Wer als Journalist über Parteitage berichten möchte, lässt sich akkreditieren – ein üblicher Vorgang. Doch die AfD forderte den Zugriff auf sensible Daten. Nach Kritik wurde das Verfahren entschärft, doch es bleibt problematisch.
Die AfD steht vor ihrem achten Bundesparteitag. Stattfinden soll er Anfang Dezember in Hannover. Ein Höhepunkt der zweitägigen Veranstaltung ist die Neuwahl des Bundesvorstands. Journalisten, die darüber berichten möchten, können sich noch bis zum 20. November für eine Akkreditierung über die Webseite der AfD anmelden.

 

Alles nichts Ungewöhnliches. Doch für ihren Parteitag in Hannover hat die AfD die Akkreditierungsregeln geändert. So forderte die Partei Medienvertreter dazu auf, der zusätzlichen Speicherung von „besonderen Daten“ zuzustimmen. Eine Option, der Speicherung dieser Daten zu widersprechen, fehlte. In der Bestätigung zur Anmeldung wurde den Journalisten mitgeteilt:

Ich bin mit der Erhebung, Speicherung und Nutzung der vorstehenden personenbezogenen Daten sowie der besonderen Daten (§3 Abs. 9 BDSG, z.B. politische Meinungen) einverstanden. Meine Daten werden nur für die Zwecke der Arbeit der Partei erhoben, gespeichert und genutzt.

Unter Paragraf 3 Absatz 9 des Bundesdatenschutzgesetzes sind die „besonderen Daten“ aufgelistet. Dazu zählen neben der politischen Meinung unter anderem Angaben zur religiösen Überzeugung oder dem Sexualleben. Warum wolle die AfD solche Daten zur „Arbeit der Partei“ speichern?, fragten sich Journalisten. Und ist das rechtmäßig?

„Nichts mit dem Mandat der Partei zu tun“

Staatsrechtler Joachim Wieland von der Deutschen Hochschule für Verwaltungswissenschaften nannte das Vorgehen im „Handelsblatt“ verfassungswidrig. Er sagte:

Die Wertordnung des Grundgesetzes, an die auch eine politische Partei gebunden ist, steht einer Speicherung derartiger Daten diametral entgegen. Das Grundgesetz gewährleistet die Freiheit von Journalisten, ihrer Arbeit ohne solche Einschränkungen ihrer Freiheit nachgehen zu dürfen.

Und auch die Kritik unter Medienvertretern war groß. Der Deutsche Journalisten-Verband überschrieb einen Kommentar zu dem Vorgang wie folgt: „Auf frischer Tat ertappt“:

Seit wann geht es eine politische Partei etwas an, ob ein Berichterstatter Katholik ist? Ob er Mitglied des DJV ist? Ob seine Eltern aus der Türkei stammen? Solche Daten zu erheben und für welche Zwecke auch immer zu nutzen, hat mit der Akkreditierung für den AfD-Bundesparteitag ebenso wenig zu tun wie mit dem politischen Mandat dieser Partei.

Unklar blieb allerdings, wie die AfD eigentlich an diese besonderen Daten kommen sollte. Eine Anfrage des ARD-faktenfinders dazu beantwortete die Partei bislang nicht.

AfD spricht von „Testversion“

Nach der Kritik an dem Vorgehen machte die AfD einen Rückzieher; Pressesprecher Christian Lüth schrieb bei Twitter von einer „Testversion“ und lud Journalisten ein, die „offizielle Anmelde-Maske“ auf der AfD-Seite zu benutzen.

In der neuen Anmelde-Maske zur Akkreditierung ist von der geplanten Speicherung „besonderer Daten“ keine Rede mehr. Doch ist hier – wie auch schon in der vermeintlichen „Testverion“ – die Übermittlung einer Kopie des Presseausweises als Foto, Scan oder PDF vorgeschrieben. Problematisch dabei: Der Presseausweis enthält immer auch eine Anschrift des betreffenden Journalisten – oft die private.

Wie der Deutsche Journalisten-Verband auf Anfrage mitteilte, steht es den Journalisten grundsätzlich frei, ob auf dem Ausweis eine dienstliche oder die private Anschrift vermerkt ist. DJV-Pressesprecher Hendrik Zörner sagte, es sei davon auszugehen, dass die Privatadresse weitaus öfter verwendet werde als die des Arbeitgebers. Bei freien Journalisten gebe es sowieso nur eine private Anschrift.

 

Unübliche Praxis

Andere Parteien verzichten darauf, eine Kopie des Presseausweises zur Akkreditierung abzufragen: Zum Deutschlandkongress von CDU und CSU im vergangenen Jahr wurde beispielsweise die postalische Anschrift per Formular abgefragt. Die Angabe einer dienstlichen Adresse war somit problemlos möglich. Zusätzlich wurde lediglich per Ja/Nein-Option abgefragt, ob eine Akkreditierung zur Bundespressekonferenz und ein Presseausweis vorlägen.

AfD-Co-Parteichef Meuthen beim Bundesparteitag in Hannover im Jahr 2015

Auch die SPD fordert von Journalisten lediglich per Ja/Nein-Frage die Information darüber, ob eine Akkreditierung des Bundespresseamts vorliegt. Am Veranstaltungstag werde dann gegen Vorlage eines gültigen Presse- und Personalausweises die Akkreditierung ausgehändigt, heißt es auf der entsprechenden Webseite. Bündnis 90/Die Grünen verlangen für ihre anstehende 42. Bundesdelegiertenkonferenz neben Medium und Tätigkeit lediglich eine Presseausweisnummer. Die FDP forderte zum Bundesparteitag 2016 von Medienvertretern ebenfalls diese Nummer und darüber hinaus, von welcher Journalisten-Organisation der Ausweis ausgestellt worden ist.

 

Das deckt sich auch mit den Erfahrungen des Deutschen Journalisten-Verbands: „In der Regel füllen Journalisten ein Onlineformular aus und zeigen den Presseausweis höchstens beim Einlass vor“, so Pressesprecher Zörner.

Im Jahr 2009 hatte die NPD für Aufsehen gesorgt, da sie den Zugang zu einem Parteitag daran geknüpft hatte, dass Journalisten neben dem Presseausweis auch ihren Personalausweis oder Reisepass vorlegen sollten. DJV- Sprecher Zörner warnte damals ausdrücklich davor, der NPD diese Papiere vorzulegen: „Die Rechtsextremisten sind – wofür auch immer – offenbar darauf aus, an die persönlichen Daten von Journalisten heranzukommen“.

Trotz Kopie des Ausweises kein Zugang?

Die AfD scheint indes bei ihrem Vorgehen zu bleiben, bis heute verlangt sie die Kopie des Presseausweises. Und offenkundig behält es sich die Partei vor, dennoch nicht alle angemeldeten Medienvertreter zuzulassen. So erklärte der Bundesvorstand auf einer Website zum Bundesparteitag im Hannover Congress Centrum:

Die zugelassenen Medienvertreter erhalten nach dem 20. November eine gesonderte Bestätigung. Bitte haben Sie Verständnis dafür, dass die Teilnehmerzahl begrenzt ist.

Das Hochladen einer Kopie des Presseausweises ermöglicht unter Umständen also gar keinen Zugang zu dem Parteitag. Eine Information, die auf der AfD-Anmeldungsseite zur Akkreditierung den Journalisten vorenthalten wird.

Nov. 2017 | Allgemein, Politik, Sapere aude | Kommentieren