Die 16-jährige Schwedin Greta Thunberg gilt zahlreichen Medien mittlerweile als „Galionsfigur der Klimaschutzbewegung“. Die Schülerin erlangte weltweit Berühmtheit durch ihren Auftritt bei der UN-Klimakonferenz im polnischen Kattowitz. Zuletzt trat sie beim Weltwirtschaftsgipfel in Davos auf. Unterdessen gibt es im Netz immer mehr Hass-Kommentare und Berichte, Greta Thunberg sei die Marionette eines schwedischen PR-Beraters. Ihr Aufstieg zum globalen Klima-Superstar begann im Dezember vergangenen Jahres.

Die aufrüttelnde Rede des damals 15-jährigen Mädchens mit den charakteristischen Zöpfen beim UN-Klimagipfel fand im Netz ein Millionen-Publikum. In der Folge stiegen auch sehr viele Medien weltweit (wir taten das auch – nicht zuletzt deshalb, weil eine diese „Freitagsdemo“ in Heidelberg anmeldende Schülerin ins Schulamt vorgeladen und mit einer (!) Haftstrafe bedroht wurde) auf den Hype um “Klima-Greta”. Das schwedische Mädchen jedenfalls hatte zuvor schon für eine gewisse Aufmerksamkeit mit ihren Schulstreiks gesorgt, mit denen sie ihn Schweden für einen radikalen Wandel in der Klimapolitik demonstrierte. Nachdem sie bekannt wurde, fanden die Schulstreiks für eine neue Klimapolitik weltweit Nachahmer. Nach dem Auftritt in Kattowitz ging der Hype aber erst richtig los.

Der Greta-Effekt wiederholte sich beim Weltwirtschaftsgipfel in Davos. Erneut hielt Greta Thunberg eine aufrüttelnde Rede (“Ich will, dass ihr in Panik geratet!”), die weltweit ungeheure mediale Aufmerksamkeit erhielt. Allerdings wurden nun auch kritische bis hässliche Gegenstimmen lauter. Im Netz formierte sich vor allem in rechten Kreisen eine regelrechte Anti-Welle gegen die junge Klima-Aktivistin. Vor allem ein Foto, das sie im Zug beim Auspacken ihres Essens zeigt, wurde zur Zielscheibe von Internet-Häme, wegen der deutlich sichtbaren Plastik-Verpackungen. Greta Thunberg war mit ihrem Vater per Zug nach Davos gereist – dem Klima wegen.

Aber nicht nur Hass-Kommentare zieht sie verstärkt auf sich, es werden auch immer mehr Zweifel an der “Story” vom Klima-Mädchen aus Schweden vorgebracht. Das rechte Schweizer Magazin Weltwoche veröffentlichte einen online viel geteilten Artikel mit dem Titel “Wir basteln uns eine Klima-Ikone“. Darin geht es u.a. darum, dass “ihr Erfolg weitgehend dem schwedischen PR-Experten Ingmar Rentzhog zu verdanken ist, der über gute Kontakte zu mehreren Propagandaorganisationen verfügt”. Als Indizien führt die Weltwoche auf, dass kurz nachdem Greta ihre Schulstreiks begann, ihre Mutter, eine recht bekannte Opernsängerin, ihr Buch veröffentlichte. Am Tag der Buchveröffentlichung habe der PR-Mann Rentzhog auf Instagram ein Foto der streikenden Greta veröffentlicht und einen Artikel über sie bei Facebook veröffentlicht. Dies habe dann eine “Kettenreaktion” in den Medien ausgelöst. Außerdem habe Greta Thunberg ihre Rede beim UN-Gipfel vor fast leeren Rängen gehalten, während das öffentlich-rechtliche schwedische Fernsehen die Bilder so montiert habe, dass der falsche Eindruck entstanden sei, sie hätte vor einem großen Publikum gesprochen.

Bilder-Manipulation?

