Dass das jetzt ausgerechnet die evangelische Kirche fordert, mag überraschen, traut man einen ordentlichen Exorzismus doch eher den Katholiken zu. Doch für Martin Luther war der Teufel bekanntlich die einzige irdische Autorität, die er akzeptierte – heute würde er wahr-scheinlich (oder eben drum gerade nicht?) Volksverhetzung wegen im Knast sitzen.
Die Evangelische Akademie zu Berlin jedenfalls nähert sich über den Umweg Luther sowohl dem Teufel, wie auch dessen Austreibung und lädt neuerdings mit Unterstützung der Evangelischen Kirche in Deutschland dazu ein, Netzteufel dingfest zu machen. Netzteufel aber ist, wer sich des Kardinalsverbrechens der freien Meinungsäußerung schuldig gemacht hat.
Das Ziel: „toxische Narrative“ vernichten
Natürlich klingt es bei dieser vom Bundesfamilienministerium im Rahmen des Bundesprogramms „Demokratie leben“ geförderten Aktion aners: „Toxische Narrative“ wolle man zwar aufstöbern und anprangern; aber am liebsten wolle man solche toxischen Narrative gleich vernichten. Giftige Redeweisen – so wäre das mittlerweile neudeutsche Doppelwort zu übersetzen – trügen dazu bei, dass die schöne Welt ein schlimmer Ort werde und „gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit im Namen des christlichen Glaubens“ wachse. An erster Stelle den „antimuslimischen Rassismus“ will die Evangelische Akademie unter ihrem Präsidenten, dem Historiker Paul Nolte, nicht länger hinnehmen. Bei der Definition von „toxischen Narrativen“ berufen sich die Evangelischen auf die Amadeu Antonio Stiftung, die umstritten muss genannt werden dürfen: Hass und Gift im Netz ist demnach ein Phänomen ausschließlich „rechts-alternativer Akteure“.
Das Netz soll mit dem Segen der Evangelischen Kirche und dank evangelischer Kirchensteuermittel auf links gescheitelt werden. Ausdrücklich empfiehlt das Projekt, sich „bei unseren Kolleg*innen der Amadeu Antonio Stiftung (…) zum Beispiel zu Anti-hateSpeech-Trainer*innen ausbilden zu lassen.“
Die Losung „Gegen den Hass“ wird verstanden als „Gegen rechts“. Man setzt „mehr Hoffnung“ dagegen und meint „mehr links“. Und wer in der Kirche nicht link genug ist, dem soll „mit dem Tool sociograph.io“ sein Anderssein, seine Differenz, seine Abweichung um die Ohren gehauen werden.
Denn Vielfalt – daran haben wir uns gewöhnt – meint mittlerweile Einfalt, und Pluralität oft Konsens. Der Geist einer großen Übereinkunft, die sich christlich drapiert, spricht aus dem Projekt mit dem vollen Namen „der Teufel auch im Netz“ (bundesministeriale Selbstdarstellung diesere Teufelei). Indikator eines harten theologischen Verdrängungswettbewerbs ist es auch.
„Der Islam bedroht uns“ – eine Hassbotschaft?
Auf der einen Seite befinden sich die Lichtbringer in ihrem antidämonischen Kampf, die mit Steuerzahlergeld wider unbotmäßige Aussagen streiten; auf der anderen Seite private Glaubensinitiativen. Die Ermittlung der „toxischen Narrative“ nämlich beruht auf der Analyse dreier willkürlich gesetzter Facebook-Seiten.
In den Fokus der evangelischen Ermittler gerieten die evangelische Nachrichtenagentur idea, die neuerdings nicht mehr von der Evangelischen Kirche gefördert wird, das katholische Nachrichtenportal kath.net und die Bundesvereinigung der „Christen in der AfD“. Hass wird also just bei jenen gesucht, denen man zirkulär unterstellt, Hass zu verbreiten – und Hass soll der Satz sein „Der Genderwahnsinn“ – und schon sehen wir uns auf der Seite der Hass-Verbreiter – „ist reine Ideologie“. Oder der Satz „Der Islam“ – tut er in der Tat – „bedroht uns“.
Einzig wahr und menschenfreundlich sei: Wer von „Islamisierung“ redet, der folge einer „rassistischen, ethnopluralen Idee“, sei also Rassist. Sagt uns die Evangelische Kirche. Und wer „die Möglichkeit oder sogar Notwendigkeit einer Rollenverschiebung“ von Mann und Frau leugnet, der kenne die „radikale Gleichberechtigung in Christus“ nicht. Interessanterweise fordert die Transzendierung der Geschlechtergrenzen dieselbe Evangelische Kirche, die im Gespräch „mit islamischen Gemeinschaften in Deutschland (…) Veränderungen anregen“ will.
Einfach wird ein Gender-Dialog mit dem Imam von nebenan vermutlich nicht.
Mit Seminaren unter dem Titel #1hopeMeme und #whatthehope wollen die besorgten Evangelischen ihre Erkenntnisse in die Fläche tragen, „in eure Gemeinde oder euren Verband“, immer munter auf dem Weg „from #hateSpeech to #hopeSpeech“. Steckt dahinter auch kein Deutsch, so hat es doch Methode: Ein Platzhirsch namens EKD will konkurrierende Anbieter auf dem Glaubens- und Meinungsmarkt vom Diskursfeld drängen. Die Brieftasche ist reichlich gefüllt, die Software geputzt, das Design glänzt hübsch. Alles dient natürlich der „Nächstenliebe“. Sagt uns die Evangelische Kirche, und die muss es ja wissen.
Arbeitslos? Job gesucht? Der Kirche gehen die Exorzisten aus.