Die Maschine ist die große Unbekannte des Denkens. Wen dies sonderbar anmutet, weil man ihr als Metapher überall begegnet, werfe einen Blick auf unser Bild von Gott : Nacheinander wurde er von der Kultur zum Theaterereignis, zum Uhrmacher und schließlich zum Programmierer umgeschult. Worin liegt der philosophische Nerv der Maschine, dieser großen Unbekannten des Denkens ? Von der Rätselfrage des ›deus ex machina‹ wird der Leser in kurzen, prägnanten Abschnitten mit dem ›Denken ohne Denker‹ konfrontiert. Über die historischen Exkursionen hinaus führt Martin Burckhardt in dieser philosophischen Grundlegung den Leser in die Gegenwart auf den so langsamen wie unweigerlichen Rückzug der Philosophie und der gleichzeitigen Explosion maschineller Intelligenzen hin. Die Maschine ist kein technisches Gadget mehr, sondern längst zur geistigen Größe geworden. Sie ist das Unbewusste der Philosophie, der Gesellschaft überhaupt. Würde der Geist der Maschine freigesetzt, wäre endlich eine nun von allem metaphysischen Ballast befreite, radikal geistesgegenwärtige Philosophie denkbar.

Der Kulturhistoriker Martin Burckhardt wähnt in der Maschine den blinden Fleck der Philosophie. Nicht also, fragt er, wie die Maschine gedacht werden könne, sondern wie sie das Denken der Philosophen geprägt – und welche geheimen Verbindungen sie zu ihm hat. Die Logik solcher Selbstermächtigung ist dabei nach Burckhardt stets dieselbe: In ihren historisch verschiedenen Ausprägungen habe sich die Philosophie das metaphorische und konzeptuelle Potential des jeweils aktuellen Maschinentyps angeeignet, indem sie die in ihm akkumulierte, gleichsam anonyme Form von Rationalität begrifflich verallgemeinerte. Diese Operation habe letztlich in eine Verdrängung des konkreten Artefakts gemündet, das zu einem bloßen Derivat des jeweils aufgestellten metaphysischen Prinzips herabgewürdigt wurde.

Dieser diagnostizierten „metaphysischen Selbstverzauberung“ setzt Burckhardt ein „Bewusstsein der Geschichtlichkeit“ entgegen. Die Wahrheiten der Philosophie sollen aus dem Ideenhimmel zurück auf den Boden der technischen Revolutionen geholt werden.

Der Vorteil der Maschine, so meinte einmal Oswald Wiener, bestehe darin, exakt definierbar zu sein.  Demgegenüber pädiert Burckhardt für einen unscharfen, „ausflockenden“ Maschinenbegriff, der ein möglichst großes Spektrum unterschiedlicher Mechanismen, Praktiken und Institutionen von der griechischen Antike bis in die Gegenwart umfasst. Der Denker einer Philosophie der Maschine – und damit meint Burckhardt offenbar sich selbst – müsse sich in das historische „Gedankenlabyrinth“ wagen.

Dabei hätten sie sich gut in das von Burckhardt gezeichnete Panorama eingefügt, das zuletzt dem Leser die Antwort überlässt, ob die Herrschaft der Maschine – so ist das ja derzeit in der Diskussion – zu einem Verschwinden des Menschen oder aber zu einer ungeahnten Steigerung des von allem Irdischen befreiten Denkens würde führen können.

Martin Burckhardt
Philosophie der Maschine
360 Seiten, Gebunden mit Schutzumschlag
Matthes und Seitz Verlag, Berlin
Erschienen: 2018

ISBN: 978-3-95757-476-3
Preis: 28,00 €

Okt. 2018 | Allgemein, Buchempfehlungen, Feuilleton, Junge Rundschau | Kommentieren