Aus unserer Mitte:
Zur Abschiebung der Familie R. aus Rohrbach von Franz Maucher:
Seit sechs Jahren lebten sie in Heidelberg, seit 2 Jahren in Rohrbach:

Ein junges Ehepaar aus Serbien, zwei Töchter, Zwillinge, die noch in Serbien geboren wurden, ein weiteres Mädchen hier in Deutschland, ebenfalls der Jüngste. Inzwischen sind die Kinder 7, 6 und 3 Jahre alt.

Der Vater war in den letzten zwei Jahren in Ausbildung, wollte zuletzt einen neuen Arbeitsplatz antreten, die Vertragsunterzeichnung sollte am 17.1.2018 erfolgen, die Zusage lag vor.
Die Mutter war mit den vier kleinen Kindern voll eingespannt, gesundheitlich oft belastet, hatte im Januar angefangen zu arbeiten. Die beiden älteren Töchter sind gerade im ersten Schuljahr in der Eichendorffschule gut angekommen. Die beiden Jüngeren sind noch im Kindergarten, das Mädchen im Vorschulunterricht, die Schule sollte in diesem Herbst beginnen.
Familie R. war eingebunden, unternahm durch eigene Ausbildung und Förderung der Kinder, mit Unterstützung mehrerer Personen aus dem Stadtteil und den Großeltern nach Kräften das Mögliche, um eine solide Zukunft in Deutschland aufzubauen. Das Bild zeigt die Familie beim Festumzug der 1250 Jahrfeier in Rohrbach. Manchen sind die lebendigen drei Mädchen aufgefallen, wenn sie mit jemandem zusammen unterwegs waren, um in den Wald zu gehen, Spielplätze zu erobern…
Von außen eine ganz normale Familie, der Kinderreichtum fällt in einem Stadtteil wie Rohrbach kaum auf, eher schon die Fremdsprachigkeit. Nach innen war der Alltag aber immer geprägt von den bescheidenen finanziellen Mitteln, den gesundheitlichen Belastungen Einzelner, dem Bestreben alles gut zu machen und vor allem der Gefahr der Abschiebung: um diese abzuwenden war der Druck sehr hoch, immer alles richtig zu machen, um hier in Deutschland dann schließlich eine sichere Existenz aufbauen zu können.
Dann am Mittwoch, 17. Januar, nachts, vielleicht um drei Uhr, alle schlafen: Vor der Tür sammelt sich Polizei (20-30 Beamte?) – Straße gesperrt – Klingeln, Klopfen – Rufe – Aufschrecken der Kinder – Angst – eine halbe Stunde zum Packen – Hektik – die Großeltern kommen noch schnell – Kopflosigkeit – ein Abschied, ein  In-den-Armnehmen wird nicht mehr erlaubt  –  der Großvater abgeführt – die Großmutter kollabiert – Einsteigen – Fahrt durchs Dunkel – Abflug von Baden-Baden nach Belgrad. Am Flughafen abgesetzt, keine Wohnung, kein vertrautes Umfeld, nur ein Unterschlupf bei einem Bekannten.
Hier in Rohrbach: ein leeres Haus, die Großeltern verkaufen Möbel und Hausrat ihrer Kinder, um Geld für deren Existenz in Serbien zu sammeln; im Kindergarten: leere Plätze; in der Schule: leere Plätze, am Arbeitsplatz: Ausfall.
In Belgrad/Serbien: eine Familie, vier kleine Kinder, kaum Geld, keine Kleidung, keine Auffangstruktur, keine Wohnung.
Wer hier keinen Wohnsitz hat, bekommt keine Papiere (Ausweise der Eltern waren abgelaufen). Wer keine gültigen Papiere hat, bekommt i.d.R. keine Wohnung, keinen Schulplatz, keine medizinische Versorgung, keine staatlichen Hilfen, ein Teufelskreis. Wohin gehen mit den akuten Zahnschmerzen? (die Operation wäre in Heidelberg zwei Tage später gewesen) Wohin gehen?
Ob die Abschiebung rechtens war, können wir nicht beurteilen, das haben Juristen zu prüfen.
Ob wir aber in einer Gesellschaft leben wollen, die solch eine Abschiebung legitim findet, ist eine Frage an unser Gewissen und unser Wahlverhalten.
Muss man deutsches Recht wirklich gegen eine Familie mit kleinen Kindern und vor allem in dieser Form, nachts und mit massivem Polizeieinsatz wie gegen Schwerverbrecher durchsetzen – und ohne dass am Zielort eine Auffangstruktur sichergestellt ist?
Wollen wir so eine Gesellschaft sein? Und ist es das, was wir uns unter Würde* und Zivilisation vorstellen?
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* Grundgesetz, Artikel 1
(1) Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.
(2) Das Deutsche Volk bekennt sich darum zu unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechten als Grundlage jeder menschlichen Gemeinschaft, des Friedens und der Gerechtigkeit in der Welt.

Der punker e.V. unterstützt eine Unterschriftensammlung, die es der Familie erlauben soll, wieder nach Heidelberg zurückzukehren.
Wer sich daran beteiligen möchte, kann die Vorlage zur Unterschriftensammlung hier herunterladen.
Die Unterschriftenlisten können bei V. Schenk im Burnhofweg 4 eingeworfen werden oder direkt zum Oberbürgermeister, Rathaus, Marktplatz 10, 69117 Heidelberg geschickt werden.

Feb. 2018 | Heidelberg, InfoTicker aktuell, Kirche & Bodenpersonal, Politik | Kommentieren