Es ist ja nicht nur uns Unheiligen nichts heilig: Auch die vergleichenden Religionswissenschaften machen sich Gedanken, die – geht es etwa um die Geburt Jesu aus der Jungfrau Maria – sich mit jenem Vorkommnis beschäftigen, das eine dem Christentum (seien wir doch mal ehrlich) entfremdete Welt zu Weihnachten feiert und mit dem unsere abendländische Zeitrechnung beginnt.
Keine wertfreie Kalenderweisheit ist es, sondern immerhin die Menschwerdung Gottes, bei der die Geschichte von vorn zu zählen beginnt. In der antiken Mythologie war die Jungfrauengeburt zwar eine alltägliche Sache – aber auch in d(ies)er Realität: Vor Gott Vater gab es Gott Mutter, die Erdgöttin.
Auch vorzeiten schon:
Tohuwabohu
In der griechischen Mythologie beginnt die Erschaffung der Welt aus dem Tohuwabohu mit der Erdmutter Gäa, die im Schlaf den Sohn Uranus gebiert. Als Herrscher des Himmels befruchtet er sie mit Regen und bringt als ihr Sohn die Erde zum Blühen. Gäa läßt Uranus nach einem Familienstreit kastrieren, und erst nach der Vermählung von Bruder und Schwester wird Zeus geboren. Die Legende siedelt diese Geburt auf Kreta an, in einer Grotte, wo eine Ziege das Neugeborene hütet. Das archaische Bethlehem ist für den Touristen per Esel zu erreichen – die Parallelen zur Geburtsgrotte im Heiligen Land sind unübersehbar. In allen Metamorphosen der klassischen Mythologie kam es zu wundersamen Geburten, wenn Götter sich mit Sterblichen einließen. Bacchus und Apollo sind Produkte von Zeus‘ amourösen Abenteuern, bei denen er sich als Mensch oder Vogel tarnte, um Nymphen und Königstöchter zu schwängern. Göttliche Abstammung setzte eine Jungfrauengeburt voraus und war dazu angetan, Sterblichen den Glanz der Unsterblichkeit zu verleihen. So glaubten Zeitgenossen, daß Alexander, Platon und Pythagoras durch Jungfrauengeburt auf die Welt gekommen seien, auch wenn alle Tatsachen dem widersprachen. Himmel und Erde aber vereinigen sich, bis das Wunder geboren wird.
„Jungfrau“ Maria? Übersetzungsfehler?
Unsere Zeitrechnung beginnt mit der Geburt Christi, und die westliche Kultur ist trotz allen Widerstandes im Denken und Handeln ein Produkt des Christentums. Die Kirche, gleich welcher Konfession, hat dabei an der Geburt aus einer Jungfrau festgehalten und diese tausendfach verehrt, angerufen und bildnerisch gestaltet. In den ältesten Schriften des Neuen Testaments indes findet die Jungfrauengeburt kaum Erwähnung. Im Markusevangelium, dem frühesten der vier, verhält Christus sich Mutter und Brüdern gegenüber gleichgültig, und lediglich Matthäus, der Altes und Neues Testament miteinander verbindet, erwähnt Marias Schwängerung durch den Heiligen Geist.
Dies wird deutlich, wenngleich indirekt erwähnt, als er auf den Propheten Jesaia verweist, der gesagt habe, daß eine Jungfrau schwanger werde und einen Sohn gebäre, den man Immanuel, „Gott mit uns“, nennen werde. Heutige Schriftgelehrte sind der Ansicht, Matthäus, der sich auf die griechische Fassung der hebräischen Texte stützte, habe einen Übersetzungsfehler begangen, da das griechische parthenos, Jungfrau, eine zu wörtliche Übersetzung des hebräischen alma, heiratsfähiges Mädchen, sei. Wie auch immer – die Natur macht Mann und Frau biologisch gleichwertig und voneinander abhängig. Die Mythologie hingegen kennt eine andere Wirklichkeit, die idealisiert, bedichtet und personifiziert wird. In diesem Sinne ist Maria eine wirkliche Dienerin. Sie dient jedoch nicht dem Herrn, sondern der christlichen Theologie. Aus einer beiläufigen Erwähnung in der Bibel hat mann sie groß gemacht, denn die Kirchenväter brauchten sie, um Juden, Griechen und Heiden die gleichzeitig göttliche und menschliche Natur ihres Sohnes klarzumachen. In ihr wurde Irdisches himmlisch, Besudeltes rein und nicht zuletzt das Sexualleben zur sündigen Kehrseite der Jungfrauengeburt.
