Sie versicherten einander ihre Liebe in Briefen noch, als sie sich scheinbar schon entzweit hatten und der eine den anderen hatte festnehmen lassen: Friedrich der Große und Voltaire. Bis ins hohe Alter pflegten die beiden bedeutendsten Männer ihrer Zeit eine äußerst komplizierte Männer-Beziehung. Es war das Jahrhundert Amors. Mätressen und Günstlinge beherrschten die Höfe, Könige und Zarinnen machten sich durch Lüsternheit lächerlich, die Liebe regierte allüberall: sowohl in den Niederungen des Marquis de Sade als auch in den ätherischen Regionen eines Watteau und Mozart – und selbst im nüchternen Preußen.

Dort, in Berlin und Potsdam nämlich, ereignete sich die sonderbare (man muß das so sagen und schreiben dürfen): Liebesgeschichte zwischen dem philosophierenden König Friedrich II., genannt Friedrich der Große, und dem dichtenden Philosophen François-Marie Arouet, genannt Voltaire. Sie ist nicht nur rührender und komplizierter als viele andere Äffären des 18. Jahrhunderts, sie ist auch besser dokumentiert: 42 Jahre umfasst die Korrespondenz der beiden bedeutendsten Männer ihrer Zeit. Sie beginnt mit einem Brief, den der 24-jährige Kronprinz 1736 aus Berlin schrieb, und endet mit einem Brief des 83-jährigen Voltaire aus Paris am 1. April 1778, zwei Monate vor seinem Tod.

Hans Pleschinski
Voltaire – Friedrich der Große.
BriefwechselLeseprobe
Hanser
ISBN: 978-3-446-23754

„Es gibt nichs Ähnliches in der Literaturgeschichte.“ Diesen Satz münzte der englische Historiker George P. Gooch auf den Briefwechsel zwischen Friedrich dem Großen und Voltaire. Und in der Tat: Allein schon durch seine Dauer steht der briefliche Austausch auf höchster europäischer Ebene einzigartig dar. Deutschlands vielleicht berühmtester Monarch und Frankreichs wirkungsmächtigster Philosoph tauschten sich 42 Jahre lang aus. Ihre Korrespondenz streift, was den Menschen bewegen konnte und kann:
Gibt es einen Gott? Was ist der Ruhm? Was Freiheit? Ist Berliner Porzellan besser als chinesisches? Welchen Eindruck hinterlassen die Menschen von Westfalen? Gibt es ein Leben nach dem Tod? In der Hölle? Sind die Deutschen dumm oder können sie sich bessern?

Okt. 2018 | Allgemein, Feuilleton, Junge Rundschau, Senioren | Kommentieren