Die Verse „Vom Eise befreit sind Strom und Bäche, / Durch des Frühlings holden, belebenden Blick“, Faust in der Szene „Vor dem Tor“ in den Mund gelegt, wurden zum beliebten Ostergedicht des deutschen Bildungsbürgers. Wir stellen dem Text der Szene eine Auswahl von Illustrationen zur Seite, sowohl aus der Hochkultur, wie aber auch aus der Popularkultur, die zum Vergleich der Bildformulierungen einlädt.
Goethes Faust. Der Tragödie erster Teil mit Zeichnungen von Peter Cornelius. Eingeleitet von Alfred Kuhn. Verlegt bei Dietrich Reimer / Ernst Vohsen / A. G. Berlin 1920. – Bildlinks: Blatt 3, Faust und Wagner unter den Spaziergängern vor dem Tore, sind dem von Julius Thaeter (1804-1870) ausgeführten Kupferstich nachgebildet. (S. VI).

In: Josef von Führich: Lebens-Erinnerungen.
Mit fünfzig Zeichnungen und einem Bildnis des Künstlers
(Cajetan Oßwald: Josef Ritter von Führich, I. Bändchen).
Höchst-Bregenz: Heinrich Schneider See-Verlag [1926], nach S. 40.

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Illustrationen von Franz Simm

Goethes Faust. Mit Bildern von F[ranz] Simm. Stuttgart, Leipzig: Deutsche Verlags-Anstalt o.J. Illustrationen S. 21, 23 und 25. Alle im Stock monogrammiert: FS. Erste und dritte Illustration: Knesing X[ylographische] A[nstalt], zweite Illustration: E. Helm X[ylographische] A[nstalt].

Die gleichen Illustrationen in folgender Ausgabe: Goethe’s Faust. Illustrirt von ersten deutschen Künstlern. Reprint der Originalausgabe von ca. 1900. Reprint-Verlag-Leipzig o.J.

Eine vergleichbare dreigliedrige Illustration der Szene bei Franz Stassen (1869-1949): Faust. Eine Tragödie von Goethe mit 163 Federzeichnungen von Franz Stassen. Berlin: Ludwig Schroeter [1920], mit weiteren Ausgaben. Hier S. 40, 45 und 49.

Simm, Franz Xaver, Maler u. Illustrator, geboren 24. 6. 1853 in Wien, gestorben 21. 2. 1918 in München. Schüler der Wiener Akademie unter Anselm Feuerbach und Eduard von Engerth; beeinflusst von Hans Makart, Joseph von Führich und Albert Zimmermann. 1876 Rompreis; 1876/81 in Rom; 1881 nach Tiflis berufen, um im Treppenhaus des dortigen Kaukasischen Museums Wandbilder auszuführen. Nach seiner Rückkehr dauernd in München, erst jahrelang als Illustrator (für Hallbergers illustrierte Goetheausgabe, Fliegende Blätter), dann als Maler kleiner Genrebilder mit Staffage im Empire-Kostüm. Größere Aufträge für Leipzig (Dioramabilder), 7 Deckenmedaillons im Kunsthistorischen Museums in Wien. Altarbild: Segnender Christus, für die protestantische Kirche in Wunsiedel. (Thieme-Becker)

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FAUST.
EINE TRAGÖDIE
VOR DEM TOR

Spaziergänger aller Art ziehen hinaus.

SCHÜLER
Blitz, wie die wackern Dirnen schreiten!
Herr Bruder, komm! wir müssen sie begleiten.
Ein starkes Bier, ein beizender Toback,
Und eine Magd im Putz, das ist nun mein Geschmack.

BÜRGERMÄDCHEN
Da sieh mir nur die schönen Knaben!
Es ist wahrhaftig eine Schmach:
Gesellschaft könnten sie die allerbeste haben,
Und laufen diesen Mägden nach!

ZWEITER SCHÜLER (zum ersten)
Nicht so geschwind! dort hinten kommen zwei,
Sie sind gar niedlich angezogen,
’s ist meine Nachbarin dabei;
Ich bin dem Mädchen sehr gewogen.
Sie gehen ihren stillen Schritt
Und nehmen uns doch auch am Ende mit.

