Im September 1998 zog der Fischer Jean-Claude Bianco nahe Marseille ein silbernes Armband aus dem Meer. Darin waren der Name des Schriftstellers Antoine de Saint-Exupéry, die Adresse seines New Yorker Verlegers und Consuelo, der Vorname seiner Ehefrau, eingraviert.

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Von seiner Ehefrau wußte man lange ebenso wenig wie von jenem Aufklärungsflug, auf dem «Saint-Ex» am 31. Juli 1944 verschollen war. Seine Familie hatte die schöne, angeblich flatterhafte Consuelo Suncin Sandoval nie akzeptiert, in der Pariser Intelligenzia blieb sie ein Fremdkörper.
Consuelo aber war weit mehr als eine Fussnote im Leben ihres Gatten. Sie stand dem kleinen Prinzen Modell, ihr verdanken wir den Titel «Nachtflug». Das bezeugen Dokumente, die nach ihrem Tod 1979 in den Besitz ihres langjährigen Privatsekretärs José Martinez Fructuoso übergingen. Bereits vor sechs Jahren veröffentlichte der Saint-Exupéry-Experte Alain Vircondelet aus diesem Nachlass «Die Rose des kleinen Prinzen», eine Darstellung der dreizehnjährigen Ehe aus der Feder Consuelos. Nun webt er aus zahlreichen privaten Briefen, Telegrammen und Fotos die Geschichte einer «legendären Liebe» – so der Untertitel seines Büchleins «Antoine und Consuelo de Saint-Exupéry».

consuelo-suncin-sandoval.jpg Sie beginnt als Bilderbuch-Romanze mit einem zwanzigseitigen Liebesbrief. Als das Paar sich 1930 in Buenos Aires kennenlernt, ist die 28-jährige Consuelo, die aus einer der reichsten Familien von El Salvador stammt, bereits zweimal verwitwet. Antoine steht der Aeroposta Argentina als Direktor vor und ist als Autor auf dem Weg zum Stammvater des modernen Schreibens vom Fliegen. Zurück in Frankreich, leben sie das Leben der Bohème, verprassen viel Geld – und entzweien sich. Saint-Exupéry wird von der mondänen Gesellschaft, seinen Affären und der Arbeit als Pilot vereinnahmt, Consuelo leidet unter seinen Abwesenheiten. Es ist eine turbulente Ehe, geprägt von ständigen Trennungen und Versöhnungen.
Saint-Exupéry, exzentrisch und depressiv, will Consuelo nach der Gestalt seiner Mutter formen und sie, wie Vircondelet berichtet, zur «Dienerin ihres Herrn in reinster christlicher Tradition» machen. Gleichzeitig jedoch scheint Liebe im Spiel, wenn er sie seine «Goldfeder» oder «Pimpernelle» nennt, wenn er Abendgebete oder Musterbriefe für sie verfaßt («schon brummt Dein Motor in meinem Herzen», soll sie ihm schreiben). Consuelo, eigentlich eine starke Frau, die malt und bildhauert, mit Dalí und Duchamps verkehrt, begibt sich unter dieses Diktat. Dass ihr nun endlich gebührende Aufmerksamkeit zuteil wird, ist zu begrüßen.
Der Text Vircondelets allerdings – durch Einschübe von oft kleinteiligen Fotos und Zitaten manchmal über viele Seiten unterbrochen – wirkt mitunter unübersichtlich. Zudem verklärt er seine Heldin im Stil eines Rührstücks zur Märtyrerin der Liebe. Doch wie es um die Liebe Saint-Exupérys tatsächlich bestellt war – eines Mannes, der die Leblosigkeit von Wüste und Kosmos ebenso feierte wie Mitmenschlichkeit und Verantwortung –, bleibt wohl ebenso ungewiß wie die Umstände, unter denen seine Lightning P-38 bei Marseille ins Meer stürzte.

Alain Vircondelet: Antoine und Consuelo de Saint-Exupéry. Eine legendäre Liebe. Dokumente aus dem Archiv von José Martinez Fructuoso. Aus dem Französischen von Claudia Steinitz. Verlag Antje Kunstmann, München 2006. 184 S.,

Juli 2007 | Allgemein, Feuilleton | Kommentieren