Dafür – Und dagegen. Letzmals? Brexit-Demo in London

Schlappe. Abermals. Und, wie es jetzt weitergehen soll, ist unklar. Klar aber ist: Selten haben sich Politiker so verantwortungslos verhalten: Angefangen mit dem ehemaligen Premierminister David Cameron, der seiner Karriere zuliebe ein Land über die komplexe Frage des EU-Austritts abstimmen ließ.
Brexit-Hardliner wie Nigel Farage und Boris Johnson machten mit plattem Populismus, Halb- und Unwahrheiten erst Wahlkampf, entzogen sich aber dann der Verantwortung: Johnson, ehemaliger und sehr populärer Bürgermeister von London, schmiss nach einer kurzen Episode als Außenminister hin. Farage gab den Ukip-Vorsitz kurz nach dem Referendum ab – seine Arbeit sei getan, nun wolle er sein Leben zurückhaben. Doch die Arbeit fing da ja erst mal an.

May ließ sich von Hardlinern treiben

Doch auch Theresa May, die – einst selbst keine Brexit-Hardlinerin – die Aufgabe lediglich geerbt hatte, verhielt sich, als sei es nicht die Zukunft ihres Landes, die auf dem Spiel steht: Sie brach eine Neuwahl vom Zaun, die sie ihre komfortable und wichtige Mehrheit kostete, seither ist sie auf die Zustimmung der nordirischen DUP angewiesen. May ließ sich von den Brexit-Hardlinern treiben und machte immer wieder den Eindruck, als spiele sie auf Zeit. Liebstes Druckmittel: das Horror-Szenario eines No-Deal-Brexit. Aber: Es war und ist die – erneute – Ablehnung des mühsam ausgehandelten Brexit-Deals der Gipfel politischer Verantwortungslosigkeit.

Die EU ist auf Großbritannien zugegangen, in einer spätabendlichen Sitzung haben sich Juncker und May auf einen Kompromiss zum umstrittenen Backstop geeinigt: Das Maximum, was die EU zu geben bereit war. „Es wird keine dritte Chance geben“, hatte Juncker gewarnt. „Es ist diese Vereinbarung, oder der Brexit könnte nicht stattfinden.“

Rechtsberater hatte für Zustimmung geworben

Dwnnoch, die Vereinbarung ist wieder einmal – gestern abend wohl letztmals – gescheitert. 391 Abgeordnete – darunter 75 aus Mays eigener Partei – haben sich dafür entschieden, gen den Deal zu stimmen. Aller Warnungen Junkers zum Trotz. Aller Warnungen auch Theresa Mays zum Trotz. Und dies, obgleich auch der einflussreiche Rechtsberater der Regierung, Geoffrey Cox, gesagt hatt, es sei jetzt an der Zeit, für diesen Deal zu stimmen. Die Zugeständnisse, die May von der EU erhalten habe, reduzierten zumindest das Risiko, dass Großbritannien im Backstop gefangen bleibe.

Über der Abgeordneten Gründe darf nun spekuliert werden:

Die Zugeständnisse der EU erfüllten nicht die Anforderungen, welche die Regierung gesetzt habe, ließen Brexit-Hardliner wissen. Ein besserer Deal für beide Seiten sei immer noch möglich, meinte die nordirische DUP. Und viele Abgeordnete aus Brexit-Hochburgen – davon ist auszugehen – werden angesichts drohender Neuwahlen schlicht – wie gehabt –  ihre eigene Karriere im Blick gehabt haben. Die Karriere kommt vor dem Land. So hatte der Brexit im großen Britannien einst angefangen.

 Was nun?

Ein No-Deal-Brexit? Neuwahlen? Ein zweites Referendum? Ebenso unklar ist, was die Entscheidung des Abends für den Frieden in Nordirland bedeutet. Klar aber ist dies: Unter dieser politischen Verantwortungslosigkeit wird das Land noch Jahre zu leiden haben.
Und – so scheint sich – setzt sich, was Wunder, in der EU jetzt die Haltung durch: Geht mit Gott. Aber geht.

März 2019 | Allgemein, Politik, Wirtschaft, Zeitgeschehen | 1 Kommentar