ERSTER
Herr Bruder, nein! Ich bin nicht gern geniert.
Geschwind! dass wir das Wildbret nicht verlieren.
Die Hand, die samstags ihren Besen führt,
Wird sonntags dich am besten karessieren.

BÜRGER
Nein, er gefällt mir nicht, der neue Burgemeister!
Nun, da er’s ist, wird er nur täglich dreister.
Und für die Stadt was tut denn er?
Wird es nicht alle Tage schlimmer?
Gehorchen soll man mehr als immer,
Und zahlen mehr als je vorher.

Faust und Wagner

FAUST
Vom Eise befreit sind Strom und Bäche,
Durch des Frühlings holden, belebenden Blick;
Im Tale grünet Hoffnungsglück;
Der alte Winter, in seiner Schwäche,
Zog sich in rauhe Berge zurück.
Von dorther sendet er, fliehend, nur
Ohnmächtige Schauer körnigen Eises
In Streifen über die grünende Flur;
Aber die Sonne duldet kein Weißes,
Überall regt sich Bildung und Streben,
Alles will sie mit Farben beleben;
Doch an Blumen fehlt’s im Revier,
Sie nimmt geputzte Menschen dafür.
Kehre dich um, von diesen Höhen
Nach der Stadt zurück zu sehen.
Aus dem hohlen finstren Tor
Dringt ein buntes Gewimmel hervor.
Jeder sonnt sich heute so gern.
Sie feiern die Auferstehung des Herrn,
Denn sie sind selber auferstanden,
Aus niedriger Häuser dumpfen Gemächern,
Aus Handwerks- und Gewerbes-Banden,
Aus dem Druck von Giebeln und Dächern,
Aus der Straßen quetschender Enge,
Aus der Kirchen ehrwürdiger Nacht
Sind sie alle ans Licht gebracht.
Sieh nur, sieh! wie behend sich die Menge
Durch die Gärten und Felder zerschlägt,
Wie der Fluss, in Breit‘ und Länge,
So manchen lustigen Nachen bewegt,
Und, bis zum Sinken überladen,
Entfernt sich dieser letzte Kahn.
Selbst von des Berges fernen Pfaden
Blinken uns farbige Kleider an.
Ich höre schon des Dorfs Getümmel,
Hier ist des Volkes wahrer Himmel,
Zufrieden jauchzet groß und klein:
Hier bin ich Mensch, hier darf ich’s sein!

WAGNER
Mit euch, Herr Doktor, zu spazieren
Ist ehrenvoll und ist Gewinn;
Doch würd‘ ich nicht allein mich her verlieren,
Weil ich ein Feind von allem Rohen bin.
Das Fiedeln, Schreien, Kegelschieben,
Ist mir ein gar verhasster Klang;
Sie toben wie vom bösen Geist getrieben
Und nennen’s Freude, nennen’s Gesang.

[…]

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Oben: Der Ostertag. A. v. Kreling fec. Fr. Bruckmann’s phot. Anst. Goethe-Gallerie. II. Abtheilung. Blatt 23. Grösse 6. Fr. Bruckmann’s Verlag in München
Unten: Kreling. Vor dem Tore. Faust II. Signet: AM [Ackermann, München] 1962. Verso: F. A. Ackermanns Kunstverlag. G.m.b.H., München.

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Oben: Osterspaziergang (Goethes Faust). Verso: No. 5003. Verlag Hermann A. Wiechmann, München.

Mitte: Vom Eise befreit sind Strom u. Bäche – Durch des Frühlings holden, belebenden Blick – Im Tale grünet Hoffnungsglück (Göthe). Im Bild signiert: Paul Hey. Verso: Frühling. 4 Künstlerpostkarten von Paul Hey. Nr. 2. Kunstverlag Hans Friedrich Abshagen, Dresden. Nr. 186. Signet: A, eingeschrieben H F; auf Schild. Datiert 1917.