Lustig, lustig, trallalla, bald …
Drogen unterm Weihnachtsbaum
Das Brauchtum um Weihnachten herum tut ein übriges, den Glauben an jungfräuliche Geburt zu untermauern. Gerade hat die Heidelberger Hauptstelle gegen Drogenmißbrauch (HHgDm) vor den Gefahren des Weihnachtsfestes gewarnt. Eindringlich werden die Bundesbürger aufgefordert, auf suchterzeugende Weihnachtssubstanzen zu verzichten, vor allem der leichtsinnige Griff ins Gewürzregal könne unabsehbare Folgen haben und den ahnungslosen Konsumenten in Konflikt mit dem Betäubungsmittelgesetz (BtMG) bringen.
Vor dem Verkehr mit Rauschgoldengeln wird ebenso gewarnt, wie vom Verzehr von Zimtsternen, Pfefferkuchen, Anistalern, Ingwerplätzchen, von Spekulatius und schokoladierten Christkindlein abgeraten wird. Vor allem bei unkontrolliertem Mischkonsum mit Glühwein, Punsch und Bowle, Karpfen, Gans und Truthahn („Hast du Haschisch“ – wir erinnern uns – „in der Blutbahn, kannst du fliegen wie ein Truthahn“) wirke, so HHgDm-Präsidentin Caja von Drottelhaim (57), ein multitoxikomanes Geschehen im menschlichen Organismus unheilvoll zusammen.
In der stofflichen Expertise „Wirkung und Pharmakokolorinese von psychoaktiven Jahresend-Halluzinogenen“ unterzogen die Weihnachtsforscher im Auftrag der NEUEN RUNDSCHAU die beliebtesten Festdrogen einer detaillierten Analyse. Ergebnis: Bei chronischem Konsum vor- und weihnachtlicher Spezereien kann es zu abnormen, rauschhaften Verwirrtheitszuständen mit Herzschlagveränderung, Schweißabsonderung, Fieberschüben, Muskelschmerzen und Übelkeit kommen – bis hin zum Erbrechen.
Was soll denn überhaupt noch Freude machen ?
Safran – „macht den Kuchen geel“ – zum Beispiel, dieser aus den Blütenfäden des Krokus gewonnene Farbstoff ist nicht nur Aromaspender, sondern eine dem Opium vergleichbare Droge, schmerzstillend und krampflösend zugleich. Die Forscher berichten von einem „euphorisierenden Kick“ mit „allzumal heiteren Delirien“ und „unbändigem Lachreiz“. Letale Dosis: 12 Gramm. Beispiel Zimt (Hauptwirkstoff in „Zimtstern“ und „Bratapfel): Schon in den dreißiger Jahren wurden Zimt-Zigaretten wie Marihuana geraucht. Auch die Wirkung ist vergleichbar. Hohe Dosen führen zu krampfähnlichen Effekten.
Auch unsere „Springerle“ – die schönsten in alten Holzformen geprägten gibts (leider nur in Heidelberg) immer noch bei Gundel am Rathaus und am Uni-Platz – sind des enthaltenen Anis‘ wegen auch nicht so ganz ohne: Bei oraler Verabreichung treten ab 70 mg erste psychoaktive Effekte auf, auch wurden typische Opiatwirkungen beobachtet. Anis wirkt sedierend, analgetisierend, antitussitiv und verzögert die Peristaltik.
Eine der häufigsten (nicht nur Weihnachts-) Drogen ist die Schokolade. Das beliebte Vielstoffgemisch aktiviert cannabinoide Rezeptoren, putscht den Organismus auf und setzt im Hirn den antoinativen Neurotransmitter Serotonin frei.
Rauschdrogen von ebenfalls beachtlicher Potenz sind – man mag auch dies gar nicht glauben – Muskat, Pfeffer, Ingwer oder Nelken (letztere bei Zahnschmerzen in die richtige Lücke gedrückt, schon hört die Pein für eine Weile auf, da spätestens merkt auch der verwunderte Drogenlaie, dass darin ein explorierter Stoff enthalten sein müsse!) können zu psychischer und/oder physischer Abhängigkeit führen. Von den Usern über das ganze Jahr genossener Myrrhe und vom Weihrauch ganz zu schweigen…
Psychosen alle ecclesiogen?