Diese Story von der Bilder-Manipulation brachte zuerst der Journalist Henrik Alexandersson in seinem Blog auf, belegt mit Screenshots. Das entsprechende Video ist auf der Website des schwedischen Fernsehen mittlerweile aber nicht mehr zu finden.

Die “Klima-Galionsfigur” (SZ) Greta Thunberg – entzaubert als Marionette eines PR-Schergen, garniert mit Fake-News vom öffentlich-rechtlichen Schweden-TV. Das ist ein Narrativ, das rechte Kreise und Klima-Leugner mindestens genauso begierig aufnehmen und verbreiten, wie die Story von der aufrechten Klima-Kämpferin Greta, die den Politikern und Wirtschaftsbossen die Leviten liest.

Was stimmt denn nun?

Die Medien – auch Mm. Bundesumweltministerin Svenja Schulze – tragen hier (unverfroren und dämlich allzugleich) erstaunlich wenig zur Klärung bei und halten sich mit dem „diskreten Charme der …“ naja, Sie wissen schon – charmant zurück. In den traditionellen Medien jedenfalls finden sich fast ausschließlich Berichte, die die Auftritte von Greta Thunberg dokumentieren und (oder) feiern. Texte, die sich mit der Rolle des PR-Beraters Ingmar Rentzhog auseinandersetzen, gibt es wenige und wenn, dann meist in rechten Medien oder aus Schweden.

Die PR-Verbindung

In Medienberichten nachvollziehbar ist auch, dass ihre Mutter offenbar den PR-Berater Ingmar Rentzhog kennt. Unter anderem haben beide schon einen Debattenbeitrag zum Klimaschutz für die schwedische Zeitung Dagens Nyheter verfasst. Rentzhog ist in Schweden kein Unbekannter, er verkaufte seine Firma für Finanzkommunikation und gründete die Plattform “We don’t have time“, die sich für einen radikalen Wandel in der Klimapolitik einsetzen will und auch Spendengelder sammelt. Laut eigenen Aussagen hat Rentzhog zufällig die streikende Greta im August 2018 vor ihrer Schule sitzen sehen und war von dem Engagement des Mädchens gerührt. Darum hat er die bereits erwähnten Instagram- und Facebook-Posts veröffentlicht – inklusive dem Hashtag #WeDontHaveTime. Greta Thunberg wird mittlerweile auf der Homepage seiner Plattform “We don’t have time” als “Jugend-Beraterin” geführt.

Der Vorwurf, dass die Greta-Story eine Kampagne von Rentzhog sei, wurde – soweit sich das nachvollziehen lässt – erstmals von dem schwedischen Journalisten Andreas Henriksson auf Facebook erhoben. Greta sei Rentzhogs “erste große PR-Kampagne für das Klima”, schreibt Henriksson und: “Ich erkenne eine PR-Kampagne, wenn ich eine sehe.” Rentzhog erwiderte, dass er Greta geholfen habe, sei nie geheim gewesen. Auch habe er nichts von der Buchvorstellung von Gretas Mutter gewusst. Er erklärt allerdings auch, dass er (Und das muss sein dürfen) mit Hilfe seiner Plattform “We don’t have time” die “Weltmedien” dazu gebracht habe, über Greta und ihr Engagement zu berichten. Im voraus geplant sei dies aber nicht gewesen: “Der Erfolg ist zu einem großen Teil darauf zurückzuführen, dass ich sehr schnell und reaktionsschnell war.” Er sei überzeugt, dass Greta auch ohne ihn die entsprechende Aufmerksamkeit bekommen hätte, es hätte vielleicht nur länger gedauert.

