Mit Beginn des neuen Jahres sind Werke von allen Künstlern ohne urheberrechtlichen Schutz nutzbar, die 1948 oder früher gestorben sind. Dazu zählen etwa der Dadaist Kurt Schwitters und der „Tango aller Tangos“. Davon profitieren die Wikipedia, E-Book-Freunde und alle, die Kunstwerke frei nutzen wollen. Reporter Egon Erwin Kisch, Dadaist Kurt Schwitters und Komiker Karl Valentin – ihre Werke sind seit dem Jahreswechsel für alle frei und ohne urheberrechtlichen Schutz verfügbar. Denn mit Beginn des neuen Jahres wurden alle Werke von Urhebern in Europa gemeinfrei, die 1948 gestorben sind. Der sogenannte „Public Domain Day“ wird jedes Jahr am 1. Januar gefeiert – in den USA das erste Mal seit 20 Jahren.
Das deutsche und europäische Urheberrecht geht über den Tod eines Urhebers hinaus. Die sogenannte Regelschutzfrist schützt Werke für 70 Jahre nach dem Todestag des Urhebers. Erst danach dürfen sie ohne Genehmigung verwendet oder veröffentlicht werden.
Das bedeutet: Schulen können Theaterstücke in der Originalversion ohne Genehmigung aufführen, Künstler dürfen Bilder und Aufnahmen verändern, remixen oder anderweitig für eigene Werke nutzen, Online-Bibliotheken wie das Project Gutenberg oder das Internet Archive können kostenfreie E-Books aus gemeinfreien literarischen Texten anbieten.
Zudem profitiert die Wikipedia: Dort haben hunderte Artikel neues Anschauungsmaterial in Form abgelichteter Kunstwerke oder Fotografien erhalten, deren freie Nutzung bis vor kurzem nicht möglich war. Das bereichert das Online-Lexikon ungemein. „Viel Freude beim Hochladen, Stöbern und Nutzen der neuen gemeinfreien Schätze“ heißt es passenderweise im Wikipedia:Kurier.
Diese Werke sind nun gemeinfrei
Unter den Urhebern, deren Werke nun in Europa gemeinfrei sind, befinden sich bekannte Schriftsteller, Künstler und Komponisten. Auflistungen gibt es bei der deutschen und englischen Wikipedia. Hier eine kleine Auswahl:
In diesem Jahr werden sämtliche Texte des „rasenden Reporters“ Egon Erwin Kisch gemeinfrei, der wie kein anderer das journalistische Genre der Reportage prägte. Ebenfalls frei nutzbar sind die Lieder und Filme des Komikers Karl Valentin und die Schriften Alfred Kerrs, einem der einflussreichsten Theaterkritiker der Weimarer Republik. Mit der urheberrechtlichen Abmahnung von Webseiten, die Zitate von Karl Valentin verbreiten, ist nun Schluss. (Jedoch bleibt der Urheberschutz für jene 25 Werke bestehen, an denen Liesl Karlstadts Mitarbeit dokumentiert ist.) Aus dem Bereich der Exilliteratur sind die Romane und Biographien von Emil Ludwig gemeinfrei.
Einige der Künstler wurden von den Nationalsozialisten für ihre Arbeiten verfolgt. Durch die Aufhebung des Urheberrechtsschutzes könnten ihre Werke künftig eine größere Verbreitung finden. Neben Kerr und Ludwig zählt dazu auch der Dadaist Kurt Schwitters, dessen Gedichte und Bilder jetzt gemeinfrei sind. Dazu kommen die Werke einer weiteren Vertreterin des Dadaismus: Emmy Hennings. Das Beitragsbild dieses Artikels stammt von dem italienischen Maler Umberto Coromaldi.
Aus dem musikalischen Bereich sind die Operetten von Franz Lehár und die Opern des italienischen Komponisten Umberto Giordano zu nennen. Frei verfügbar ist der „Tango aller Tangos“ La Cumparsita des Uruguayers Gerardo Mato Rodríguez, da auch in Uruguay nach 70 Jahren das Urheberrecht erlischt.
USA: Werke von 1923 gemeinfrei
Zum ersten Mal seit 20 Jahren wird auch in den USA wieder der „Public Domain Day“ gefeiert. Auf Druck der Unterhaltungsindustrie hatte der Kongress 1998 den Urheberrechtsschutz von 75 auf 95 Jahre verlängert, mit dem „Micky-Maus-Schutzgesetz“. Seitdem wurden keine Werke mehr in die Gemeinfreiheit erlassen. Anders als zuvor erwartet, hielt sich die Branche diesmal mit Forderungen nach einer Verlängerung der Schutzfrist zurück.
Mit dem Jahreswechsel sind in den USA nun alle Werke gemeinfrei, die vor 1924 erschienen sind. Anders als in Deutschland ist in den USA nicht das Todesjahr des Urhebers für die Schutzfrist entscheidend, sondern das Veröffentlichungsdatum. Das führt dazu, dass der Krimi „Mord auf dem Golfplatz“ von Agatha Christi in Deutschland noch bis 2047 urheberrechtlich geschützt ist, während er in den USA seit dem 1. Januar gemeinfrei ist.
Ebenfalls gemeinfrei sind Klassiker wie der Monumentalfilm „Die Zehn Gebote“, Komödien von und mit Charlie Chaplin und der Song „Charleston“, der den gleichnamigen Swing-Tanz berühmt machte. Die Duke Universität führt in einer Liste zudem Werke von Winston Churchill, Robert Frost und Aldous Huxley auf.
Einschränkung durch Bundesgerichtshof
Bei aller Freude bleibt ein Wermutstropfen: Durch ein Gerichtsurteil ist die Nutzung einiger gemeinfreier Werke aktuell nur mit Einschränkungen möglich. Mitte Dezember entschied der Bundesgerichtshof, dass Museen ein Fotoverbot in ihren Räumlichkeiten durchsetzen können. Demnach dürfen Besucher nicht einfach ein Foto von einem gemeinfreien Kunstwerk machen und veröffentlichen, wenn das Museum dies nicht wünscht. Von Museen in Auftrag gegebene Fotos eines Werkes sind sogar für 50 Jahre urheberrechtlich geschützt. Das Urteil hat deshalb auch massive Einschränkungen für digitale Netzkultur zur Folge, weil auch gemeinfreie Werke nicht bedenkenlos benützt werden können, solange nicht klar ist, wie und von wem sie digitalisiert worden sind.
Diese Einschränkungen könnten jedoch durch die EU-Urheberrechtsreform wieder aufgehoben werden, die derzeit zwischen den EU-Institutionen verhandelt wird. Der aktuelle Verhandlungsstand sieht vor, dass es keinen Schutz für bloße Reproduktionen von gemeinfreien Werken geben soll. Damit wäre die jüngste BGH-Entscheidung hinfällig.
Korrektur: In einer früheren Artikelversion wurde nicht erwähnt, dass einige Werke von Karl Valentin weiterhin nicht gemeinfrei sind. Der Artikel wurde dahingehend aktualisiert.