In den Fallbeispielen ärztlicher Notdienste und Vernehmungsprotokollen polizeilicher Aufklärung finden sich zahlreiche Belege für drogeninduzierte Weihnachtspsychosen, erwiesenermaßen sind die nämlich keineswegs alle ecclesiogen, wie Jürgen Gottschling, dieser oft als (aber gerne doch) laizistischer und zudem ungläubiger Kirchenkritiker denunzierte immer glauben machen möchte. Insbesondere wird immer wieder die Leuchtkraft der auftretenden Farbvisionen und die Eindringlichkeit optischer Trugwahrnehmungen dokumentiert. Drogen-User sehen den „Stern von Bethlehem“, „geflügelte, blondierte Wesen auf Tannenspitzen“, „von Elchen und Rentieren gezogene, schlittenartige Ufos“, sie haben Visionen von „rotgewänderten Greisen mit weißen Wattebärten, Rute und Jutesack, die ihr Erbe verschenken“, haben Wahrnehmungen von „elektrisch aufgeladenen Fichten“ und sehen „göttliche Kleinkinder in Futterraufen“.
In fortgesetztem Rauschgeschehen dann treten akkustische Phänomene auf: Repetitives Psalmodieren von allerlei Gewünschtem wie einem „holden Knaben im lockigen Haar“ – von einer „Jungfrau auserkoren“ etwa, oder zwanghafte Vermehrungswünsche mit aufgesagtem „ihr Kinderlein kommet“ sind bekannt geworden. Die emotional enthemmte Atmosphäre entlädt sich – in gleichwohl schönen – bis hin zu ekstatischen Gesängen und Litaneien.
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Das gesamte Wahngeschehen ist eingebettet in ein aufwendiges, mit erheblichen forstwirtschaftlichen Schäden einherkommenden „Settings“. Junge Nadelgewächse werden gerodet, in Wohnstuben altarähnlich installiert, glitzernde Metallstreifen und psychedelische Kugeln daran arretiert. Nicht selten wird an dem ausgetrockneten Gehölz sorglos mit offenem Licht hantiert und häufig versammeln sich die Berauschten in un- bis schlecht beheizten Sakralbauten und zelebrieren „bunte Messen“.
Damit nicht genug …
Die Weihnachtsintoxikation durch Schoko- und Gewürzmittelmißbrauch führt aber auch zu Depressionen, Angst und Eifersuchtsideen.
„Die Suizidquote nimmt dramatisch zu“, so ein Teilergebnis der Rundschau-Studie.
Und, zu guter Letzt, kann es nach Absetzen der Rauschdrogen noch Monate später ohne vorhergehende Warnsymptome zu einem sogenannten Flashback („Nachrausch“) kommen.
Meist berichten die Probanden dann von Säugetieren, die bunte Eier legen: Hasen.
In der – was Wunder – Regel jedenfalls.
26.Dez.2008, 22:52
[…] http://www.rundschau-hd.de/archives/479/ […]
26.Dez.2011, 12:26
Entschuldigung, wenn ich bei Mitbürgerinnen und Mitbürgern für Momente schlechte Laune verbreite. Aber es ist wirklich so: Ich hatte und habe weiterhin keinen Weihnachtsstress und ich nehme mir auch keinen. Ich bin nicht einmal besorgt, dass er sich von selbst noch einstellen könnte und wenn, ist´s auch egal. Und ich stehe auch nicht unter Weihnachtsintoxikation (siehe oben). Die vielen aufgeregten Experten- und Service-Tipps (gerade auch in der RNZ in Heidelberg), wie man seine Lieben qua Geschenk (un)glücklich macht, gehen mir an Aug und Ohr vorbei, um mich vorsichtig auszudrücken. Selbst wenn der famose Bischof Zollitsch uns beim Schenken berät (wie in der RNZ).
Und wenn Dein Glühwein zu süß ist, dann schenk´ halt etwas Zitrone nach. Und wenn die Gans zu fett ist, dann ist das der Ente doch längst egal.
Nein, es ist schon so, wie der Philosoph A. Camus mal geschrieben hat. Wir müssen uns Sisyphos als einen glücklichen Menschen vorstellen. Wälzen wir also erneut den schweren Stein und schalten wir vor allem die Medien ab oder aus! Das ist kein Ratschlag, das ist fast schon irgendwie Pflicht!
Gedeihliche Weihnachten!
Beste Grüße
Fritz Feder