finden, und auch in den Profilen und Testamenten der palästinensischen Attentäter gibt es weder stichhaltige Beweise noch Koranbelege dafür. Ginge es nur um sexbesessene Verlierer, so wären die Anschläge ein Problem für israelische Sicherheitskräfte und palästinensische Psychiater. Würde die israelische Öffentlichkeit die Anschläge als letztes Mittel des palästinensischen Kampfes für einen souveränen eigenen Staat begreifen, müßte der Schluss das Eingeständnis sein, dass es in diesem Konflikt keinen Sieger gibt. Wer sich der Logik der Macht versagt, wird auch durch ihre Exzesse nicht zu bremsen sein. In Israel haben schon vor Jahren radikale Siedler in Gaza erwogen, die Leichenreste der Attentäter in Schweineblut zu tränken und in Schweinehäute einzunähen in der Annahme, dies am Ende das Eingeständnis sein, dass es in diesem Konflikt keinen Sieger gibt. Wer sich der Logik der Macht versagt, wird auch durch ihre Exzesse nicht zu bremsen sein. In Israel haben schon vor Jahren radikale Siedler in Gaza erwogen, die Leichenreste der Attentäter in Schweineblut zu tränken und in Schweinehäute einzunähen in der Annahme, dies werde die rein religiös motivierten Täter abhalten. Tat es nicht, weil der Glaube per se eben nicht der Grund ihrer Taten ist.
Genauso wenig hat es funktioniert, dem Terror allgemein den Krieg zu erklären und dann in Afghanistan und im Irak einzumarschieren. Damit haben Washingtons Strategen ihren islamistischen Gegenspielern letztlich genau jene Konstellation «Westen versus Islam» geliefert, die bin Ladin & Co. benötigen, um ihren globalen Jihad zu rechtfertigen. Da der Terror überdies keine Adresse hat, wurde unter falschen Anschuldigungen Saddams Regime gestürzt – was die Welt um einen grausamen Diktator erleichtert, aber um einen rechtsfreien Raum bereicherte. Und den besiedeln nun die lose verbundenen Sektennomaden, die mit al-Kaida so viel zu tun haben wie eine McDonaldʻs-Filiale mit der Kon-zernzentrale: Sie übernehmen das ideologische Korsett, operieren aber auf eigene Rechnung. Wie ein mutierendes Virus hat die Bereitschaft, das eigene Leben als Waffe einzusetzen, sich gelöst von ihren Ursprüngen. Im Irak sprengen sich heute Attentäter aus dem Sudan, aus Syrien und Saudiarabien vor dörflichen Polizeistationen in die Luft, verwandeln schläfrige Strassenkreuzungen mit ein paar Passanten in ein Inferno. Alles, was vor Jahren noch unabdingbar war – der Bezug der Attentäter zum Ziel, das Angedenken an den Täter in Form von Videos, Plakaten, Bekennerschreiben -, scheint überflüssig geworden zu sein. Die Explosion des eigenen Körpers ist das Ziel, das Töten ein beliebiger Akt, und nichts wird an die Namenlosen erinnern, die um die halbe Welt reisen, um sich und andere in Fetzen zu jagen. Diese Anschläge haben selbst jene Rationalität verloren, welche die Attentate in Libanon, Sri Lanka und Israel auszeichneten. Was einerseits dafür spricht, dass sie an Anziehungskraft verlieren werden, da nihilistische Utopien von der Reinigung der Welt nicht genug Legitimation bieten.
Andererseits haben sich die Kampfzonen im Irak, in Tschetschenien, mit Abstrichen in Israel in Verbindung mit der globalen Hochkonjunktur der Jihadisten und dem missionarischen Habitus der US-Regierungen zu Schauplätzen eines Glaubenskriegs gefestigt.
Im Namen selbst angesehener sunnitischer Grosskleriker wie des neuen Spiritus rector der Muslimbrüderschaft, Scheich Yussuf al-Qaradawi, werden die Muslime der Welt angtesichts der Zerstörung Fallujas zum allgemeinen Jihad gegen das US-Militär aufgerufen.
Im Gegenzug sagte der US-Bataillonskommandeur Gary Brandl vor dem Angriff auf Falluja, hier werde der Satan selbst bekämpft. Zwei Ansichten des Wahns stehen einander gegenüber, und während das christliche Pendant des Jihad mit der überwältigenden Militärmacht der USA ausgefochten wird, dürfte die Gegenseite daraus genügend Antriebsenergie beziehen, weiterhin reichlich Freiwillige zu finden. Freiwillige, die sich, egal wo, egal gegen wen, mit dem Fanal der eigenen Explosion äussern.

Apr. 2019 | Allgemein, Essay, Junge Rundschau, Kirche & Bodenpersonal, Politik, Zeitgeschehen | Kommentieren