Es sind also viele Faktoren, die in der Greta-Geschichte ineinandergreifen. Da ist einmal das persönliche Schicksal einer Familie mit einem Kind mit Asperger-Syndrom. Die Eltern merken, dass es ihrem Kind hilft, sich mit dem Thema Klimawandel auseinanderzusetzen und unterstützen es dabei. Dann ist da der PR-Berater, der sich das Klima-Thema als neues Betätigungsfeld auserkoren hat und der die Mutter dieses Kindes kennt. Ob Rentzhog tatsächlich rein zufällig an jenem Augustmorgen an die Schule spazierte, an der Greta Thunberg einsam für das Weltklima demonstrierte, kann man glauben oder auch nicht. Aber selbst der kritische Henriksson schreibt in seinem Posting, dass das Engagement von Greta Thunberg echt sei. Das Mädchen selbst ist authentisch. Ist es nun verwerflich, wenn ein PR-Berater die Story dieses Mädchens aufgreift?

Fragen bleiben

Was auffällt ist, dass in den Postings von Greta Thunberg der Hashtag #WeDontHaveTime nicht verwendet wird. Wäre sie für Rentzhog wirklich nur Mittel zum Zweck – würde er dann nicht versuchen, seinen eigenen Hashtag zu promoten?

Einige Fragen bleiben offen. Diese zum Beispiel, ob der Vorwurf stimmt, dass Greta Thunberg in Kattowitz vor fast leeren Rängen sprach und ob das schwedische Fernsehen einen anderen Eindruck vermittelte. Dass die vor kurzem 16 gewordene Greta ihre gut durchkomponierten Reden und Appelle tatsächlich alleine geschrieben hat, lässt sich indes kaum glauben. Aber es gibt niemanden, der ihr unterstellen würde, dass sie nicht wirklich hinter den vorgetragenen Anliegen steht.

Die Geschichte von der “Klima-Greta” ist mal wieder eine, in die jeder hineininterpretieren kann, was er oder sie möchte. Das Mädchen ist für viele nicht zuletzt eine Projektionsfläche. Für die einen ist sie eine mutige Kämpferin für eine bessere Welt. Für die anderen ist sie die gesteuerte Marionette von PR-Strippenziehern. Weiß oder schwarz. Der Hunger der Medien nach Geschichten (wir sind auch drauf reingefallen) die zu schön um (gänzlich) wahr zu sein sind, scheint noch immer nicht gestillt.

Graustufen sind unerwünscht. Aber, und, zu guter Letzt:

Von wem auch immer die Initialzündung ausging, in vielen Städten (aus Mannheim erreichte die RUNDSCHAU gerade diese Mitteilung) zündet man jetzt nach. Und das, das ist gut so:

Schulstreik fürs Klima am Freitag in Mannheim

Nachdem die Kohlekomission letztes Wochenende ein unzureichendes Ergebnis verabschiedete und das Kohlekraftwerk GKM als eines der letzten vom Netz gehen soll, streiken nun auch Schüler und Schülerinnen in Mannheim.

Am 01.02. um 11 Uhr, mit dem Beginn auf dem Ehrenhof, ruft „Fridays for Future“ alle Schülerinnen und Schüler auf, zusammen auf die Straße zu gehen, um für ihr Recht auf Zukunft und für eine gerechte Klimapolitik zu kämpfen.

Die internationale Schülerbewegung der „Fridays for Future“ sorgt seit mehreren Wochen für Schlagzeilen. So demonstrierten letzten Freitag in Berlin Tausende Schüler*innen aus ganz Deutschland.

Sie folgten dem Beispiel Greta Thunbergs, der 16-jährigen Schwedin, mit der alles begann. Das Mädchen setzt sich jeden Freitag vor das Parlament in Stockholm, um die Politik wachzurütteln. „Ich will, dass ihr handelt, als würde euer Haus brennen, denn das tut es“ – also sprach Greta bei der UN-Klimakonferenz.

„Wir Mannheimer Schüler*innen und Studenten*innen folgen nun ihrem Aufruf“.
E-Mail: fridaysforfuturemannheim@gmail.com
„Bei organisatorischen Fragen stehen wir gerne bereit“.

 

 

Jan 2019 | Allgemein, Gesundheit, In vino veritas, Junge Rundschau, Politik, Sapere aude, Senioren, Zeitgeschehen | Kommentieren