Vgl. Carolin Raffelsbauer: Paul Hey – der Maler heiler Welten. Eine kultur- und literaturgeschichtliche Untersuchung zur illustrativen Gebrauchskunst in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. München: Herbert Utz 2007 (Kulturgeschichtliche Forschungen; 30). ISBN 978-3-8316-0675-7

Unten: A[lois] Broch. Osterspaziergang. Faust I. Teil. Aus dem hohlen, finstern Tor dringt ein buntes Gewimmel hervor. / Jeder sonnt sich heute so gern. Sie feiern die Auferstehung des Herrn. Verso: Signet. „Bunte Reihe“ Nr. 57.

H[ans] Stubenrauch: Osterspaziergang. A 6546. Verso: F. A. Ackermanns Kunstverlag. G.m.b.H., München. Reihe 682 – H. Stubenrauch: Goethes Faust (6 Karten).

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Oben: P. Konewka: Der Osterspaziergang. III. Signet AM [Ackermann, München] 1695. Verso: Signet AM. F. A. Ackermann’s Kunstverlag, München. Serie 140 (12 Karten). P. Konewka: Silhouetten. IV. Datiert und Poststempel 1913.
Mitte: P. Konewka: Der Osterspaziergang. I. Signet AM [Ackermann, München] 1693. Verso: Signet AM. F. A. Ackermann’s Kunstverlag, München. Serie 140 (12 Karten). P. Konewka: Silhouetten. IV.
Unten: P. Konewka: Der Osterspaziergang. II. Signet AM [Ackermann, München] 1694. Verso: Signet AM. F. A. Ackermann’s Kunstverlag, München. Serie 140 (12 Karten). P. Konewka: Silhouetten. IV.

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Links: Spaziergang am Ostersonntag. Holzstich nach dem Gemälde von J. Wichmann. Aus der Gartenlaube 1885. In: Goethe Faust mit einer Einleitung von Max von Boehn. BERLIN IM ASKANISCHEN VERLAG CARL ALBERT KINDLE 1924, S. 143.
Rechts: Ostergruß. Verso: Bund der Deutschen in Böhmen. Prag II., Krakauergasse 11. Bundeskarte Nr. 46. Hans Kaufmann. Links: Raum für die Bundesmarke. Gelaufen. Poststempel: 1910 (?).

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Victor Müller [1830-1871] pinxit. Rad[ierung] V. Klaus. Faust und Wagner’s Abendspaziergang. Eigenthum des Herrn Heinrich von Angeli. Druck v. F. Kargl, Wien. Blindstempel: Gesellschaft für vervielfält. Kunst Wien. Höhe 14; Breite 24,9 cm.

An dem heute verschollenen Gemälde aus dem Jahr 1868 hebt die zeitgenössische Kritik (Martin Greif, Deutsche Zeitung, 26. Januar 1872) das „Prinzip“ hervor, „die Natur und den Menschen als coordinirt zu betrachten und jene daher nicht zur bloßen Staffage herabzudrücken“. Evelyn Lehmann: Victor Müller (1830-1871). Phil. Diss. Frankfurt am Main 1972. Text S. 270-272.

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Faust I. Teil. Prof. Molitor. Ostermorgen. „Da sieh mir nur die schönen Knaben! / Es ist wahrhaftig eine Schmach; / Gesellschaft könnten sie die allerbeste haben, / Und laufen diesen Mägden nach.“ Verso: Leipzig, Auerbachs Keller. Mädlerpassage. Signet. Bild und Heimat – Reichenbach

Dazu siehe: Mathieu Molitor. Bildhauer | Maler | Grafiker. Hrsg. vom Kreismuseum Bitburg-Prüm. Leipzig: Passage-Verlag 2009, S. 56f. Die großformatige [Höhe: 177, Breite: 507 cm], 1913 entstandene Darstellung in Auerbachs Keller in Leipzig “ zeigt Figuren in farbenprächtiger, altertümlicher Kleidung vor einer Landschaft. […] Zentrum des Bildes sind zwei Männer, Faust und sein Famulus Wagner, in langen, dunklen, würdevollen Mänteln, wobei Molitor selbst für die Figur des Faust im Kostüm Modell gestanden hat, seine Frau Helene für eine der beiden reich gekleideten Frauen auf der linken Seite.“ (Birgit Hartung, S. 57)

Apr. 2019 | Allgemein, Feuilleton, Senioren | Kommentieren