Viele hatten ein Pop-Märchen in Walt-Disney-Manier erwartet. Stattdessen feierten Kritik und Publikum den Beatles-Zeichentrickfilm als bombastisches Wunderwerk. Am 17. Juli 1968 fand die Premiere von „Yellow Submarine“ in London statt.
We all live in a yellow submarine
Ein großes, gelbes Unterseeboot aus Pappmaschee war der Blickfang am Piccadilly Circus in London, als am 17. Juli 1968 der Beatles-Zeichentrickfilm „Yellow Submarine“ Premiere feierte. Der Verkehr stockte, zahlreiche Schaulustige drängten. George, Paul, John und Ringo zwängten sich unter Polizeischutz zusammen mit anderen Prominenten aus der Musik- und Filmbranche ins Pavilion-Kino.

Selbst die Beatles waren neugierig auf ihr neuestes Produkt. Denn sie hatten, anders als bei den bisherigen beiden Klamauk-Filmen „A Hard Days Night“ und „Help“, kaum etwas mit dem Werk zu tun. Beatles-Produzent George Martin hatte mit United Artists einen Vertrag über einen Animationsfilm abgeschlossen, in dem die vier Pilzköpfe als Cartoon-Figuren agieren sollten. Sie selbst hatten weder Lust noch Zeit, daran mitzuarbeiten und steuerten lediglich vier neue Songs bei. Zehn ältere gaben sie zur Zweitvermarktung frei, vor allem aus dem ein Jahr zuvor produzierten Sgt. Pepper Album:

„When I get older losing my hair
Many years from now
Will you still be sending me a Valentine
Birthday greetings bottle of wine …“

Aufbruchsstimmung in der Jugendkultur

Stattdessen trieben sich die vier Liverpooler lieber zur Selbstfindung (und zu was auch immer) in Indien bei ihrem Guru Maharishi, um sich in Meditation zu üben. So wurde der Trickfilm im Wesentlichen eine Gemeinschaftsarbeit von George Martin, dem kanadischen Cartoon-Regisseur George Dunning und dem deutschen Grafiker Heinz Edelmann:

„Die Produktionsfirma suchte einen Entwerfer, konnte in England niemanden finden, und jemand kannte meine Arbeiten und rief an. Ich flog nach England, und wir wurden uns einig. Ich habe die Entwürfe gemacht, die dann von 30 Leuten weitergezeichnet worden sind und dann von weiteren hundert Leuten technisch ausgeführt wurden.“

Edelmanns Stil war durch eine eigenwillige neue Ästhetik aufgefallen. Er zeichnete für die legendäre deutsche Jugend-Zeitschrift Twen, die schon Anfang der 60er-Jahre mit visuellen Experimenten eine Aufbruchsstimmung in der Jugendkultur signalisierte. Viele hatten ein braves Pop-Märchen in lieblicher Walt-Disney-Manier erwartet. Stattdessen wurden Publikum und Kritiker von den großflächig bunten, raffiniert-naiven, teils bombastisch psychedelischen Eindrücken überrascht.

„One, two, three:
It was twenty years ago today
Sgt. Pepper taught the band to play
They’ve been going in and out of style
But they’re guaranteed to raise a smile … “

„Wir haben vielleicht mit der Sache etwas Neues angefangen. Es ist kein Kunstfilm, sondern ein kommerzieller Film. Aber es ist vielleicht ein neuer Typ des kommerziellen Trickfilms rein zufällig entstanden.“

„Lucy in the sky with diamonds
Lucy in the sky with diamonds …“

Fliegende Stiefel, wandernde Teekannen

Der gesamte Film ist eine bunte Parade von surrealen Elementen und skurrilen Figuren, die die Leinwand überfluten, wie fliegende Stiefel oder wandernde Teekannen. Sie machen die vage Handlung zur Nebensache, in der die bösen Blue Meanies, kleine trollähnliche Geschöpfe, in die friedliche Welt des unter dem Ozean liegenden Pepperland eindringen. Die fröhlichen Farben verblassen, die Musik verstummt und Sgt. Pepper‘s Hearts Club Band wird in einer Glasglocke gefangen gehalten. Die Invasion ist ein Angriff auf Musik, Liebe und Lachen. Doch Hilfe kommt in einem gelben U-Boot mit den Beatles an Bord. Ihre Botschaft, die die Blue-Meanies vertreibt, ist eindeutig:

„Love, Love, Love …“

Das stilistische Abenteuer dieses unkonventionellen, abendfüllenden Animationsfilms geriet zum erfolgreichsten Beatles-Film und wurde als gelungene Synthese von Pop-Musik und Pop-Art gefeiert. Ein Jahr später brachten die Beatles unter dem gleichnamigen Titel ihr zehntes Album auf den Markt.

„Love is all you need … Love is all you need … Love is all you need…“

Kritik und Publikum feierten den Beatles-Zeichentrickfilm
Jul 2018 | Allgemein, Essay, Feuilleton, Junge Rundschau, Senioren | Kommentieren