Es war so etwas wie ein geplanter Zufall: Gerade trafen sich Kulturstaatsminister Bernd Neumann (CDU) im Kanzleramt mit Vertretern des Zentralrats der Juden und der Jewish Claims Conference zu einem Gespräch über die Restitution von Kunstwerken aus deutschen Sammlungen. Und am gleichen Tag fand in Berlin ein Symposium statt …… das der Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien, die Koordinierungsstelle für Kulturgutverluste in Magdeburg, die Stiftung Preußischer Kulturbesitz, unterstützt vom Jüdischen Museum Berlin, gemeinsam veranstalteten. Während Museumsleute, Kunstwissenschaftler und Juristen bei ihrem Treffen anhand ausgewählter Beispiele vor allem historischen Spuren nachgingen, die jüdische Mäzene in der deutschen Gesellschaft hinterließen, als Beitrag zur Erforschung und Vermittlung ihrer vergessen gemachten und nicht wieder erinnerten Leistungen für das kulturelle und soziale Leben in Deutschland, war das auf politischer Ebene gerade ein Gespräch aus eben solchem Versäumnis heraus. Denn schon am 20. November 06 hatte es bei Neumann einen »Krisengipfel« gegeben, aufgeschreckt durch die öffentliche Aufregung wegen der Rückgabe des Gemäldes »Berliner Straßenszene« von Ernst Ludwig Kirchner an die Erbin und seine anschließende Versteigerung sowie den Medienwirbel um weitere Forderungen an deutsche Museen. Aber das war bezeichnenderweise leider eine einseitige Sache. Und das warf in ihrer Ungeschicktheit, Instinktlosigkeit, ja Dummheit ein Schlaglicht auf den Umgang mit deutsch-jüdischer Geschichte hierzulande: Die Vertreter der Opfer, der Beraubten also, waren zunächst nicht eingeladen.
Georg Heuberger, Repräsentant der Jewish Claims Conference in Deutschland, zeigte sich gestern allerdings mit dem Ausgang dieses zweiten Raubkunst-Gesprächs zufrieden. An den Grundlagen für die Rückgabe von Kunstwerken an die Geschädigten oder ihre Erben darf nicht gerührt werden, Ausschlußfristen für die Erhebung von Rückgabeansprüchen, wie zunächst noch gefordert, werden nicht erlassen und Verfügungsbeschränkungen hinsichtlich Ausfuhr und Verkauf werden ausgeschlossen, »solange die Provenienzrecherche noch Defizite aufweist«. Wie bereits beim »Krisengipfel« im November wurde bekräftigt, dass sich die Bundesrepublik weiterhin an internationale und nationale Abkommen – vor allem die Grundsätze der »Washingtoner Konferenz über Vermögenswerte aus der Zeit des Holocaust« – halten werde. Die »Gemeinsamen Erklärung« von Bund, Ländern und Gemeinden und die so genannte Handreichung der Bundesregierung aus dem Jahr 2001 als die formalen Grundlagen zur Umsetzung der Washingtoner Erklärung soll auf ihre Praktikabilität hin überprüft werden, nicht zuletzt mithilfe einer Arbeitsgruppe.
Neumanns Bekenntnis, Deutschland werde seiner moralischen Verpflichtung zur Rückgabe von NS-Raubkunst »uneingeschränkt nachkommen«, ist zwar ein politisches Signal. Doch sollte man annehmen, daß es selbstverständlich ist. Das Symposium am gleichen Tag ging auf Ursachen dafür ein, daß noch viele Stolpersteine auf diesem Weg liegen. Die Trennung von Recht und Moral im öffentlichen Bewusstsein sprach beispielsweise Constantin Goschler von der Ruhr-Iniversität Bochum an, die Ungeheuerlichkeit, daß jüdische Eigentümer oder ihre Erben um Restitution kämpfen müssten, daß heute wieder bestimmte Reflexe und Argumente wie nach dem Zweiten Weltkrieg auftauchen. Andrea Baresel-Brand von der Koordinierungsstelle für Kulturgutverluste, die u.a. die übers Internet zugängliche Dokumentation www.lostart.de betreut, verwies auf die große Lücke in der Provenienzforschung, in der jahrzehntelang nichts oder zu wenig geschah. Vor allem kleinere Museen sind personell und finanziell nicht für die Recherche nach der Herkunft ihrer Bilder ausgestattet. Solche Fälle wie Anfang des Monats die Rückgabe des Tiepolo-Gemäldes »Bildnis eines bärtigen Mannes« an die vom Braunschweiger Herzog-Anton-Ulrich-Museum über »lost-art« gesuchte Enkelein und Erbin des jüdischen Kunsthändlers Jacques Goudstikker, Charlène von Saher, werden noch lange nicht die Regel sein. tno
Jan. 2007 | Allgemein | Kommentieren